Unser Dorf wird älter werden

KANZEM. (ph) Am Tag nach dem großen Schrecken sollte es etwas Hoffnung geben: Nachdem die Teilnehmern bei der Tagung "Geisterdörfer im Hunsrück?" noch in eine scheinbar düstere Zukunft geblickt hatten, konnten sie tags darauf in Kanzem begutachten, wie erfolgreiche Dorfentwicklung aussieht.

Bis zum Jahr 2050 wird die Bevölkerung in Rheinland-Pfalz um durchschnittlich 25 Prozent zurückgehen, von derzeit vier auf drei Millionen Menschen. In der Folge werden Schulen und Kindergärten schließen, Geschäfte aufgeben und Sportvereine ihre Auflösung bekanntgeben. Junge Familien werden sich dort niederlassen, wo die Infrastruktur noch intakt ist: in den Ballungszentren. Vor allem ländliche Gebiete werden zunächst ihrer Jugend beraubt und schließlich ganz verwaisen. Eine Zukunft, die auch dem Hunsrück und der Eifel droht. Es waren keine rosigen Aussichten, mit denen sich die 130 Teilnehmer der Regionaltagung "Geisterdörfer im Hunsrück?", die im Hunsrückhaus Am Erbeskopf stattfand, auseinandersetzten. Doch tags darauf erstrahlte der Hoffnungsschimmer am Horizont: Bei einem Rundgang durch die an der Saar gelegene Gemeinde Kanzem konnten sich die Kommunalpolitiker, Architekten und interessierten Bürger informieren, wie man mit einigen Ideen und viel Geduld ein Dorf lebens- und liebenswert erhalten kann. Bei der Begrüßung der Gäste versuchte Ortsbürgermeister Günter Frentzen, überzogene Erwartungen zu dämpfen: "Nach den Katastrophen-Meldungen von gestern erheben wir nicht den Anspruch, dass hier alles anders ist." Aber man sei dabei, den drohenden Entwicklugnen entgegen zu steuern. Die Fakten sprechen für sich: Die Einwohnerzahl Kanzems nahm in den vergangenen 20 Jahren um mehr als zehn Prozent auf knapp 600 zu. Es gibt noch immer einen Laden, eine Post und eine Bank im Ort - und auch ein Bürgerhaus. 22 Betriebe seien im Ortskern angesiedelt, vom Winzer über das Fuhrunternehmen bis zum Kunsthandwerker, sagte Planerin Rosa Vollmuth, die in Kanzem ein Büro für Dorfentwicklung und Gebäudesanierung betreibt. Derzeit gebe es im Ort 38 Sanierungsprojekte von Altbauten, die in Programme zur Dorferneuerung eingebettet seien. Im Gegenzug habe die Gemeinde seit mehr als 25 Jahren kein Neubau-Gebiet ausgewiesen. Eigentümer zur Sanierung ihrer Altbauten zu bewegen oder Kunsthandwerker in den Ort zu locken, sei mit großem Engagement verbunden, sagte Vollmuth. Das fange bei einer kostenlosen Erstberatung für Hausbesitzer an und höre bei der Integration aller Generationen in dörfliche Projekte auf. So sei nicht nur die ehemalige Schule mit Hilfe der Bewohner in ein Bürgerhaus verwandelt worden, das dank der Mieteinnahmen nun Gewinn abwerfe, wie Frentzen berichtete. Auch die Kosten für den entstehenden "Philosophischen Friedhofsgarten" würden zu etwa einem Drittel durch Eigenleistungen erbracht, ergänzte Vollmuth - der Rest komme aus Fördertöpfen von Land und EU. Das neueste Projekt in Kanzem ist eine von Bürgern initiierte "Tauschbörse", bei der Menschen Fähigkeiten und Dienstleistungen austauschen.

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