Vorzeitig aus der Haft entlassen

Hinzert-Pölert · Der Vortrag über Theophil Hackethal, Arzt in Hermeskeil und im SS-Sonderlager/KZ Hinzert, hat etwa 100 Besucher in die heutige Gedenkstätte geführt. Der Trierer Historiker Thomas Schnitzler erläuterte dort, was genau sich Hackethal während des nationalsozialistischen Unrechtsregimes zuschulden kommen ließ.

 In der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert referiert Historiker Thomas Schnitzler über den Hermeskeiler Lagerarzt Theophil Hackethal. TV-Foto: Ursula Schmieder

In der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert referiert Historiker Thomas Schnitzler über den Hermeskeiler Lagerarzt Theophil Hackethal. TV-Foto: Ursula Schmieder

Foto: Ursula Schmieder (urs) ("TV-Upload Schmieder"

Hinzert-Pölert. Verurteilt zu sieben, dann zu 15 Jahren Zuchthaus und nach sieben Jahren begnadigt. Die Biografie des Hermeskeiler Arztes Dr. Theophil Hackethal (1883 bis 1959) zeugt nach Ansicht des Trierer Historikers Dr. Thomas Schnitzler vom kollektiven Verdrängen der Nazi-Verbrechen in den 1950er Jahren. Schnitzler kritisiert, dass Krankenhausakten Zwangssterilisierter weiter unter Verschluss bleiben.Hinrichtungen protokolliert


Hackethal, seit 1933 SS- und NSDAP-Mitglied und mehrmals befördert, habe namhafte Fürsprecher gehabt. Darunter seien der Trierer Weihbischof Bernhard Stein, Hermeskeils Bürgermeister Christian Trösch samt Gemeinderat, die Wittlicher Gefängnisleitung, die sich mit ihm für 41 internierte Kriegsverbrecher eingesetzt habe, und Ministerpräsident Peter Altmeier gewesen. Ihre Begründungen reichten vom "guten Katholiken und Familienvater" bis zum "anerkannten Bürger und tüchtigen Arzt". Doch eben das war er nach Überzeugung seiner Richter nicht. Zumindest nicht in seiner Funktion als Vertragsarzt des SS-Sonderlagers/KZ Hinzert. Ein Indiz dafür sei auch, so Schnitzler, dass die Oberin des Hermeskeiler Krankenhauses der Waldbreitbacher Franziskanerinnen 1947 eine Entlastungserklärung verweigerte. Hackethal habe nicht nur zwei Hinrichtungen mit 43 Exekutierten protokolliert. Er habe auch Schwerkranke als arbeitsfähig erklärt. "Vom Standpunkt des Arztes war das ein Todesurteil", zitiert Schnitzler einen Arzt, der Augenzeuge eines Vorfalls war. Dass es möglich war, sich für bessere Haftbedingungen einzusetzen, ohne sein Leben zu riskieren, hätten zwangsverpflichtete ausländische Ärzte bewiesen.
Hackethal war laut Schnitzler etwa einmal die Woche im Lager, wo ihn "der medizinisch völlig inkompetente SS-Oberscharführer Brendel" vertrat. Der Maurer habe Häftlinge auch volltrunken und ohne Narkose operiert. Der von ihm fernmündlich konsultierte Arzt habe davon ebenso gewusst wie von extremen Zwangsarbeiten und anhaltender Unterernährung. Hackethals "Blanko-Todesbescheinigungen" hätten es vereinfacht, Grausamkeiten zu vertuschen. So habe der Arzt etwa bei einem zu Tode Gequälten attestiert, er sei an einem chronischen Lungenkatarrh gestorben.
Die Öffentlichkeit erfuhr von alldem erst ein halbes Jahrhundert nach Hackethals Anklage. Thomas Schnitzlers Erkenntnisse sind nachzulesen im Trier-Saarburger Kreisjahrbuch 2007 unter "Ein unerklärlicher Widerspruch". urs

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