Historie Mit Schnaps und Schokolade gegen Typhus

Freudenburg · 1926 gab es in Freudenburg schon einmal eine Epidemie. Damals isolierte man nicht nur Kranke, sondern riegelte gleich das ganze ganze Dorf ab.

 1926 wurde die Schule in Freudenburg zum Lazarett. Nach der Typhus-Epidemie wurde dort wieder gelernt. Das Foto stammt vermutlich aus den 1930er Jahren.

1926 wurde die Schule in Freudenburg zum Lazarett. Nach der Typhus-Epidemie wurde dort wieder gelernt. Das Foto stammt vermutlich aus den 1930er Jahren.

Foto: TV/Archiv der Ortsgemeinde Freudenburg

Eine Schreckensnachricht verbreitete sich 1926 in Freudenburg: „Der Typhus ist ausgebrochen.“ Die Nachricht war deshalb so erschreckend, weil es damals kein Gegenmittel für die schwere und mitunter tödliche Durchfallerkrankung gab – wie bei der heute grassierenden Lungenkrankheit Covid-19. Antibiotika, die heute gegen Typhus eingesetzt werden, mussten erst noch entdeckt werden: Das kam zwei Jahre später, als offiziell das Penicillin gefunden wurde.

1926 war die Bakterieninfektion Typhus also eine echte Bedrohung. Im Heimatjahrbuch des Kreises Saarburg von 1964 beschreibt Hanni Fisseni, dessen Vater selbst erkrankt war, den dramatischen Verlauf der Epidemie. Sie erreichte den Ort im Spätherbst und blieb lokal begrenzt. Fisseni schreibt: „Tag und Nacht waren Ärzte und Helfer im Einsatz. Aber immer mehr Menschen erkrankten an dieser schlimmen Seuche. Bis Weihnachten waren es schon 100 Menschen, die befallen waren.“ In der Schule wurde ein Lazarett eingerichtet, das schließlich um ein Zelt auf dem Schulhof vergrößert wurde. Als das nicht mehr ausreichte, wurden die Kranken nach Saarburg ins Krankenhaus verlegt, das schon damals eine Isolierstation besaß.

Die Kontaktsperren 1926 waren rigoros. Im Jahrbuch heißt es: „Unser Dorf wurde für jeglichen Verkehr von der Außenwelt gesperrt. Alle Fahrzeuge mussten umgeleitet werden. Jedes Haus war isoliert: Wegen der großen Ansteckungsgefahr durfte niemand zum Nachbarn. An vielen Türen, besonders in den beiden engen Gassen zur Kirche hin, sah man das Warnschild mit der Aufschrift ,Typhus’. Gespensterhaft war es im Dorf... .“

Frauen und vor allem junge Mädchen waren laut Fisseni von der Krankheit betroffen. Denn die meisten Männer waren Soldaten gewesen und durch mehrfache Impfung immun. Anders als beim Coronavirus heute gab es damals also einen Impfstoff gegen die Typhus-Salmonellen – wenn auch einen mit Nebenwirkungen, der heute nicht mehr verwendet wird. Der Impfstoff war bereits 1896 eingeführt worden.

Mit einer besonderen Diät wurde versucht, die Seuche in Freudenburg zu bekämpfen. Die Kranken mussten, so beschreibt es Fisseni, „vor allem Schnaps trinken und Schokolade essen“. Als dann der Winter „eisige Kälte“ brachte, starben die ersten. Am Dreikönigstag 1927 waren es drei junge Menschen im Alter von 16, 17 und 28 Jahren. Im Heimatjahrbuch heißt es: „Der Schreck fuhr uns allen in die Glieder.“

Doch wo infizierten sich die Freudenburger? Lange wurde laut Fisseni nach der Ursache gesucht. Leitungswasser und Lebensmittel gerieten unter Verdacht. Der Autor stellt beides infrage. Handelte es sich doch seiner Meinung nach um „gutes Quellwasser“ und Lebensmittel, die „natürlicher“ waren als zu seiner Zeit. Fisseni weist zudem daraufhin, dass es damals keine sanitären Anlagen gab. Letztlich führt er jedoch aus, dass ihm nicht bekannt sei, ob und wie der Krankheitsherd entdeckt worden sei.

Doch könnten gerade die fehlenden Toiletten das Problem gewesen sein. Denn Menschen infizieren sich laut heutiger Erkenntnis vor allem dadurch, dass sie kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel aufnehmen, die durch infektiösen Stuhl oder Urin verunreinigt wurden. Möglich wäre also, eine Ansteckung durch verunreinigtes Brunnenwasser oder durch den Verzehr von rohen Früchten und Gemüsen, die mit Fäkalien gedüngt wurden. Auch von Mensch zu Mensch wird das Bakterium übertragen, und zwar bei mangelnder Hygiene über die Hände. Hände waschen war also auch damals wichtig.

In Freudenburg brachte der Sommer 1927 Entspannung. Es traten keine neuen Typhus-Fälle mehr auf, die Kranken erholten sich. Fisseni schrieb: „Die Dorfbewohner atmeten auf. Die Angst in den Nachbardörfern legte sich. Man dankte den gewissenhaften Ärzten für ihren stets einsatzbereiten, aufopfernden Dienst.“ Der Typhus hatte jedoch Spuren hinterlassen: Das Haar von Genesenen war oftmals fahl oder fiel aus. Andere litten unter Sehschwäche.

Der Autor schließt den 1964 veröffentlichten Text mit den Worten: „Durch den umwälzenden Fortschritt unserer Zeit kommt heute eine Seuchengefahr nicht so leicht auf. Auch haben sich die Impfungen gegen alle Infektionserkrankungen tausendfach bewährt.“ Das klingt aus heutiger Sicht allerdings etwas zu optimistisch.

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