Serie „Landmarken“, Teil 20 Zur Kaiserzeit nahm das Trinkwasser für Oberbillig neue Wege

Oberbillig · Serie „Landmarken“: Ein Hochbehälter an der Mosel regt zur historischen Spurensuche bis zu den alten Römern an.

 Der Wasserhochbehälter wurde im Jahr 1912 im Stil der Neu­renaissance errichtet. Mehrere Bauteile sind aber nicht mehr im Original erhalten.

Der Wasserhochbehälter wurde im Jahr 1912 im Stil der Neu­renaissance errichtet. Mehrere Bauteile sind aber nicht mehr im Original erhalten.

Foto: Martin Recktenwald

Ohne Wasser kann keine menschliche Siedlung bestehen. In unserer modernen Welt haben wir uns daran gewöhnt, dass es wie selbstverständlich aus dem Hahn fließt. Tatsächlich steht dahinter eine ausgeklügelte Infrastruktur. In früheren Jahrhunderten wurde das Thema recht unterschiedlich gelöst – manche Ansätze haben sich aber bis heute erhalten. Eine solche Spur ist in Oberbillig (Landkreis Trier-Saarburg) zu entdecken. Am Anfang der Wohnstraße Lerchen­weg steht ein aufgelassener Hochbehälter. Der stammt aus dem Jahr 1912 und wurde von Quellen gespeist, die bereits die Römer für ihre Wasserleitung genutzt hatten.

Aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus ist eine gemauerte Wasserleitung belegt, die vom heutigen Heiden­born in die römische Siedlung führte, aus der sich später Oberbillig entwickelte. Wie lange diese Art der Trink­wasser­versorgung existierte, ist nicht bekannt. Die nächsten Überlieferungen stammen bereits aus der Neuzeit: Damals setzte man im Dorf private Hausbrunnen sowie öffentliche Zieh­brunnen ein. Von dieser Methode zeugt der Name Pütz­straße (Pütz = Eimer). Brauch- und Löschwasser wurde aus dem am westlichen Ortsrand verlaufenden Leimbach entnommen, hauptsächlich aber aus der Mosel.

 Den größten Teil des Hochbehälters bedeckt ein begrünter Hügel.

Den größten Teil des Hochbehälters bedeckt ein begrünter Hügel.

Foto: Martin Recktenwald

Die große Umstellung kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Einwohnerzahl von Oberbillig war von 362 im Jahr 1871 auf 578 im Jahr 1905 angestiegen. Die her­kömm­liche Methode zur Wasser­gewinnung reichte schlicht nicht mehr aus. Also beauftragte die Gemeinde 1906 den Kreis­ingenieur damit, eine zentrale Wasserversorgung zu planen. Diese bestand aus zwei Quell­fassungen, dem Hoch­behälter am Lerchenweg und einem Ortsnetz von Leitungen. Nach Genehmigung durch einen staatlichen Meliorations­inspektor im Juli 1909 wurde das Projekt zügig aus­geführt. Melioration ist ein Fachbegriff aus Bodenkunde, Landschaftspflege und Wasserwirtschaft. Er beinhaltet heute in Deutschland kulturtechnische Schritte, die den Wert des Bodens erhöhen. Während der Bau­arbeiten wurden 4900 laufende Meter an Rohrleitungen verlegt und 85 Häuser angeschlossen. Nach drei Jahren Arbeit ging die neue Wasserversorgung 1912 in Betrieb. Es war das bis dahin größte Bauprojekt der erst 90 Jahre alten Gemeinde Oberbillig.

 „Wasserwerk Oberbillig“ ist als Inschrift über der Eingangstür ein­gemeißelt.

„Wasserwerk Oberbillig“ ist als Inschrift über der Eingangstür ein­gemeißelt.

Foto: Martin Recktenwald

Der Hochbehälter wurde in den Hang hinein gebaut und bis auf die Fassade mit Erde überdeckt und begrünt. Er hat zwei Kammern mit jeweils 40 Kubikmetern Inhalt, wobei in einer Kammer eine Brand­reserve von 20 Kubikmetern vorgehalten wurde. Architektonisch glänzt der Bau mit einer symmetrisch gegliederten Fassade im Stil der Neu­renaissance. Mittig überragt ein vorspringender Giebel mit der Eingangstür die seitlichen Wand­flächen. Er ist mit einem Dreiecks­gesims aus profilierten, vorspringenden Platten abgedeckt. Zu der höherliegenden Ein­gangs­tür führt eine sechs­stufige Treppe, die von gemauerten, mit dicken Stein­platten abgedeckten Wangen eingefasst ist. Die bau­fälligen Treppenstufen wurden später allerdings durch rötlich eingefärbte Stufen aus Kunst­beton ersetzt. Über der Tür ist eine Sandsteinplatte eingelassen mit der ein­gemeißelten Aufschrift „Wasserwerk Oberbillig“.

Gespeist wurde der Hochbehälter von einer östlich gelegenen „Quelle I“. Funde von Ton­scherben haben bewiesen, dass diese Quelle bereits im zweiten Jahrhundert vor Christus genutzt wurde. Ihr Wasser wird heute in die Brunnen­anlage Heidenborn geleitet. Die „Quelle II“ liegt 2500 Meter süd­westlich vom Ort. Sie wurde in jüngster Zeit weiter­hin genutzt für die Ver­sorgung von zwölf Wochenend­häusern.

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