Vom Unternehmer zum Straßenreiniger

Saarburg/Trier · Damit Struktur in ihren Alltag kommt, verpflichten die Stadt Trier und die Verbandsgemeinden im Kreis Trier-Saarburg Asylbewerber zu gemeinnütziger Arbeit. 201 von ihnen arbeiten derzeit für 80 Cent pro Stunde. Auch ein ehemaliger Unternehmer ist unter ihnen.

 Die Konzer Asylbewerber um Mohamad Ziad (Mitte) reinigen den Bahnsteig am Haltepunkt Konz-Mitte.TV-Foto: Christian Kremer

Die Konzer Asylbewerber um Mohamad Ziad (Mitte) reinigen den Bahnsteig am Haltepunkt Konz-Mitte.TV-Foto: Christian Kremer

Foto: (h_ko )

Saarburg/Trier. Es ist kurz vor 10 Uhr. Mohamad Ahmadi (32) und Mohamad Ziad (55) treffen sich mit weiteren Asylbewerbern am Konzer Rathaus. Hinter dem Gebäude holen sie einen Karren, Greifer und Müllsäcke aus einem Schuppen. Sie ziehen orange Warnwesten an.

Die zehn Asylbewerber aus Syrien, dem Iran, Afghanistan, Somalia, Eritrea und anderen Ländern ziehen in mehreren kleineren Trupps durch die Stadt. Während sie Müll, Blätter oder Kastanien aufsammeln, erklingt ein Sprachgewirr. Deutsch, Englisch, Arabisch oder Persisch sind zu hören. Die Flüchtlinge sind an jedem Werktag zwei bis vier Stunden unterwegs. Anfangs hätten sie nach ihrer Schicht 25 Säcke Müll mitgebracht, inzwischen seien es nur noch zehn, sagt Michael Naunheim, Pressesprecher der Verbandsgemeindeverwaltung Konz. Die Stadt sei sauberer geworden.

Arbeit zur Integration: Der Afghane Ahmadi und der Syrer Ziad sind zwei von 201 Asylbewerbern im Kreis Trier-Saarburg und der Stadt Trier, die gemeinnützige Arbeit verrichten. Dazu werden nur die volljährigen Flüchtlinge herangezogen, deren Asylantrag noch läuft. Im Kreis arbeiten 168 Flüchtlinge. Das entspricht 18,83 Prozent der 892 Flüchtlinge über 18 Jahren im Kreis. In der Stadt Trier sind 33 Stellen besetzt. Rund 8,14 Prozent der über-18-jährigen Asylbewerber arbeiten somit. Direkt vergleichen könne man die Werte in den verschiedenen Kommunen nicht, sagen Thomas Müller, Pressesprecher der Kreisverwaltung, und Ralf Frühauf vom Trie rer Presseamt einhellig. Bei der Beschäftigung von Flüchtlingen seien zum Beispiel alleinstehende Männer besser geeignet als Familienväter oder -mütter, erklärt Thomas Müller. Alleinstehende Männer seien beispielsweise in Konz wegen des dortigen Asylbewerberheims relativ zahlreich. Auch wenn gerade in einem Ort ein Sprachkurs mit vielen Teilnehmern anstehe, wirke sich das auf die Beschäftigungszahlen aus. Solche Kurse seien dann immer wichtiger als die Minijobs.

Neue Stellen beantragt: Mit Hilfe des Bundes könnten die Kommunen weitere Stellen besetzen, denn bundesweit sollen 100 000 Stellen für Asylbewerber im Rahmen des Integrationsgesetzes geschaffen werden (siehe Hintergrund). Allein die Stadt Trier habe für sich 130 Stellen beantragt, sagt Pressesprecher Frühauf.

80 Cent Aufwandsentschädigung: Die Asylbewerber reinigen nun Straßen, putzen Flüchtlingsunterkünfte, jäten Unkraut, helfen als Hausmeister oder arbeiten in der Verwaltung mit. Zum Teil üben sie auch höher qualifizierte Tätigkeiten aus wie Milad Matouri. Der 25-Jährige hilft in Konz als Übersetzer. Der Iraner spricht fließend Englisch, Arabisch, Farsi (iranisches Persisch) und Dari (afghanisches Persisch). Wie die anderen Flüchtlinge bekommt er dafür 80 Cent pro Stunde.

Nicht zufriedenstellend: So richtig zufrieden sind die Asylbewerber nicht mit ihrem Lohn, der im Asylbewerberleistungsgesetz Aufwandsentschädigung genannt wird. "Ich hätte lieber einen Vollzeitjob", sagt zum Beispiel Ahmadi. Der Afghane lebt seit elf Monaten zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in Konz. In Afghanistan war er Schneider, jetzt sammelt er fünf Tage pro Woche Müll. Der Syrer Ziad, seit 13 Monaten in Deutschland, hatte in der inzwischen zu großen Teilen zerstörten Stadt Homs ein Reisebüro mit Busunternehmen und eine Bäckerei. Mit dem Stundenlohn ist er nicht wirklich zufrieden, aber es sei schon okay. Lieber würde er ein eigenes Geschäft aufbauen, sagt er. Das dürfe er aber nicht.

