Tote finden keine Ruhe: Sie verwesen nicht

MORSCHEID. Die Gemeinde Morscheid hat ein Problem - und dieses klingt makaber und wird dem 820 Einwohner zählenden Ort in den nächsten Jahren noch viel Geld kosten: Auf dem in 1969 angelegten Gemeindefriedhof können die Toten nicht verwesen.

Fast drei Jahrzehnte lang ahnte niemand in dem Dorf auf der Höhe zwischen dem Ruwertal und dem Riveristal, dass der Friedhof für Bestattungen untauglich ist. Diese Erkenntnis kam erst, als nach 29 Jahren Ruhezeit - die Regel sind laut Satzung 25 Jahre - das erste der "neuen" Gräber aus den 60er-Jahren geöffnet wurde. Ortsbürgermeister Josef Weber: "Unser Gemeindearbeiter sollte das Grab im Februar dieses Jahres neu ausheben. Dabei stieß er auf einen komplett erhaltenen Sarg. Weber informierte umgehend das Gesundheitsamt Trier sowie das Landesamt für Geologie und Bergbau in Mainz über das Phänomen. Mitarbeiter des Gesundheitsamtes begutachteten das Grab und stellten fest, dass der Verwesungsprozess noch lange nicht abgeschlossen war. Wegen der Bodenbeschaffenheit erhöhte das Gesundheitsamt dann per Anordnung die Mindestruhezeit von 25 auf 50 Jahre. Das geöffnete Grab wurde wieder zugeschüttet. Ein Gutachten des Mainzer Landesamtes, das Ortsbürgermeister Weber nun vorliegt, verdeutlicht das Problem: Der lehmige und wasserundurchlässige Boden verhindert im Zusammenspiel mit einsickerndem Oberflächenwasser die Verwesung. Die Gräber sind unten und an den Seiten von undurchlässigen Schichten umgeben - doch der über dem Sarg aufgeschüttete Erdaushub ist verhältnismäßig lose. Dadurch verursacht von oben eindringendes Regenwasser einen "Wanneneffekt" zwischen den undurchlässigen Lehmschichten. Der Sarg steht ständig unter Wasser, eine Sauerstoffzufuhr ist nicht gewährleistet und damit auch keine Verwesung. Die makaberen Folgen sind im Gutachten des Ladesamtes nachzulesen. Dort heißt es wörtlich: "Durch die starke Vernässung im Sargbereich wird der Verwesungsablauf verhindert. Es kommt zur Leichenwachsbildung und damit zur Konservierung der Toten, wie man im betroffenen Friedhof bereits festgestellt hat." Selbst eine drastische Verlängerung der Ruhezeit, so das Landesamt weiter, könne nur bedingt Abhilfe schaffen, da unter diesen Gegebenheiten erst nach über 100 Jahren der langsame Zerfall beginne. Ortsbürgermeister Weber: "Ruhezeiten über eine Dauer von zwei Generationen kann sich keine Gemeinde leisten. Auch den Bürgern ist nicht zuzumuten, für die Gräber von längst vergessenen Vorfahren aufzukommen." Die Ortsgemeinde steht nun vor einem Dilemma. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatten die Morscheider ihre neue Friedhofskapelle eingeweiht. Hinfällig ist zudem die geplante Erweiterung des Friedhofs um rund 40 neue Ruhestätten, obwohl eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Gesundheitsamtes Trier - ehemals eine Landesbehörde - vorliegt. Dieses Gutachten über das Gelände am Ende der Morscheider Kirchstraße stammt allerdings aus dem Jahre 1964.Gemeinderat vertraute 1969 auf ein Gutachten

Dazu der Ortsbürgermeister: "Die haben damals wohl noch nicht so genau hingeschaut. Und wirklich dezidierte Bodenproben macht man erst seit etwa zehn Jahren. Jedenfalls musste der damalige Gemeinderat auf das Gutachten vertrauen, als er viel Geld in den neuen Friedhof investierte." Zum Nachteil anderer Projekte werde man nun in Morscheid erneut in den Friedhof investieren müssen, da dieses Problem vordringlich sei, sagt Weber und fügt hinzu: "Was da an Kosten auf uns zukommt, ist noch nicht überschaubar." Sicher ist für die Morscheider, dass Förderungen aus dem Investitionsstock des Landes zunächst in die Friedhofssanierung fließen müssen. Ganz kampflos will Weber das Gräberfeld aber nicht räumen. Der Ortsgemeinderat werde die Kreisverwaltung auffordern zu prüfen, so Weber, ob man das Land für das Fehlgutachten seiner ehemaligen Behörde in Regress nehmen könne. Ob der Vorstoß Erfolg haben wird, bleibt fraglich. Das Problem ist, dass vor 40 Jahren bei Prüfverfahren mit anderer Elle gemessen wurde. Darauf verweist auch Hans Bousonville, Verwaltungsleiter des Gesundheitsamtes Trier: "Wir gehen davon aus, dass 1964 nach den damaligen Vorschriften geprüft worden ist und das Ergebnis rechtmäßig umgesetzt wurde." Jedenfalls liegen inzwischen Angebote von Ingenieurbüros vor. Möglicherweise wird sich die Gemeinde für betonierte Grabkammern mit Drainage entscheiden. Ein Beschluss des Gemeinderates steht noch aus. Baggerarbeiten auf dem Morscheider Friedhof sind unvermeidbar. Die Toten über dem Ruwertal werden ihre Ruhe sobald nicht finden.

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