TV testet neue Reisezentren der Bahn in Saarburg und Schweich - Vorführeffekt: Technik versagt beim ersten Check

Saarburg/Schweich · Die Bahn hat in Saarburg und Schweich die ersten Videoreisezentren in Rheinland-Pfalz eingerichtet. Weitere sollen folgen. Reisende können sich in den Zentren von einem Mitarbeiter, den sie auf dem Bildschirm sehen, beraten lassen und bei ihm auch Fahrkarten kaufen. Ein Selbstversuch zeigt: Der Service ist gut - mit kleinen Abstrichen. Allerdings ist die Technik gelegentlich ein Problem.

Saarburg/Schweich. Erster Versuch, Videoreisezentrum im schmucken Saarburger Bahnhof. In dem kleinen, hohen Raum, dessen Eingang seitlich am Sandsteinbau liegt, riecht es nach frischer Farbe. Ich trete in die eingebaute Box, das eigentliche Zentrum, ein, orientiere mich kurz und drücke die grün leuchtende Ruftaste an der Ablagevorrichtung. Der Bildschirm springt um. Auf freundlichem Rot ist zu lesen: "Einen Moment bitte, in Kürze wird Ihnen ein Reiseberater zur Verfügung stehen. Es ist noch ein Kunde vor Ihnen im Gespräch."

Das lange Warten: "In Kürze" hört sich ja nicht allzu schlimm an. Ich warte. Zehn Minuten. Scheint ein schwieriger Kunde vor mir zu sein. 15 Minuten. Ein sehr schwieriger. Ein lautes Tuten schreckt mich auf. Der Bildschirm springt zurück auf Anfang. Also Neustart: Ich drücke wieder die Ruftaste. "Einen Moment bitte, in Kürze ..." Mmmh, dem Wort "Kürze" traue ich nicht mehr so recht. Und so langsam würde ich mich gerne setzen. Aber da ist nichts zum Sitzen. Nur kahle weiße Wände. Ich warte weiter … Nach einer halben Stunde reicht's. Ich breche das Experiment ab.

Ein enttäuschter Bahnfan: Als ich gehen will, kommen zwei Männer auf das Videoreisezentrum zu. Der ältere, Adolf Altenhofen, sagt auf Nachfrage: "Wir sind extra aus Kirf gekommen, um das Zentrum mal auszuprobieren. Er", er zeigt auf den jungen Mann neben sich, "will am Montag nach Freiburg fahren. Er ist Bahnfan und außerdem Student und muss aufs Geld schauen. Da wollten wir uns beraten lassen, was die günstigste Verbindung ist." "Er" ist Pablo Fuet terer aus Benidorm und meint enthusiastisch: "Ich will Lokomotivführer werden. Die Deutsche Bahn finde ich gut. Sie ist pünktlicher und sauberer als die spanische Bahn." Doch heute wird der Spanier enttäuscht von der Bahn. Von mir vorgewarnt drücken die beiden die Ruftaste, warten ein wenig und ziehen weiter Richtung Reisebüro.