Langer Weg zur Arbeitserlaubnis: Ziad steht damit beispielhaft für die Probleme bei der Integration: Denn Asylverfahren an sich dauern oft sehr lang. Erst wenn ein positiver Bescheid da ist, können Flüchtlinge ohne großen bürokratischen Aufwand an einen festen Job kommen. Ein weiterer Faktor sind die verpflichtenden Integrations- und Sprachkurse, deren Organisation ebenfalls viel Zeit in Anspruch nimmt. So kommt es in problematischen Fällen manchmal dazu, dass Asylbewerber mehrere Jahre in Deutschland sind, bis sie arbeiten dürfen.

Verweigerern droht Kürzung: Solange müssen sie sich mit den Aushilfsjobs samt minimaler Aufwandsentschädigung zufriedengeben. Durch das Integrationsgesetz wurde die Aufwandsentschädigung für Flüchtlinge von 1,05 Euro auf 80 Cent gekürzt. Die meisten Asylbewerber arbeiten trotzdem - das zeigt ein Beispiel des Konzer Pressesprechers Naunheim: Bisher hätten sich nur sieben Personen geweigert, die Arbeit aufzunehmen. "Ihre Leistungen wurden daraufhin gekürzt." Inzwischen hätten die sieben Verweigerer die Arbeit aber aufgenommen, weil die Kürzungen - zum Beispiel in deren Budgets für Kultur, Verkehr oder Telefon - spürbar gewesen seien.Meinung

Guter Ansatz, aber noch viel zu tun
Es ist gut, dass den Asylbewerbern durch die Minijobs eine Tagesstruktur geboten wird. Dadurch, dass sie etwas für die Allgemeinheit tun, widerlegen sie zudem das Bild des faulen Flüchtlings, das Rechtspopulisten so gerne bei ihren Pseudoargumentationen heranziehen. Die arbeitenden Asylbewerber beweisen das Gegenteil: Sie erhöhen ihre Akzeptanz in ihrem Wohnort und geben der deutschen Gesellschaft etwas zurück für die Hilfe, die sie bekommen haben. Die Aufwandsentschädigung von 80 Cent ist jedoch nur schwer vermittelbar - zumal viele der Flüchtlinge gerne richtige Arbeit leisten würden. Da müsste die Bürokratie entschlackt werden, damit arbeitswillige Flüchtlinge - unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus - einfacher an einen richtigen Job kommen. Dann würden sie sogar Steuern zahlen, statt für kleine Almosen auf Staatskosten zu arbeiten. Denn: Wie heißt es so schön? Arbeit muss sich lohnen. 80 Cent pro Stunde lohnen sich da - unabhängig von der Herkunft des Arbeiters - nicht. c.kremer@volksfreund.deExtra

Das Bundesarbeitsministerium hat nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes im August angekündigt, deutschlandweit 100 000 Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber zu finanzieren. So sollen diejenigen Flüchtlinge integriert werden, die noch keinen Sprachkurs besuchen und deren Asylverfahren noch läuft. Die 201 Stellen im Kreis Trier-Saarburg und der Stadt Trier sind da außen vor - sie werden noch von den Kommunen finanziert. Laut Arbeitsministerium birgt ein Job zwei Vorteile für die Asylbewerber: "Bereits vor Abschluss des Asylverfahrens können Flüchtlinge damit niedrigschwellig an den deutschen Arbeitsmarkt herangeführt werden und erste Erfahrungen sammeln", heißt es in einem Hintergrundpapier des Arbeitsministeriums zum Integrationsgesetz.

Zudem trage diese Art der Beschäftigung zur Teilhabe und zur Akzeptanz der Asylbewerber vor Ort bei. Die Senkung der Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro auf 80 Cent begründet der Bund damit, dass früher pauschal Fahrtkosten und Aufwendungen für Arbeitsmittel enthalten waren. Diese Aufwendungen seien aber eher eine Ausnahme, sagt Thomas Müller, Pressesprecher der Trier-Saarburger Kreisverwaltung. Er versichert: "Sollten tatsächlich Fahrtkosten oder Aufwendungen für Arbeitsmittel anfallen, werden diese in der anfallenden Höhe zusätzlich erstattet." Auch er beurteilt die Jobs positiv: Asylbewerber erhielten dadurch eine Tagesstruktur. Die Akzeptanz für sie sei größer, wenn die Bürger sähen, dass diese in ihrem Wohnort helfen, die öffentlichen Anlagen und Einrichtungen in Schuss zu halten. cmk

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