Wenn Riesling sich an Pappel schmiegt

AYL. Reben, die in die Höhe wachsen. Was für viele ein ungewohnter Anblick sein dürfte, könnte bald in Ayl Realität werden. Denn beim Arbustum-Projekt (von Lateinisch arbor = der Baum) wird der Weinanbau in Kombination mit Bäumen neu entdeckt.

 Stoßen an auf das neue Weinbergs-Projekt (von links): Leo Lauer, Bürgermeister der VG Saarburg, Saar-Obermosel-Weinprinzessin Claudia Maximini und ihre Königin Sabrina Schons, Ayls Bürgermeister Siegfried Büdinger sowie Projekt-Koordinator Florian Lauer. Foto: Anke Pipke

Stoßen an auf das neue Weinbergs-Projekt (von links): Leo Lauer, Bürgermeister der VG Saarburg, Saar-Obermosel-Weinprinzessin Claudia Maximini und ihre Königin Sabrina Schons, Ayls Bürgermeister Siegfried Büdinger sowie Projekt-Koordinator Florian Lauer. Foto: Anke Pipke

Die Engel sind an allem Schuld. Denn hätten sie auf manchem Bildnis der Renaissance nicht im Baum gesessen, um Trauben zu lesen, wäre die Aylerin Julia Lauer kaum auf die Idee gekommen, Weinbau mit Bäumen ernsthaft in Verbindung zu bringen. Sie erkundigte sich bei Professor Heinz Rennenberger, Baumphysiologe an der Universität Freiburg, nach dem Zusammenhang. So kam eines zum anderen - Saarwein paarte sich mit Wissenschaft - und Ayl ist nun um eine Attraktion reicher: das Arbustum-Projekt. Ähnlich wie in Südeuropa

Wie damals manche Römer, so haben nun auch die Ayler einen Wingert, in dem nicht nur Reben, sondern auch Bäume gepflanzt worden sind. "Nur noch in Teilen Südeuropas ist diese Art des Anbaus vereinzelt anzutreffen", sagt Ayls Ortsbürgermeister Siegfried Büdinger. Auf rund einem Hektar Rebfläche direkt unter der Ayler Grillhütte hatten Winzer im vergangenen Jahr jeweils 425 Reben Riesling und Sauvignon blanc gepflanzt. In unmittelbarer Nähe dazu setzten später Arbeiter des Bürgerservices jeweils 240 Traubeneichen und Pappeln. Dabei folgten die Beteiligten einem strikten Pflanzschema. Die in Reihen angeordneten Bäume und Reben stehen im Querabstand von zwei Metern. Der Abstand der Bäume in Hangrichtung beträgt vier Meter, wobei am selben Pflanzort jeweils eine Rebe nach unten, also mit der Hangrichtung, und eine entgegen, also nach oben, erzogen wird. "Wir probieren auf der Fläche auch verschiedene Kombinationen aus", erklärt der Ayler Projekt-Koordinator Florian Lauer. "Es wurde manchmal Riesling in Kombination mit Eiche, ein anderes Mal mit Pappel oder auch alleine gepflanzt." Die Wissenschaftler erhoffen sich daraus neue Erkenntnisse über die Anbauweise der Römer, über das Wachstum und die Entwicklung der Reben und Bäume sowie über die Qualität des gewonnenen Weins. Helmut Lieser, Leiter des Saarburger Forstamts, ist froh über dieses Projekt, das in Ergänzung zu seinen bisherigen drei "Ws" - Wald, Wasser, Wild - nun das vierte - den Wein - liefert. Besonders interessant sei es, das Zusammenspiel zwischen Baum und Rebe nicht nur überirdisch, sondern auch mit Blick auf das Wurzelwerk zu beobachten. "Vielleicht macht der Baum der Rebe Nährstoffe zugänglich, die sie sonst nicht hätte bekommen können", spekuliert Lieser. Und eventuell bilde sich die so genannte Mykorrhiza, eine Symbiose von Pilzen und Pflanzenwurzeln. Während Wissenschaftler und Förster die Ergebnisse dieser neuen Anbauart untersuchen und veröffentlichen, kümmern sich die beteiligten Haupterwerbswinzer um die Pflege des Weinbergs, von Rebschnitt über Bodenbearbeitung und Binden bis zur Lese. Denn die Winzer wollen letztlich die Früchte ihrer Arbeit in Flaschen sehen. Die Vermarktung des Arbustum-Weins wird angestrebt.Attraktion für Touristen

Abgesehen von dem rein wissenschaftlichen und später auch genussvollen Ertrag rechnen die Ayler auch mit einem touristischen Nutzen. "Touristen können wir damit eine weitere Attraktion bieten", sagt Bürgermeister Büdinger. Auch Schulen seien willkommen, den Unterricht in den Weinberg zu verlegen. Zudem werde man die neue Anlage in einen touristischen Erlebnispfad in der Ayler Kupp integrieren. Die Realisierung des Arbustum-Projekts wurde durch die Unterstützung vieler Helfer möglich. So stellte beispielsweise das Dienstleistungszentrum Mosel die Bäume kostenlos zur Verfügung. Und die restlichen Pflanzkosten in Höhe von 2800 Euro übernahm die Verbandsgemeinde Saarburg. Allein 1200 Euro davon entfielen auf das Rebmaterial. Wenn alles so verläuft, wie es sich Akademiker und Winzer vorstellen, kann man sie vielleicht in einigen Jahren in den Bäumen sitzen sehen: die Engel bei der Traubenlese.

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