Ein bemitleidenswerter Bahnmitarbeiter: Die beiden Männer sind gerade draußen, da erscheint ein Mann auf dem Bildschirm. Ich hechte in die Box. Ein Mensch! Entschuldigend hebt er die Achseln und sagt: "Es tut mir leid, wir haben einen technischen Defekt." Die Spezialisten suchten mit Hochdruck nach der Ursache. Er könne mir noch nicht mal Informationen über Verbindungen geben. Er habe keinen Zugriff auf das System. Er wiederholt: "Es tut mir leid." Jetzt tut er mir fast leid. Aber irgendwie ist es auch zum Lachen. Er sitzt mit seinem Headset irgendwo in Saarbrücken und soll die Videoreisezentren in Saarburg, Schweich, Mettlach und im hessischen Neu-Isenburg bedienen. Aber er verzweifelt an der Technik. Ich stehe in Saarburg und tue das Gleiche. Eine Nachfrage bei der Bahn-Pressestelle in Frankfurt ergibt: Die Störung an dem Nachmittag ging von der Telekom aus, sie hatte ein Leitungsproblem. Auch Nachbarn im Gebäude seien betroffen gewesen.
Und es funktioniert doch: Ein anderer Tag, ein neuer Versuch, diesmal im Videoreisezentrum Schweich. Es ist untergebracht in einem kleinen Bahnhofsgebäude, von außen deutlich zu erkennen durch ein buntes Graffitibild mit einer Frau in einem Videoreisezentrum - auf freundlich-rotem Hintergrund.
Im Innern ist die Optik identisch wie in Saarburg. Doch geht diesmal alles recht flott. Nur wenige Sekunden, nachdem ich den Rufknopf gedrückt habe, erscheint eine Bahnmitarbeiterin auf dem Bildschirm und fragt nach meinen Wünschen: einmal Schweich - Bayreuth und zurück.
Die Frau, die mir nicht in die Augen schaut, sondern rechts oder links vermutlich auf Monitore blickt, gibt die Daten ein. Daraufhin werden mir die Verbindungen auf einem zweiten, kleineren Bildschirm angezeigt. Das Mitlesen ist komfortabel. Kleines Manko: Es sind immer nur drei Verbindungen auf einmal zu sehen. Das kann mühsam sein, wenn man - wie im Fall der Rückfahrt an einem Samstag - länger nach einer annehmbaren Verbindung mit nicht allzu häufigem Umsteigen suchen muss. Denn es dauert jedes Mal einige Zeit, bis sich das neue Bild aufgebaut hat.
Service fast wie am Schalter: Die gewünschten Daten druckt mir die Bildschirmfrau in Fahrkartengröße aus, sie fallen rechts von mir aus einem Schlitz. Auch Fahrkarten und Bahncard gelangen so in die Box. Über Preise informiert mich die Bahnmitarbeiterin umfassend: Sparpreis hier, Bahncard-25-Angebot dort. Bezahlen kann ich an einem angeschlossenen Automaten - bar oder mit EC-Karte.

Fazit: Wenn die Technik läuft, ist das Videoreisezentrum der Bahn tatsächlich ein Fortschritt - im Vergleich zum blanken Automaten, wie er sonst in Schweich und Saarburg am Bahnhof steht, allemal, aber auch im Vergleich zur eigenen Recherche am heimischen Computer. Denn der oder die Bahnmitarbeiterin kann die günstigsten Preise erklären und auch Fragen darüber hinaus beantworten. Allerdings kann die Suche nach dem richtigen Zug ein Weilchen dauern, weil nur drei Verbindungen auf den Bildschirm passen.
Zudem sind die Nutzer an die vor allem am Wochenende arg begrenzten Öffnungszeiten gebunden: Montag bis Freitag 7.30 bis 17.30 Uhr, Samstag 7.30 bis 12.30 Uhr, Sonntag geschlossen.Extra

Angesichts der Verlagerung des Fahrkartenverkaufs ins Internet sind Videoreisezentren aus Sicht von Pro Bahn eine ordentliche Lösung. Dies sagt der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Karl-Peter Naumann, allerdings schiebt er auch eine Einschränkung hinterher. Viele Leute wünschten eben doch einen persönlichen Ansprechpartner. Außerdem müsse die Bahn in der Wirtschaftlichkeitsberechnung berücksichtigen, dass ein Berater vor Ort mehr Sicherheit für die Kunden, aber auch mehr Schutz gegen Vandalismus biete. Der Vorschlag von Pro Bahn lautet deshalb: Die Bahn sollte einen Schalter mit Berater vor Ort haben und zur Umsatzsteigerung das Angebot ausweiten. Wie in Tankstellen könnten Kaffee, Hamburger und Tiefkühlprodukte zusätzlich verkauft werden. mai

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