Touristik statt Wutz und Kelter

KLÜSSERATH. In der Mittelmoselgemeinde Klüsserath nimmt ein 450 000 Euro "schweres" Projekt Gestalt an: Das ehemalige Ökonomiegebäude der Pfarrgemeinde wird zu einem Gemeindehaus mit Touristinformation und Vinothek umgestaltet.

Vor rund 200 Jahren hatte die Kirche den Bau für ihre Pfarrgüter errichtet. In jener Zeit war es auf dem Lande üblich, dass sich die Pfarrer ihren Unterhalt mit eigener Landwirtschaft verdienten. Entsprechend gestaltet war Innere des Gebäudes: Kelterraum, Weinkeller, Tenne und ein Stall. Seit etwa 40 Jahren stand das Haus ungenutzt da und ging zusehends in Verfall über. Da es die Pfarrgemeinde nicht selbst erhalten konnte, wurde es schließlich von der Ortsgemeinde erworben. Ortsbürgermeister Norbert Friedrich: "Klüsserath war seither eine der wenigen Gemeinden ohne eigenes Haus. Deshalb haben wir schon vor zehn Jahren an die ersten Konzepte für das Ökonomiegebäude in Angriff genommen."Die Hälfte zahlt das Land

Das Ergebnis nach Jahren der "Reife" war ein Denkmalprojekt, für das es einen 50-prozentigen Landeszuschuss gibt. Allerdings ist die Landeszuwendung auch an eine denkmalpflegerische Gegenleistung gebunden: Die historischen Fassaden und das Schieferdach müssen authentisch restauriert werden. Mehr Gestaltungsspielraum bleibt im Inneren - aber auch dort ist das alte Gebälk zu erhalten, und die künftige Nutzung musste mit der Denkmalpflege abgesprochen werden. Die erste Phase des Umbaus und der Restaurierung ist in inzwischen abgeschlossen - drei Viertel der Gesamtsumme von 450 000 Euro sind schon "verbaut". Äußerlich präsentiert sich das Anwesen neben der Pfarrkirche wieder wie "neu". Derweil wird in den Räumen gerade ein ölgefeuerte Warmwasser-Fußbodenheizung installiert. Im Erdgeschoss befindet sich unter einem massiven Gewölbe der ehemalige Weinkeller und der Kelterraum. Dort sollen die Vinothek und die angeschlossene Probierstube untergebracht werden. Zur Vermarktung der Vinothek haben 20 Klüsserather Winzer eigens einen eingetragenen Verein gegründet. Jedes Mitglied erhält ein Regal, auf dem es drei Sorten seiner Erzeugnisse, Preislisten und Infomaterial anbieten kann. Die Kunden können die Weine dort verkosten, Bestellungen aufgeben oder kleinere Mengen sofort mitnehmen. Ebenfalls im Erdgeschoss befindet sich später die Tourist-Information. Ursprünglich war geplant, dass die Tourist-Mitarbeiter während der täglichen Öffnungszeiten auch eine Postagentur betreuen sollten. Doch Letzteres gilt als gescheitert: Bekanntlich gibt die Post AG auch in Klüsserath ihren stationären Service auf (wir berichteten). Dazu der Ortsbürgermeister: "Das kann man mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen. Ohne die Postagentur können wir unsere Touristinformation natürlich weiter als ursprünglich geplant ausbauen."Ohne Nutzung hätte der Verfall gedroht

In der ehemaligen Tenne im Obergeschoss entsteht der Mehrzwecksaal für die Gemeinde. Der Raum unter dem historischen Dachgebälk ist erheblich weiträumiger als das Gebäude von außen erwarten lässt. Der Saal soll später für maximal 100 Besucher zugelassen sein. Ebenfalls im Obergeschoss - an der rückwärtigen Giebelseite - wird ein Büro für den Ortsbürgermeister eingerichtet. Hinzu kommt noch ein Aufzug zum Obergeschoss. Der ist in öffentlichen Gebäuden, die behindertengerecht ausgebaut sein müssen, vorgeschrieben. Er erleichtert auch den Transport von Speisen und Getränken bei Feiern und Festen. Neu gestaltet werden auch die Außenflächen - der Platz zwischen alter Ökonomie und Kirche soll ein "neues Gesicht" erhalten. "Natürlich sind nicht alle im Dorf froh damit. Sie hätten lieber Geld in den Straßenbau gesteckt. Aber dafür erhalten wir keine 50 Prozent Zuschuss", sagt Friedrich. Außerdem hätte man den historischen Bau ohne die neue Nutzung dem sicheren Verfall preisgegeben.

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