Tipps für den Tag X

KONZ/TRIER. (kat) Für zwei Stunden tauchten die Schüler der Hermann-Staudinger-Realschule aus Konz ein in die Realität der Arbeitswelt. Sie probten den Ernstfall: Sie bearbeiteten einen Einstellungstest und simulierten Vorstellungsgespräche mit echten Ausbildungsleitern, die zunehmende Defizite in Mathematik, Konzentrationsstörungen und starke Hemmungen der Bewerber feststellen.

Oliver Esch traut sich. Er stellt sich in einem Rollenspiel den Fragen von Horst Epper. Der ehemalige Ausbildungsleiter des Gerolsteiner Brunnens arbeitet - wie einige Kollegen - ehrenamtlich für die IHK, gibt seine Erfahrungen weiter, um junge Menschen fit für den Tag X zu machen. Bevor die 28 Realschüler das Vorstellungsgespräch üben, haben sie einen Einstellungstest bearbeitet. Die meisten Schüler können sich konzentrieren, halten durch. "Das ist nicht mehr die Regel", sagt Dieter Press, Ausbildungsleiter des RWE Rhein-Ruhr Trier. Er stellt zunehmend fest, dass viele Bewerber es nicht schaffen, sich während der Tests zu konzentrieren. "Die brechen regelrecht zusammen", so Press. Dramatische Defizite stellt er im Bereich Mathematik fest. "Viele Schüler haben kein Verhältnis zu Zahlen", beobachtet auch Christel Trossen, Prüferin der Kammer. Zurück zu Oliver: Er beantwortet souverän die Fragen des fiktiven Chefs. Er weiß, warum er Schreiner werden möchte, erzählt von seinen Hobbys und dass er bereit ist, ein Praktikum zu absolvieren. Gemeinsam mit den Klassenkameraden analysieren die Ausbildungsleiter das Gespräch. "Er hätte nicht so mit dem Bein wippen sollen", hat Sebastian auf die Körpersprache geachtet. Ein bisschen Nervosität sei aber in Ordnung, sagt der Profi. Das gehöre dazu. Oliver hat Blickkontakt gehalten und sich nicht lümmelhaft verhalten, was den Ausbildungsleitern oft begegnet. "Einige Bewerber fläzen sich regelrecht in den Stuhl", hat Epper oft beobachtet. "Oder die Kleidung ist unangemessen", sagt Press. Das Outfit muss im Ernstfall stimmen. Nadelstreifenanzug mit Fliege kommt bei einer Bewerbung im Handwerk garantiert nicht gut an, ebenso sollte kein Bewerber im kaufmännischen Bereich in Jeans aufkreuzen. Eine gepflegte Erscheinung - und der Bewerber rücke seinem Ziel ein Stück näher. "Wie wichtig sind die Noten?", will ein Schüler wissen. "Die Zeugnisnoten sind neben dem Einstellungstest, er wird zu etwa zehn Prozent gewertet, und dem äußerlichen Erscheinungsbild sowie der Präsentation ausschlaggebend", sagt Gerd Kluxen, ehemaliger Ausbilder beim Modehaus Hochstetter. Letztendlich entscheidend sei jedoch die Gesamtpersönlichkeit. Schlüsselqualifikationen, wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder Teamfähigkeit, könnten einiges wettmachen. Noch ein Profi-Tipp: "Es ist häufig so, als hätten einige Bewerber ein Schweigegelübde abgelegt", sagt Kluxen. Das freie Sprechen vor der Klasse müsse verstärkt geübt werden. Lehrer und Eltern müssten daran arbeiten, dass die jungen Menschen die Hemmung, ein offenes Gespräch zu führen, verlieren. Häufig werden die Ausbildungsleiter gefragt, ob die Eltern zum Bewerbungsgespräch mitgehen sollen. Antwort: ein klares Nein. "Eltern sollten mit ihren Kindern zum Berufsinformationszentrum gehen oder das Vorstellungsgespräch zu Hause üben", so Epper. "Dreimal im Jahr bietet die IHK Bewerbertrainings für Schulklassen an", so IHK-Trainerin Alexandra Lessjow. Der nüchterne Raum, die echten Ausbildungsleiter und die Spielregeln sind dort andere als in der Schule und lassen die Schüler für ein paar Stunden in die reale Arbeitswelt eintauchen. "Oliver hätte gute Chancen, eingestellt zu werden", bescheinigt Epper dem jungen Mann am Ende des Rollenspiels.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort