Unterricht mit Spaß und Strickpulli

Hermeskeil · Acht Zwölftklässler vom Gymnasium Hermeskeil haben einen besonderen Weg gefunden, sich in der Flüchtlingsarbeit einzubringen: Viermal pro Woche kommen sie nachmittags in die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende und unterrichten dort die Kinder. Die Sprache steht dabei allerdings nicht unbedingt im Vordergrund.

Hermeskeil. "Das ist ein Pullover", sagt Laura Becker und hält einen bunten Strickpulli in die Höhe, damit ihn alle sehen können. Miriam Gemmel schreibt das Wort mit Kreide an die Tafel. Vor den beiden Schülerinnen des Gymnasiums Hermeskeil sitzen etwa 15 Kinder und Jugendliche im Unterrichtsraum der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (Afa). Mit großen Augen schauen sie auf die Kleidungsstücke vor ihnen und notieren eifrig die neuen Vokabeln in ihre Hefte.
Viermal die Woche kommen die Kinder im Alter zwischen sechs und 15 Jahren hierher. Jeweils von 15.45 bis 17.15 Uhr lernen sie von den Hermeskeiler Schülern, wie sie sich auf Deutsch vorstellen, wie sie die richtige Uhrzeit benennen oder wie in Deutschland die Lebensmittel heißen.
Selbst die Initiative ergriffen


Das Projekt der acht Gymnasiasten läuft seit den Osterferien, unterstützt von ihrer Schule und von der Afa-Leitung. Die Zwölftklässler kümmern sich jeweils paarweise um den Unterricht. Die Initiative dazu kam aus ihren eigenen Reihen. "Wir wollten alle irgendwie in der Flüchtlingsarbeit mithelfen, aber wir wussten nicht wie", sagt Lara Ritter. Der Vater von Miriam habe ehrenamtlich in der Afa geholfen, über die Mitschülerin sei die Idee entstanden, mit den Kindern in der Einrichtung eine Art Deutschunterricht aufzubauen. Dabei sollte der Schwerpunkt aber nicht auf der korrekten Grammatik liegen: "Wir haben einen groben Plan gemacht, was wir den Kindern beibringen wollen", sagt Lara Keller. "Das sollen möglichst einfache Dinge sein, die sie im täglichen Leben gebrauchen können." Und Mitschüler Lukas Barth ergänzt: "Vor allem soll es auch Spaß machen."
Bei den Kindern aus Armenien, Syrien, Mazedonien und Afghanistan kommt das Angebot gut an. "Es gefällt mir sehr gut", sagt der 14-jährige Armenier Gegham. Er füllt gerade ein Übungsblatt aus, auf dem er den abgebildeten Kleidungsstücken die passenden Begriffe zuordnen soll. "Jacke" schreibt er unter eine Abbildung und schaut fragend zu Lara Keller. "Super, das ist richtig", lobt sie.
Die Kinder stünden oft schon lange vor Kursbeginn vor der Tür, weil sie es kaum erwarten könnten, berichtet Afa-Mitarbeiterin Kerstin Pelzer. Sie sei "beeindruckt" von den Hermeskeiler Schülern, "die selbst ja noch bis nachmittags Unterricht haben und dann hier weitermachen".
Lehrerin Julia Bell hat das Projekt von Beginn an begleitet. Man habe sich vorher "intensiv ausgetauscht" mit der Afa-Leitung und den Helfern, die den Deutschunterricht für die erwachsenen Afa-Bewohner anbieten. "Wir haben dann gemeinsam das Konzept erarbeitet." Natürlich sei das Angebot der Schüler "kein normaler Unterricht für Deutsch als Fremdsprache", sagt Bell. "Es ergeben sich viele Möglichkeiten zur Interaktion. Wenn Jugendliche mit Jugendlichen arbeiten, entsteht eine ganz andere Dynamik."
Gegen Scheu und Vorurteile


Für Afa-Leiter Stefan Ding ist genau das wichtig: "Es geht nicht nur um die Sprache, es geht darum, die Scheu voreinander zu verlieren." Die Hermeskeiler Schüler seien zudem "wichtige gesellschaftliche Multiplikatoren", die ihre positiven Erfahrungen weitertragen und dadurch Vorurteilen vorbeugen könnten. Anfangs habe man das Projekt noch sehr genau beobachtet, um bei möglichen Problemen schnell eingreifen zu können: "Aber wir haben noch nicht eine Situation erlebt, die die Schüler nicht selbst lösen konnten."
Ding ist voll des Lobes für den Einsatz der Gymnasiasten: "Ehrenamtliches Engagement flaut oft nach einiger Zeit wieder ab. Bei den Schülern hat der Enthusiasmus kein bisschen nachgelassen." Beide Seiten profitierten davon. Das bestätigt auch Lukas Barth: "Es ist schon manchmal stressig. Aber wenn sie beim Abschied lachen und man weiß, dass sie auch noch etwas gelernt haben, ist das schon toll." Die Afa möchte das Projekt gern weiter unterstützen. Die Schüler werben bereits bei ihren Mitschülern um Nachfolger: "Wenn wir unser Abitur haben, soll es ja nicht einfach aufhören. Das wäre schade", sagt Lara Ritter.

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