Wenn Kleinigkeiten zu Hürden werden

Saarburg · Welche Hindernisse gibt es in Saarburg für Menschen mit körperlichen Behinderungen? Stadtbürgermeister Jürgen Dixius hat das mit einer Gruppe Betroffener untersucht. Fazit: Einiges ist nach dem Bau des Fruchtmarktkreisels und des neuen Busbahnhofs verbessert worden. Doch oft sind es Kleinigkeiten, die Probleme bereiten.

Saarburg. "Angelo, such Zebra", lautet das Kommando an den Königspudel, wenn Karl Kohlhaas die Straße überqueren will. Kohlhaas ist blind und auf die Hilfe des Vierbeiners angewiesen, wenn er über einen Zebrastreifen will. Der Stadtplan, wie er ihn vor seiner Erblindung im Kopf hatte, wird nach den vielen Bauarbeiten im Zentrum immer ungenauer. Höchste Zeit, einmal auszuprobieren, wie behindertentauglich Saarburg ist, fanden Birgit Müller und ihr stark gehbehinderter Mann, Günter Kleinschmidt. Sie riefen eine Gruppe Betroffener zusammen.
Im rollstuhlgerechten Aufzug des Rathauses kommt der erste Hinweis für Stadtbürgermeister Jürgen Dixius von Otmar Breidbach, der seit einem Jahr ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter des Landkreises Trier-Saarburg ist: "Damit Mehrfachbehinderte den Lift benutzen können, müssen die Knöpfe waagerecht angeordnet sein. Das sind sie hier nicht." Am neuen Kreisel am Fruchtmarkt und dem neuen Busterminal Heckingstraße wurde bereits mitgedacht. An den neuen Überwegen zu den Haltestellen etwa gibt es Blindenleitsysteme. Das sind geriffelte und mit Noppen versehene Steine, die der Betroffene per Blindenstock ertasten kann, und dann weiß, in welche Richtung er gehen muss.
Bordstein bereitet Probleme


Doch auch dort gibt es Diskussionen. "Wenn der Bordstein auf null abgesenkt ist, kann ich mit meinem Stock nicht ertasten, wo die Straße anfängt", moniert der Blinde Karl Kohlhaas. "Drei Zentimeter Bordstein können für einen Rollstuhlfahrer schon zu viel sein", weiß Birgit Müller.
Die Plexiglasscheibe des Bushäuschens fällt Uwe Wagner aus dem saarländischen Eimersdorf sofort auf: "Die muss kenntlich gemacht werden, damit niemand dranstößt." Der Aktivist im Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) sieht sich Saarburg als rollstuhlfahrender Tourist an und kritisiert: "Häufig wird erst gebaut und dann erst werden die Betroffenen gefragt." Ganz konkret schlägt Wagner eine neue Rampe am Parkdeck des Rathauses vor, wo es auch eine Behindertentoilette gibt.
Dixius sieht in Saarburg ein grundsätzliches Problem: "Die 1050 Jahre alte Stadt zeigt mit ihren topografischen Gegebenheiten Grenzen auf, sie rollstuhlgerecht zu gestalten." Roswitha Ickerodt hat eine neunjährige Enkelin, die an den Rollstuhl gefesselt ist. Sie meint: "Das Kind kann ohne Hilfe hier nirgendwo hin." Doch gerade das selbstständige Bewegen wie ein Nichtbetroffener ist und bleibt das Ziel.
"Barrierefreiheit beginnt im Kopf", fasst Karl Kohlhaas das Problem zusammen. Behindertenbeauftragter Breidbach appelliert deshalb an Saarburger Gewerbetreibende: "Rollstuhlfahrer sind auch Kunden und ein wirtschaftlicher Faktor." Dixius überschlägt: Mehr als die Hälfte der Geschäfte in der Saarburger Innenstadt sei auch für Behinderte erreichbar. Nach der Tour fasst der Stadtchef zusammen: "Ich habe dazugelernt." In die Planung der Fruchtmarktgestaltung und des Bahnhofsgeländes würden die Erkenntnisse dieses Tages einfließen.
Doch selbst im Krankenhaus staunen Geschäftsführer Holger Brandt und Seelsorger Michael Zimmer, dass Günter Kleinschmidt die Tür zur Kapelle nicht selbstständig öffnen kann, ohne sich dabei mit seinem elektrisch betriebenen Dreirad selbst im Weg zu stehen. "Der Dialog zwischen Planern und Behinderten ist in Saarburg heute eröffnet worden", lautet das Fazit von Birgit Müller.
Extra

Selbstbestimmtes Leben in einer Welt ohne Barrieren ist das Ziel der Arbeit des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. Im Internet wird unter www.bsk-mittelmosel.de umfassend informiert. Die Landesvorsitzende, Anita Reichert, ist unter Telefon (06534) 940066 oder 0171/1469564 erreichbar. Der Behindertenbeauftragte des Landkreises, Otmar Breidbach, hält jeden ersten und dritten Freitag im Monat von 9 bis 12 Uhr eine Sprechstunde in der Kreisverwaltung Trier ab. Telefonisch ist er unter 0651/715-428 und per E-Mail unter behindertenbeauftragter@trier-saarburg.de erreichbar. doth

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