Volksstück von Jos Scheuer feiert Premiere – Wasserbillig, Oberbillig und Mertert als Spielball europäischer Geschichte

Wasserbillig/Oberbillig · Rund 100 Laienschauspieler und Musiker haben am Wochenende in der Sporthalle von Wasserbillig daran erinnert, dass bis 1816 die Mosel noch nicht Staatsgrenze war. Mit dem Stück „Zweschen den Zäiten“ erinnerten sie daran, dass die Menschen aus Mertert, Wasserbillig und Oberbillig in einer Gemeinde lebten.

Volksstück von Jos Scheuer feiert Premiere – Wasserbillig, Oberbillig und Mertert als Spielball europäischer Geschichte
Foto: Alexander Schumitz

Die Sporthalle in Oberbillig ist ausverkauft. Mit einem großen Gong werden die Zuschauer aufgefordert, in die Halle zu kommen und sich auf Zeitreise zurück ins Jahr 1814 zu begeben - für die heutige Gemeinde Wasserbillig eine Zeit "zweschen den Zäiten". Nach Napoleon Bonapartes Niederlage bei Leipzig wurde in Wien zwei Jahre lang über die Neuaufteilung Europas verhandelt. Mosel und Sauer wurden als Grenzfluss definiert, womit die drei Gemeinden Wasserbillig, Mertert und Oberbillig politisch auseinandergerissen wurden. Plötzlich wurde der deutsch-luxemburgische Grenzort zum Spielball der Geschichte.

Diese Periode hat Jos Scheuer, ein Urgestein der luxemburgischen Politik, zum 200. Jahrestag der Scheidung in einem Theaterstück aufgearbeitet. Zur Uraufführung am Samstag war die Sporthalle in Wasserbillig ausverkauft. Mitgewirkt haben rund 100 Laienschauspieler und Musiker aus allen drei Orten.

An die Zerrissenheit der Zeit erinnert zum Auftakt eine Komposition von Armand Forthoffer. Neben Fragmenten der Marseillaise sind Pauken, Trompeten und Gesprächsfetzen zu hören. Die Menschen an der Grenze wissen lange Zeit nicht, wie es weitergeht. Auch Bürgermeister Boudeler (Serge Oth) muss sich neu orientieren. Seine Frau Margritte (Nadine Lang-Boever) ermahnt ihn, das Gemälde von Napoleon Bonaparte sowie die Trikolore aus seiner Amtsstube zu entfernen - und das bevor die preußischen Beamten einziehen.

Zusammen mit den Ortsvorstehern (Marc Ludwig, Sascha Kohns) von Mertert und Oberbillig überlegt Boudeler, wie man mit den Steuerforderungen der preußischen Verwaltung umgehen könnte. "Die können doch die Pferdebauern aus Mertert übernehmen", schlägt der Adjunkt aus Oberbillig vor. "Politik ohne Most ist undenkbar", stellt Boudeler klar, womit er auch deutlich macht, dass ihm der Vorschlag gefällt.

Ein schlechtes Gewissen haben die Herren erst, als der Pastor (Yvon Streff) in die Sitzung kommt. Er beschwert sich, dass die Dorfkirche in einem desolaten Zustand sei und beklagt, dass alle nur auf ihren eigenen Gewinn schauten. Er setzt auf Gemeinsamkeit und fordert auf, zusammenzuhalten.

Das wird wichtig, als der Fährmann (Edgar Birringer) berichtet, dass ein reicher Bauer beim Übersetzen mit der Fähre von Wasserbillig nach Oberbillig ertrunken sei. Möglicherweise war er das Opfer eines Mordanschlags - denn er soll sein Vermögen durch zwielichtige Verträge erlangt haben. Aber statt Aufklärung mithilfe preußischer Gendarmen - "Wären die überhaupt zuständig", fragt Boudeler - zu suchen, beschließt man den Toten zu beerdigen und Gras über die Sache wachsen zu lassen. Ein letztes Mal feiern die Gemeinden zusammen - bevor der luxemburgische Rote Löwe und der preußische Adler das Regierungszepter über ihre jeweiligen Territorien übernehmen.

Trotz der ungewollten Trennung der Ortschaften links und rechts der Mosel hält die Freundschaft der Menschen bis in die Gegenwart an. Und so steht auch die nächste große Sause wieder auf dem gemeinsamen Festprogramm: Spätestens, wenn die neue Fähre kommt, wird wieder zusammen gefeiert. Itz

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