Vom grünen Gründer zum schwarzen Schaf in der Partei

Konz · Ein Grüner wechselt im Konzer Stadtrat zur CDU-Fraktion – und das mitten in der Legislaturperiode: Hans-Josef Luy sorgt mit seiner Ankündigung für Freude auf der einen und Empörung auf der anderen Seite.

 Öko-Winzer und Fraktionswechsler: Hans-Josef Luy kann sich nicht mehr mit der Politik der Grünen identifizieren.

Öko-Winzer und Fraktionswechsler: Hans-Josef Luy kann sich nicht mehr mit der Politik der Grünen identifizieren.

Foto: Christian Kremer

Nach 16 Jahren bei den Grünen reicht es Hans-Josef Luy. Aus der Partei ist er schon im April ausgetreten, jetzt will sich das Gründungsmitglied des Konzer Grünen-Ortsverbands der CDU-Fraktion anschließen. Schon in der ersten Stadtratssitzung nach der Sommerpause am 3. September könnte er im anderen Lager sitzen. An den Grünen-Kollegen im Stadtrat, Martina Werheim und Sascha Gottschalk, liege der Wechsel nicht. Er habe jedoch ein Problem mit der Partei auf Verbandsgemeinde-, Kreis- und Landesebene, sagt der 50-jährige Öko-Winzer.

Seine Gründe: Dass sich die Kreis-Grünen gegen einen neuen Standort der Wiltinger Saar-Brücke ausgesprochen haben, stinkt Luy. Die grüne Landratskandidatin Sabina Quijano und Heide von Schütz, Grünen-Sprecherin im Trier-Saarburger Kreistag, sehe er da in der Verantwortung. Sie hätten den Bürgerwillen ignoriert. Etliche Wiltinger und die SPD-geführte Ortsgemeinde hatten gefordert, die neue Brücke einen Kilometer saarabwärts zu bauen (der TV berichtete). Der jetzige Standort bringe lange Umwege für die Autofahrer mit sich, das schade der Umwelt, meint Luy. Auch dass Corinna Rüffer aus Trier als Bundestagskandidatin aufgestellt wurde, passt ihm nicht: "Zu links!"

Auf Landesebene stört Luy vor allem die Schulpolitik der Partei. Den Gedanken der inklusiven Schule, bei der behinderte Kinder mit nicht-behinderten zusammen lernen sollen, hält er in der angedachten Form für falsch. Er selbst kenne keinen Lehrer, der die Pläne nicht kritisiere. "Die Grünen sind für mich nicht mehr vermittelbar."

Empörung bei den Grünen: Die Grünen-Fraktionschefin im Konzer Stadtrat, Martina Werheim, reagiert empört. Sie habe von dem Wechsel erst durch die Anfrage des TV erfahren, sagt sie. "Den Fraktionswechsel halte ich für einen eklatanten Vertrauensbruch gegenüber der Fraktion und dem Wähler." Luy habe einen Wählerauftrag erhalten und missbrauche jetzt sein Mandat. "Ich halte seine Vorgehensweise für unanständig und politisch höchst unkorrekt. Das gleiche gilt für die CDU, die es offensichtlich nötig hat, ihre Sitze auf jedwede Weise zu besetzen", sagt sie. Sie habe Luy aufgefordert, sein Mandat niederzulegen und bei der nächsten Wahl für die CDU anzutreten. Das habe er abgelehnt. "Da er aber insgesamt in der ganzen Legislaturperiode keine große Unterstützung für die Grünen-Fraktion war, wird er auch weiterhin als einer unter vielen Mitnickern der CDU im Stadtrat kaum auffallen", meint sie.

