Serie „Landmarken“, Teil 20 Zur Kaiserzeit nahm das Trinkwasser für Oberbillig neue Wege
Oberbillig · Serie „Landmarken“: Ein Hochbehälter an der Mosel regt zur historischen Spurensuche bis zu den alten Römern an.
Ohne Wasser kann keine menschliche Siedlung bestehen. In unserer modernen Welt haben wir uns daran gewöhnt, dass es wie selbstverständlich aus dem Hahn fließt. Tatsächlich steht dahinter eine ausgeklügelte Infrastruktur. In früheren Jahrhunderten wurde das Thema recht unterschiedlich gelöst – manche Ansätze haben sich aber bis heute erhalten. Eine solche Spur ist in Oberbillig (Landkreis Trier-Saarburg) zu entdecken. Am Anfang der Wohnstraße Lerchenweg steht ein aufgelassener Hochbehälter. Der stammt aus dem Jahr 1912 und wurde von Quellen gespeist, die bereits die Römer für ihre Wasserleitung genutzt hatten.
Aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus ist eine gemauerte Wasserleitung belegt, die vom heutigen Heidenborn in die römische Siedlung führte, aus der sich später Oberbillig entwickelte. Wie lange diese Art der Trinkwasserversorgung existierte, ist nicht bekannt. Die nächsten Überlieferungen stammen bereits aus der Neuzeit: Damals setzte man im Dorf private Hausbrunnen sowie öffentliche Ziehbrunnen ein. Von dieser Methode zeugt der Name Pützstraße (Pütz = Eimer). Brauch- und Löschwasser wurde aus dem am westlichen Ortsrand verlaufenden Leimbach entnommen, hauptsächlich aber aus der Mosel.
Die große Umstellung kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Einwohnerzahl von Oberbillig war von 362 im Jahr 1871 auf 578 im Jahr 1905 angestiegen. Die herkömmliche Methode zur Wassergewinnung reichte schlicht nicht mehr aus. Also beauftragte die Gemeinde 1906 den Kreisingenieur damit, eine zentrale Wasserversorgung zu planen. Diese bestand aus zwei Quellfassungen, dem Hochbehälter am Lerchenweg und einem Ortsnetz von Leitungen. Nach Genehmigung durch einen staatlichen Meliorationsinspektor im Juli 1909 wurde das Projekt zügig ausgeführt. Melioration ist ein Fachbegriff aus Bodenkunde, Landschaftspflege und Wasserwirtschaft. Er beinhaltet heute in Deutschland kulturtechnische Schritte, die den Wert des Bodens erhöhen. Während der Bauarbeiten wurden 4900 laufende Meter an Rohrleitungen verlegt und 85 Häuser angeschlossen. Nach drei Jahren Arbeit ging die neue Wasserversorgung 1912 in Betrieb. Es war das bis dahin größte Bauprojekt der erst 90 Jahre alten Gemeinde Oberbillig.
Der Hochbehälter wurde in den Hang hinein gebaut und bis auf die Fassade mit Erde überdeckt und begrünt. Er hat zwei Kammern mit jeweils 40 Kubikmetern Inhalt, wobei in einer Kammer eine Brandreserve von 20 Kubikmetern vorgehalten wurde. Architektonisch glänzt der Bau mit einer symmetrisch gegliederten Fassade im Stil der Neurenaissance. Mittig überragt ein vorspringender Giebel mit der Eingangstür die seitlichen Wandflächen. Er ist mit einem Dreiecksgesims aus profilierten, vorspringenden Platten abgedeckt. Zu der höherliegenden Eingangstür führt eine sechsstufige Treppe, die von gemauerten, mit dicken Steinplatten abgedeckten Wangen eingefasst ist. Die baufälligen Treppenstufen wurden später allerdings durch rötlich eingefärbte Stufen aus Kunstbeton ersetzt. Über der Tür ist eine Sandsteinplatte eingelassen mit der eingemeißelten Aufschrift „Wasserwerk Oberbillig“.
Gespeist wurde der Hochbehälter von einer östlich gelegenen „Quelle I“. Funde von Tonscherben haben bewiesen, dass diese Quelle bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus genutzt wurde. Ihr Wasser wird heute in die Brunnenanlage Heidenborn geleitet. Die „Quelle II“ liegt 2500 Meter südwestlich vom Ort. Sie wurde in jüngster Zeit weiterhin genutzt für die Versorgung von zwölf Wochenendhäusern.