Justiz Urteil im Missbrauchsprozess gegen Ex-Schulleiter rückt näher

Trier · Die Beweisaufnahme könnte bald abgeschlossen sein. Am Donnerstag wurden vor Gericht Handy-Nachrichten verlesen, die der Angeklagte an seine Schüler schrieb.

 Im Prozess vor dem Landgericht Trier gegen einen ehemaligen Schulleiter wird möglicherweise bald das Urteil gesprochen. Der Pädagoge, der eine Schule im Kreis Trier-Saarburg geleitet hat, soll zwei Schüler unsittlich berührt haben.

Im Prozess vor dem Landgericht Trier gegen einen ehemaligen Schulleiter wird möglicherweise bald das Urteil gesprochen. Der Pädagoge, der eine Schule im Kreis Trier-Saarburg geleitet hat, soll zwei Schüler unsittlich berührt haben.

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Der Prozess gegen einen ehemaligen Schulleiter wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener steht möglicherweise kurz vor dem Abschluss. Am Donnerstag, dem fünften Verhandlungstag vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Trier, wurden Protokolle von Nachrichten verlesen, die der 55-jährige Pädagoge mit den mutmaßlichen Opfern per Mobiltelefon ausgetauscht hat.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, in der Zeit zwischen Juni 2014 und Juli 2015 einen damals 14-jährigen Schüler, der in einer Jugendhilfe-Einrichtung lebte, mehrmals sexuell motiviert unsittlich berührt zu haben. Im Januar 2017 soll er dies bei einem anderen 15 Jahre alten Schüler versucht haben. Beide Jugendlichen, heute 18 und 17 Jahre alt, treten als Nebenkläger auf.

Laut den Chat-Aufzeichnungen, die auf dem Telefon des Angeklagten sichergestellt wurden, schrieb dieser beiden Jugendlichen regelmäßig Nachrichten. Bei dem Jungen aus der Jugendhilfe-Wohngruppe erkundigte er sich nach dessen Befinden, gratulierte ihm zum Geburtstag und hakte nach, wenn der Junge auf Fragen nicht reagierte. Um den Kontakt zu halten, finanzierte er dem Schüler eine Bezahlkarte fürs Handy. Er lud ihn auch zu sich nach Hause ein – an Wochenenden und in den Ferien. Bei diesen Besuchen soll es laut Anklage zu den sexuellen Übergriffen gekommen sein.

Mit dem zweiten mutmaßlichen Opfer stand der Angeklagte ebenfalls per Handy in Kontakt. In den Nachrichten von Ende 2016 und Anfang 2017, die der Vorsitzende Richter Günther Köhler vorlas, erkundigte sich der Schulleiter unter anderem nach „Beziehungsstress“ zwischen dem Schüler und dessen Freundin, nach der sexuellen Aktivität des Schülers und danach, ob dieser sich schon einmal selbst befriedigt habe. Der Jugendliche hatte an einem früheren Prozesstag von einem Treffen im Büro des Schulleiters berichtet, bei dem dieser ihm die Hoden habe abtasten wollen, um möglichen Hodenkrebs zu erkennen.

Der Angeklagte hatte sich am ersten Verhandlungstag geäußert, von „besonderer pädagogischer Fürsorge“ gesprochen und die Missbrauchsvorwürfe bestritten. Der frühere Leiter einer Schule im Kreis Trier-Saarburg ist seit 2017 vom Dienst suspendiert.

Seine beiden Verteidiger hatten vergangene Woche mehrere Beweis­anträge gestellt und die Vorladung weiterer Zeugen beantragt. Einer davon sagte am Donnerstag vor der Kammer aus. Der frühere Leiter der Wohngruppe des heute 18-jährigen mutmaßlichen Opfers beschrieb den Jugendlichen als „besonderen Menschen“, der selten Kontakt zu anderen gesucht habe. In der Schule sei er ein „Außenseiter“ gewesen. Die Betreuer waren laut dem Einrichtungsleiter froh darüber, dass der Jugendliche durch den Schulleiter „besondere Unterstützung erfahren“ habe. Die Besuche im Haus des Lehrers seien abgestimmt gewesen.

Der Zeuge bestätigte Aussagen früherer Betreuer, dass deren Schützling Medikamente gegen die Aufmerksamkeitsstörung ADHS genommen habe. Deren Einnahme sei durch die Jugendpsychiatrie regelmäßig kontrolliert worden. Die Frage des Richters, ob der Junge „Wahnvorstellungen“ gezeigt oder „sediert“ gewirkt habe, verneint der Zeuge.

Die Verteidigung hat einen Sachverständigen gefordert, der die „Aussagetüchtigkeit“ und Glaubwürdigkeit des jungen Mannes beurteilen soll. Die Kammer hat über diesen und weitere Anträge bislang nicht entschieden. Staatsanwaltschaft und Nebenklage fordern die Zurückweisung der Anträge. Nebenklage-Anwalt Christian Kruchten erklärte, die „Sachkunde“ der Kammer reiche aus, um die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu beurteilen. Einem Antrag von Verteidiger Sven Schnitzer gab die Kammer in der gestrigen Sitzung statt: Sie verlas die Protokolle der polizeilichen Vernehmung des Schülers aus der Wohngruppe und eines weiteren Schülers. Schnitzer unterstellte dem fragenden Beamten „suggestive Beeinflussung der Zeugen“.

Die Verhandlung wird am Dienstag, 18. Juni, fortgesetzt. Dann soll über alle ausstehenden Anträge der Verteidigung entschieden werden. Richter Köhler sagte, der Zeitpunkt für die Schlussplädoyers rücke näher.

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