Wo sich die Mausohren paaren

KONZ-KÖNEN. Wie verbringt ein "Großes Mausohr" seinen Alltag? Dieser Frage gehen Fledermausexperten in Konz-Könen seit eineinhalb Jahren nach. Sie wollen herausfinden, ob die geplanten Bauprojekte eine Gefahr für die 16 heimischen Fledermausarten darstellen.

Im Barock galten sie als Attribut des Antichrists, und Kinoleinwände machten sie zum gefürchteten Blutsauger. Positives verband man jahrhundertelang wenig mit Fledermäusen. Doch Dinge ändern sich. Heute sorgen ihre dunklen Schemen am nächtlichen Himmel hauptsächlich bei Politikern, Stadtplanern oder Industriellen für Schweißausbrüche. Denn strenge Gesetze wachen darüber, dass Fledermäuse ihr Fledermausleben ungestört führen können. Auch in Konz-Könen. Dort sind drei große Bauprojekte geplant, deren mögliche Auswirkungen auf die geschützten Tiere zunächst überprüft werden müssen: das Baugebiet "Im Pferdsgarten", die Ortsumgehung B 51 und die Erweiterung des Volvo-Werkes. Fliegen aus ihrem Schutzgebiet heraus

Drei Bauprojekte und ebenso viele "Natura 2000"-Schutzgebiete: eines bei Oberbillig, ein zweites am Nitteler Fels und ein drittes im Serriger Bachtal. "Orchideen und Magerrasen laufen nicht weg", sagt Mathias Herrmann. Aber Fledermäuse, die flögen einfach aus ihrem Schutzgebiet heraus. Zusammen mit Birgit Gessner und Manfred Weisshaar, zwei weiteren Fledermausexperten, hat er die Aufgabe übernommen, mehr über das Leben der Konzer Fledermäuse herauszufinden. Die aufwändigen Untersuchungen, deren Ergebnisse über den weiteren Verlauf der Bauplanungen entscheiden, wurden bereits vor eineinhalb Jahren in Auftrag gegeben. In wenigen Wochen sollen die Auswertungen vorliegen. "Es ist schwierig, Fledermäuse zu untersuchen", sagt Herrmann. Gelungen ist es mit Hilfe von "etwas ganz neuem aus Australien" - mit Fledermausdetektoren. An 26 verschiedenen Stellen rund um Konz-Könen hat er die Apparate platziert. Mit einer Reichweite von zehn Metern haben diese mehrere Wochen lang die Ultraschalltöne vorbeifliegender Fledermäuse erfasst. Ihre Aufzeichnungen ermöglichen es den Experten, nicht nur auf Nahrungsflächen und Flugrouten der Tiere zurückzuschließen, sondern auch auf die Arten selbst. Denn jede Fledermausart hat ihre eigenen Rufe. Weil es Arten gibt, die sehr leise rufen, wurde zusätzlich mit Hilfe von Fangnetzen bestimmt, welche Arten zwischen den drei "Natura 2000"-Schutzgebieten unterwegs sind. Auf 16 verschiedene Arten sind die Fledermausspezialisten dabei in Konz-Könen gestoßen - viele, wenn man bedenkt, dass in Deutschland insgesamt nur 23 vorkommen. Darunter sind so klangvolle Namen wie: Großer Abendsegler, Kleine Bartfledermaus, Bechsteinfledermaus, Graues Langohr, Großes Mausohr oder die Mopsfledermaus. "Bei den Bartfledermäusen ist die Bestimmung nicht ganz leicht", sagt Herrmann - weil es mehrere sich ähnelnde Schwesternarten gebe. Zur Unterscheidung müsse man gucken, ob der Penis "kolbig" sei. Bei Fledermäusen kommt es offenbar doch auf die Form an. Es galt herauszufinden, wo die Fledermäuse lang fliegen, wo sie ihre Nahrung besorgen, wo sie sich paaren und wo sie unterschlüpfen, um ihre Wochenstuben einzurichten. Diese Daten benötigen die Experten, um beurteilen zu können, ob die geplanten Baumaßnahmen den Fledermäusen schaden würden. "Fledermäuse fressen Insekten", sagt Herrmann. Und wenn Flächen versiegelt würden, dann schrumpfe die Nahrungsbasis. In einer Kolonie, in der vorher 30 Tiere waren, könnten dann nur noch 20 überleben. "Natürlich fallen sie nicht gleich tot vom Himmel", sagt Herrmann. Das seien schleichende Prozesse. "Sie kriegen ihre Jungen nicht mehr groß." Dies wirke sich schlimm aus, denn viele Fledermausarten bekommen nur ein Junges im Jahr, und von diesen sterben schon unter natürlichen Bedingungen sehr viele. Zudem sind Fledermäuse an bestimmte Vegetationsstrukturen gebunden, denn ihre Rufe reichen nur vier Meter weit. "Das ist, als würden wir durch dichten Nebel rennen. Wir würden uns ja auch an irgendetwas orientieren wollen." Hintergrund ist, dass die Flugverbindung zwischen den drei Schutzgebieten erhalten bleiben muss. Die Fledermäuse ahnen wohl nicht, dass, nachdem sie jahrhundertelang verunglimpft wurden, heute in Konz-Könen zigtausend Euro ausgegeben werden, um mit High-Tech-Geräten ihrem Privatleben auf die Schliche zu kommen. Vielleicht besser so, denn gerade ist Paarungszeit - irgendwo zwischen drei Schutzgebieten.

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