Trauriger Aschermittwoch bei Reifen-Zulieferer Drahtcord

Merzig · Aus für Drahtcord: Nach mehr als 40 Jahren schließt der Reifen-Zulieferer Ende Juli seine Produktionsstätte in Merzig. 94 Mitarbeiter sind von Arbeitslosigkeit betroffen, dazu zehn Leiharbeiter.

Merzig. Heinz Zender (61) und Werner Reinig (60) stehen vor den Trümmern ihres Arbeitslebens. 38 Jahre haben sie für Drahtcord gearbeitet, um Draht für Autoreifen herzustellen. Jetzt, wenige Jahre vor ihrem Ruhestand, packen Pirelli und Continental die große Keule aus: Das Merziger Werk soll ab 31. Juli die Produktion einstellen. Am Aschermittwoch wurde der Beschluss bekannt, dass die beiden Reifenhersteller ihr Tochterunternehmen in Merzig dicht machen wollen - nach mehr als 40 Jahren. Jetzt soll auch der letzte Teil der Produktion nach Rumänien verlegt werden, wie Ferdinand Weidig, Gewerkschaftssekretär der IG Metall, sagt.
"75 Leute von uns sind über 50 Jahre alt, 59 davon sogar über 55", konstatieren Betriebsratschef Michael Salmon und sein Stellvertreter Michael Herber, beide seit 34 Jahren Mitarbeiter. Fassungslos schüttelt Karl-Georg Schons den Kopf. Jahrelang hat er als Leiharbeiter in dem Werk gearbeitet, "für einen Appel und ein Ei". Seit November gehört der knapp über 50-Jährige zum Stammpersonal - mit angemessenem Lohn. "Viele Jahre haben wir geschuftet", klagt Peter Bopp, 52 Jahre alt, seit 25 Jahren im Betrieb. "Wir haben doch keine Chance auf dem Arbeitsmarkt."
"Raubtier-Kapitalismus pur"


Indes will Gewerkschaftssekretär Weidig die Flinte noch nicht ins Korn werfen. "Es kann doch nicht sein, dass ein Standort wie Merzig geschlossen wird, in dem rentabel gearbeitet wird und der für seine Qualität bekannt ist."
Nach seiner Ansicht hat Pirelli als größten Reifenhersteller der Welt die moralische Pflicht, den Standort aufrecht zu erhalten. Weidig verurteilt die "Billiglohnstrategie" des Unternehmens aufs Schärfste: "In Rumänien erhält ein Arbeiter 150 Euro netto pro Monat. Was Pirelli da treibt, ist Raubtier-Kapitalismus pur." Mit einer klaren Marschrichtung werden er und die Betriebsräte in die Verhandlungen um einen Sozialplan gehen: "Unsere Forderung lautet: den Betrieb in Merzig aufrecht zu erhalten." Sollte dieser Appell nicht fruchten, haben Gewerkschaft und Arbeitnehmervertreter eine Alternative auf Lager: Pirelli bezahlt die Belegschaft von Merzig bis zum Eintritt der Rente weiter. "Wir haben bei Drahtcord im Laufe der Jahre schon viel erlebt", zieht Heinz Zender Bilanz seiner fast 40 Jahre. "Von fast 1000 Mitarbeitern Mitte der 80er Jahre bis Anfang 90 sind wir mittlerweile geschrumpft auf 94."
Drahtcord-Geschäftsführer Josef Lottes verweist in einer schriftlichen Stellungnahme auf schwache Nachfrage nach Stahlcord auf dem internationalen Markt. Er nennt die Schließung des Merziger Standortes "unausweichlich". Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan würden unverzüglich aufgenommen.ms/mt

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