Dabei hat Luys Liaison mit den Grünen gut begonnen. Er hat den Konzer Ortsverband der Ökopartei vor 16 Jahren mit gegründet. Die Christdemokraten waren damals keine Option für ihn, obwohl er sich selbst als wertkonservativ sieht. Er sei jedoch strikter Atomkraft-Gegner, sagt Luy. Und die Christdemokraten ließen keine Kritik an Kernenergie zu. "Die CDU war damals eine andere Partei", sagt der Konzer. Heute stehe die Partei hinter der Energiewende. Und sie könne in Konz ein grünes Gewissen gebrauchen - in dieser Rolle sehe er sich. Seine neue Fraktion dürfe damit rechnen, dass er seinen kritischen Geist beibehalte, kündigt er an.

Freude bei den Christdemokraten: CDU-Fraktionschef Bernhard Henter freut sich über die Verstärkung. Während die Grünen nach dem Wechsel nur noch zu zweit sind, hat Henters Fraktion dann zwölf Sitze im Stadtrat. Bei den drei anderen Fraktionen bleibt alles beim Alten: FWG (8), SPD (7), FDP (2). "Die CDU-Fraktion kann mit Hans-Josef Luy ihre Kompetenz und ihre Meinungsvielfalt erweitern." Angst davor, dass Luy auch mal querschieße, habe er nicht, sagt Henter. "Wir können auch kritische Charaktere aushalten."
Extra: Prominente Wechsler

Dass Politiker innerhalb des bürgerlichen Lagers oder im linken Parteienspektrum wechseln, kommt häufiger vor. Zu den prominentesten Wechslern gehört zum Beispiel Otto Schily, der 1989 die Grünen verlies und in die SPD eintrat. Nicht minder berühmt ist der Fall des Oskar Lafontaine, der 2005 mit seinem SPD-Austritt und dem anschließenden Eintritt in die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) für Furore sorgte.

Ein Wechsel von den Grünen oder der SPD zum bürgerlichen Lager kommt selten vor. Für bundesweite Schlagzeilen hat Oswald Metzger gesorgt. Sein Wechsel von der SPD (1974 bis 1979) zu den Grünen (1987 bis 2008) blieb in der Öffentlichkeit unbeachtet. Der von den Grünen zur CDU im Jahr 2008 stieß hingegen auf große Aufmerksamkeit. Zuvor hatte er sein baden-württembergisches Landtagsmandat bei den Grünen jedoch niedergelegt. Im vergangenen April hat er angekündigt, bei der Wahl zum Bundesvorsitzenden der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU zu kandidieren. Für ein Bundestagsmandat wollte er sich auch bewerben. Bei der Nominierung des CDU-Direktkandidaten für den Wahlkreises Ravensburg scheiterte er aber an Bundestagsmitglied Andreas Schockenhoff. cmk

Meinung

Nicht die feine Art, aber mutig

Von Christian Kremer

Es ist nicht die feine Art, wenn die Fraktionskollegen von einen Parteiwechsel erst wegen einer Presseanfrage erfahren. Aber Hans-Josef Luy hat die Mitgliedschaft bei den Grünen schon vorher gekündigt - und der Schritt war spätestens zur Kommunalwahl 2014 zu erwarten.

Der Vorwurf des Betrugs am Wähler ist ebenfalls nichtig, wenn ein Politiker die Fraktion wechselt. Denn jeder gewählte Volksvertreter hat in Deutschland ein freies Mandat. Das heißt, er darf unabhängig von Parteien seine politische Tätigkeit nach seinem eigenen Gewissen ausüben. Wenn die Überzeugung nicht mehr da ist, darf er nicht nur gegen die eigene Fraktion stimmen, sondern auch in eine andere eintreten.

Und es wäre es wünschenswert, wenn mehr Volksvertreter den Mut hätten, sich gegen das Partei-Diktat aufzulehnen und auf ihr Gewissen zu hören. Denn Fraktionsdisziplin darf nicht der alleinige Maßstab sein, an dem die Qualität politischer Arbeit gemessen wird. Und vor allem darf sie nicht der einzige Grund für einen innerparteilichen Aufstieg sein. Denn so wird Politik uninteressant und letztlich undemokratisch. Schließlich geht es um den Wettbewerb unterschiedlicher und nicht um das Umformulieren gleicher Ideen.

c.kremer@volksfreund.de

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