Von Komasaufen bis Nahverkehr

Trier · Mit Komasaufen an Weiberfastnacht würde sich der "richtige" Kreistag wohl kaum befassen, schon eher mit dem Personennahverkehr und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Interessante Diskussionsthemen haben sich Gymnasiasten für den Jugendkreistag am 6. Juni ausgesucht.

Trier. Von den Rahmenbedingungen ist beim Jugendkreistag fast alles so wie bei den richtigen Kreispolitikern. Getagt wird im großen Sitzungssaal der Kreisverwaltung, den Vorsitz hat Landrat Günther Schartz, es wird eine Tagesordnung abgearbeitet, und es werden Beschlüsse gefasst. Im Idealfall sollen diese auch umgesetzt werden.
Mehr als ein halbes Dutzend Jugendkreistage hat es im Landkreis Trier-Saarburg bisher gegeben, den letzten 2008. Nun unternimmt der Kreis am 6. Juni einen erneuten Anlauf, um Jugendliche am politischen Geschehen zu beteiligen. "Es war der ausdrückliche Wunsch des Landrats", sagt Kreissprecher Thomas Müller, der den Jugendkreistag federführend organisiert.
15 Schüler bilden Fraktion

Etwa ein halbes Jahr haben die Vorbereitungen gedauert. Schließlich soll es perfekter werden als 2008. "Die Sitzung damals war gut", erinnert sich Müller, "aber bis die Beschlüsse mal durch die Gremien waren, hatten die Schüler längst Abitur und waren in alle Winde verstreut." Immerhin sei erreicht worden, dass im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) mehr Busse bereitgestellt wurden. Die Schüler hatten über zu volle Busse geklagt.
Diesmal hat sich die Kreisverwaltung mehr Zeit für die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung des Jugendkreistags genommen. Im Dezember waren die Gymnasien in Hermeskeil, Saarburg und Konz angeschrieben worden mit der Anfrage, ob bei den Sozialkunde-Leistungskursen der elften und zwölften Klassen Interesse bestünde. "Die Resonanz von Schulen und Schülern war positiv", sagt Müller.
Er besuchte die Kurse und gab den Schülern in einer Doppelstunde Infos über die Zuständigkeiten der Kreisverwaltung und des Kreistages. Außerdem im Gepäck: Presseberichte über Sitzungen der vergangenen Monate und eine Liste mit potenziellen Themen. Pro Schule werden etwa 15 Schülerinnen und Schüler eine Fraktion bilden, andere Kursteilnehmer können die Sitzung als Zuhörer verfolgen.
Kostenloses Rhetorikseminar

Am vergangenen Wochenende hatten die Jugendlichen Gelegenheit, die Sitzung im Rahmen eines Rhetorikseminars in der Europäischen Akademie in Otzenhausen vorzubereiten. Die Zukunftsstiftung des Kreises hat die Weiterbildung spendiert. Mittlerweile hat sich folgende Tagesordnung herauskristallisiert: Situation des ÖPNV auf dem Lande, Komasaufen an Weiberfastnacht - Momentaufnahme oder Problem?, erneuerbare Energie im Landkreis (Pumpspeicherkraftwerk), Demografischer Wandel auf dem Land, Situation der Schulen in Trägerschaft des Kreises, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Unter "Sonstiges" soll über die dauerhafte Einrichtung eines Jugendkreistags diskutiert werden. Im Herbst, so die Planung, erhalten die teilnehmenden Schüler wieder eine Einladung ins Kreishaus, um die Ergebnisse zu diskutieren. Sie sollen ferner über den Werdegang ihrer Beschlüsse informiert werden.
Thomas Müller schwebt vor, alle zwei Jahre einen Jugendkreistag auszurichten. Eventuell sollen dann beim nächsten Mal die Realschulen plus und die Jugendräte zum Zuge kommen.

Cattenom und marode Busse - Wie Saarburger Schüler sich auf den Jugendkreistag vorbereiten
Die Teilnahme am Jugendkreistag wird von den Schulen im Unterricht vorbereitet. Wie das aussieht, hat sich der TV stellvertretend für die vielen Teilnehmerklassen im Saarburger Gymnasium angesehen: 11.25 Uhr, die große Pause ist gerade vorbei. Für 15 Schüler des Gymnasiums Saarburg beginnt der Sozialkunde-Unterricht mit Lehrerin Beatrice Schmitz. Das Thema heute: der Jugendkreistag. Schon im Vorfeld haben die Schüler Themen sondiert und ausgewählt, was sie am 6. Juni im Jugendkreistag (siehe obenstehenden Bericht) diskutieren wollen.

Überfüllte Schulbusse, zu teure Fahrkarten und schlecht ausgestattete Schulen - das sind die Dinge, die die Schüler in Saarburg bewegen. Aber auch der französische Atommeiler Cattenom soll Gegenstand in der kreisweiten Versammlung sein: "Die Bürger sind über Cattenom nicht informiert. Man erfährt erst drei Wochen später, wenn etwas passiert ist", kritisiert der 18-jährige Roland Hierlmeier aus Ockfen die Informationspolitik der französischen Nachbarn.

Doch wichtigstes Thema sind für die Schüler in Saarburg die öffentlichen Verkehrsmittel. Eine Schülerin klagt: "Ich bezahle für meine Monatskarte 67 Euro - und bekomme im Bus nicht einmal einen Sitzplatz." Von beängstigenden Zuständen berichtet die junge Frau: "Ab und zu öffnen sich in den alten Bussen während der Fahrt die Türen. An den Fenstern ist Schimmel." Eine Mitschülerin denkt schon weiter: "Es müssen im Nahverkehr Richtlinien eingeführt und auch kontrolliert werden", fordert sie.

Diskussionsstoff für den Jugendkreistag scheint genug da zu sein. Lehrerin Schmitz findet die Initiative der Kreisverwaltung eine gute Sache: "Im Unterricht haben wir wenig Zeit, um uns über Politik auf regionaler Ebene zu informieren." Die 30-Jährige hofft, dass die Schüler die Themen, die ihnen wichtig sind, ans Licht bringen können. Auch soll den Jugendlichen klar werden, dass viele fromme Wünsche aus Kostengründen so einfach nicht umgesetzt werden können.

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