Umwelt Warum Fichten im Nationalpark gefällt werden müssen

Börfink/Hermeskeil · Bevor der Nationalpark Hunsrück-Hochwald sich selbst überlassen werden kann, müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Deshalb arbeitet das Forstamt derzeit vor Ort.

 Jan Rommelfanger vom Nationalparkamt zeigt die unterschiedlichen Bereiche, in denen er tätig ist.

Jan Rommelfanger vom Nationalparkamt zeigt die unterschiedlichen Bereiche, in denen er tätig ist.

Foto: TV/Hans-Peter Linz

„Möchtest Du den Wald vernichten, pflanze Fichten, Fichten, Fichten.“ – Dieser geflügelte Spruch, der wahrscheinlich auf Forstleute zu Beginn des vergangnenen Jahrhunderts zurückgeht, gilt auch im Nationalpark Hunsrück-Hochwald.

Nun ist die Fichte, die im vergangenen Jahr sogar zum „Baum des Jahres“ gekürt wurde, keine gefährliche Pflanze, ganz im Gegenteil, sie wächst schnell, vermehrt sich rasch und kann sich gut an unterschiedliche Böden anpassen. Aber genau wegen dieser Eigenschaften wurde sie in den vergangenen Jahrzehnten extensiv angepflanzt, um die Forstwirtschaft in kurzen Zeiträumen und in großen Mengen mit Holz zu versorgen. Um dem Nationalpark aber die Chance zu geben, sich wieder in seinen Urzustand zurückzuentwickeln, muss das Nationalparkamt innerhalb der Schutzzone zu erst einmal Fichten fällen lassen, um das Gebiet dann sich selbst zu überlassen.

Das geschieht aktuell im Bereich der Kreisstraße 49 um Börfink, mitten im Nationalparkgebiet. Die Anfahrt zu einem Treffen mit Jan Rommelfanger vom Nationalparkamt verläuft über die schnurgerade Kreisstraße, die von der B 269 abzweigt, mitten durch den Wald. Bereits hinter der Abfahrt ist ein größeres Areal zu sehen, in dem Fichten gefällt wurden. Das hatte zunächst für Verwirrung gesorgt (der TV berichtete mehrmals), denn viele Besucher konnten sich nicht erklären, warum in einem Nationalpark gerodet wird, wo doch eigentlich der Mensch sich dort zurückhalten sollte.

 Damit die Natur sich wieder frei entwickeln kann, müssen erst einmal die Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Damit die Natur sich wieder frei entwickeln kann, müssen erst einmal die Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Foto: TV/Hans-Peter Linz

Ein großes Schild, das das Nationalparkamt dort inzwischen angebracht hat, klärt nun über die Aktion auf. Aber die Reise geht weiter, Richtung Bunker „Erwin“ bei Börfink. Im Bereich dieser ehemaligen Nato-Anlage läuft derzeit eine Maßnahme, die bereits vor Ausweisung des Nationalparks im Jahr 2013 geplant wurde und durch das Life-Projekt der Europäischen Union gefördert wird. Life „L’instrument Financier pour l’Environnement“ ist ein Unterstützungsprogramm für Umweltmaßnahmen.

Am Bunker „Erwin“ erläutert Jan Rommelfanger, Leiter der Abteilung Forschung, Biotop- und Wildtiermanagement im Nationalpark­amt, die Maßnahme. „Das Projekt hatte einen langen Vorlauf, denn die K 49 muss dafür zeitweise gesperrt werden, damit das Holz abgefahren werden kann,“ sagt der Experte.

 Hier fließt der Traunbach durch sein natürliches Bett.

Hier fließt der Traunbach durch sein natürliches Bett.

Foto: TV/Hans-Peter Linz

Neben der K 49 verläuft der Traunbach und im Bereich seines Bachbettes wachsen zu viele Fichten. „Im Sommer dieses Jahres war die Hitze extrem und der Borkenkäfer konnte sich vermehren, deshalb mussten wir zeitig mit der Maßnahme beginnen,“ erklärt Rommelfanger. Nach der größeren Rodungsaktion am Anfang der Straße werden nun in einem zweiten Schritt punktuell Fichten in dem kleinen Tal des Traunbachs entfernt. Dazu wurde Spezialgerät verwendet, um die Fichten zu fällen und mit Seilzügen auf die Straße zum Verladen zu ziehen. Wenn die Fichten entfernt sind, kommen dann wieder die dort ursprünglich beheimateten Laubbäume zum Vorschein.

„Eine solche Bachtal-Entfichtung wird häufig gemacht, denn sie bringt mehrere Vorteile für Flora und Fauna in dieser Aue,“ sagt Rommelfanger. Häufig übersäuere der Boden durch herabfallende Nadeln, was viele Pflanzen hindere, sich zu entwickeln. Auch sei durch den Wegfall der Fichtenzweige mehr Licht in dem Tal. „Dieser Effekt ermöglicht es erst, das auf dem Waldboden Pflanzen wachsen können. Besonders Erle, Esche und Weiden können dann besser wachsen. Es sind genug Bäume in der Nähe, die Samen abwerfen können, deshalb muss nicht mit Laubbäumen aufgeforstet werden,“ erklärt der Forstwirt. Der Traunbach würde automatisch wieder zu seinem Urzustand zurückfinden. Durch die fehlende Übersäuerung würden auch Fische und Amphibien im Traunbach mehr Nahrung finden.

Auch in Hinblick auf Starkregen habe die Entfichtung Vorteile, denn dann könne sich auch der Moorbereich weiterentwickeln und sich dort das Regenwasser stauen, so dass es nicht so rasch abfließt und zu Überschwemmungen führt.

 In diesem Bereich an der K 49 mussten Fichten flächendeckend gefällt werden, damit sich das ursprüngliche Moor wieder entwickeln kann.

In diesem Bereich an der K 49 mussten Fichten flächendeckend gefällt werden, damit sich das ursprüngliche Moor wieder entwickeln kann.

Foto: TV/Hans-Peter Linz

Wenn diese Maßnahme im Jahr 2020 abgeschlossen ist, dann werden bis auf Weiteres keine Waldentwicklungsmaßnahmen mehr im Nationalpark stattfinden, ergänzt Mariam Landgraf, die im Nationalparkamt für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Insgesamt werden bei den Rodungsaktionen rund 2000 Festmeter Holz verarbeitet. Zum Vergleich: Im Staatswald Rheinland-Pfalz werden im Jahr mehr als 600 000 Festmeter Fichte eingeschlagen. Damit entspricht die Maßnahme im Trauntal etwa 0,3 Prozent des jährlichen Einschlags von Holz im Staatswald.

 Im Bereich des Parkplatzes für die Traumschleife „Börfinker Ochsentour“ werden ebenfalls Fichten gefällt.

Im Bereich des Parkplatzes für die Traumschleife „Börfinker Ochsentour“ werden ebenfalls Fichten gefällt.

Foto: TV/Hans-Peter Linz
 Laub statt Nadeln: Das sorgt für mehr Nährstoffvielfalt im Boden.

Laub statt Nadeln: Das sorgt für mehr Nährstoffvielfalt im Boden.

Foto: TV/Hans-Peter Linz

In rund zwei Jahren wird der Nationalpark dann vollends sich selbst überlassen sein und kann sich zu seinem Ursprung zurückentwickeln.

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