Weiße T-Shirts, rote Seele

ZEMMER/NÜRBURGRING. Die Belegschaft der Firma Steka aus Zemmer (Kreis Trier-Saarburg), die zurzeit den zweiten Windkanal für das Formel-1-Team von Toyota baut (der TV berichtete), hat sich am Wochenende das Abschneiden des Rennteams von Ralf Schumacher & Co. vor Ort am Ring angeschaut. Ein Tag zwischen Hoffen, Bangen und dem Jubel für einen Anderen.

Gute Startposition, gute Siegchancen. Was für die Schumachers und Alonsos dieser Welt gilt, kann für die Schmidts und Meiers nicht schlecht sein. Beim gemeinsamen Frühstück der 40-köpfigen Belegschaft der Stahlbaufirma Steka vor der Fahrt an den Nürburgring versuchen alle, die beste Ausgangslage für sich herauszuholen. Die Startposition der beiden Toyota-Piloten, Ralf Schumacher und Jano Trulli, sind beim Großen Preis von Europa nicht gerade berauschend: Platz sieben und zehn. Vielleicht machen sie es aber auch wie die Windkanalbauer aus Zemmer am Frühstücksbüfett und räumen das gesamte Feld von hinten auf.Ferrari-T-Shirt in der Tasche

Hartgesottene Formel-1-Fans sind nicht im Steka-Team. Dennoch hoffen alle, dass die Toyotas in der Eifel besser abschneiden als bei den jüngsten Rennen dieser Saison. Mit Stolz tragen sie am Nürburgring die weißen Toyota-T-Shirts und -Kappen. "In der Tasche habe ich aber noch ein Ferrari-T-Shirt", scherzt einer. "Ja, wenn der große Schumi bei uns fahren würde, dann würden wir auch gewinnen." Dieser Meinung sind viele. Die Sonne knallt. Die Tribüne 13 füllt sich allmählich. Die Zusammensetzung: zwei Drittel Toyota-Fans - oder zumindest Toyota-Mitarbeiter - ein Drittel Ferrari-Anhänger. Das Rennen beginnt. Ohrenbetäubender Lärm. Selbst einigen Stahlbauarbeitern, die Krach gewohnt sind, ist das zu laut. Stöpsel werden in die Ohren gesteckt. Das Hörorgan wird geschont, die Kommunikation dadurch jedoch auch etwas kompliziert. "Häääh, was hast du gesagt?" Der Renntross, der in den ersten Runden noch relativ eng zusammen liegt, ist innerhalb weniger Sekunden an der Toyota-Tribüne vorbeigerauscht. Wie lange wird es dauern, bis er wiederkommt? Der über der Strecke kreisende Helikopter gibt die Antwort. Er kündigt das Kommen Runde für Runde neu an. Recht gelassen verfolgen die Steka-Leute das Rennen. Hin und wieder ballt mal einer die Faust oder springt kurzzeitig vom Sitz auf. Die beiden Toyota-Piloten ernten jedoch überwiegend kritische Blicke. Dass weder Ralf Schumacher noch Trulli um den Sieg mitfahren, war den meisten schon klar, bevor die Ampel auf grün umgesprungen ist. Das Toyota-Credo taufen einige Ferrari-Fans, die oberhalb der Toyota-Anhänger sitzen, mit einem hämischen Grinsen um: "Nichts ist mehr möglich - Toyota". Loyalität mit dem Arbeitgeber

Als einer seiner Mitarbeiter den vorbeifahrenden Michael Schumacher bejubelt, wird er von Steka-Chef Rainer Steffen - nicht ganz ernst gemeint - auf den gemeinsamen Auftraggeber hingewiesen. Aufgrund der Lautstärke fällt dieser "Rüffel" nonverbal aus: Steffen zeigt lachend auf den Toyota-Schriftzug seines T-Shirts. Doch als Michael Schumacher mit dem genialen zweiten Boxenstopp die Führung übernimmt und dem Sieg entgegenfährt, jubelt sogar der Chef. Als dann jedoch Ralf Schumacher fast genau vor der Toyota-Tribüne wegen eines Motorschadens ausfällt, ist die Stimmung kurzzeitig etwas gedrückt. "Das bedeutet Überstunden", scherzt Rainer Steffen. Die Toyota-Tribüne leert sich nach dem Ralf-Schumacher-Aus schnell. Die Steka-Mitarbeiter harren jedoch bis zum Schluss aus und freuen sich über den Ferrari-Sieg. Für die Scuderia würden sie auch gern mal einen Windkanal bauen. Ein rotes T-Shirt packt aber keiner nach dem Rennen aus. Mit Stolz tragen sie auch auf dem Nachhauseweg ihr Toyota-Outfit. Schließlich geht es wenige Stunden später nach Köln, um dort den zweiten Windkanal für die Japaner zu bauen.

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