Wolllüstig und weltheilig

KORDEL. Ende Februar wäre Anton Obser, der erste und bislang einzige Ehrenbürger Kordels, 100 Jahre alt geworden. Eine Feierstunde am Samstag im Hochmark-Haus mit Musik und einem originellen Festvortrag erinnerte an Mensch und Werk.

Anton Obser - ein Original? Nein, sagte Jürgen Jonas, der Begriff passe nicht auf den Zahnarzt und Heimatforscher, den Männerchorsänger, Freizeitmusiker, gebildeten Humanisten und manchmal groben Kerl. Ein "wolllüstiger Weltheiliger" sei er gewesen, erinnerte sich der Journalist in seinem außergewöhnlich farbigen Vortrag, ein Mann der Geselligkeit, ein Schelm, ein Freund der Eulenspiegeleien und zutiefst heimatverbunden.Farbiges Bild gezeichnet

Jürgen Jonas lebt in Nehren bei Tübingen, aber er stammt aus Kordel und hat den ersten und einzigen Ehrenbürger des Orts selbst - manchmal klang sogar durch: sattsam - erlebt. Am Samstag hielt er auf der Feierstunde zu Obsers 100. Geburtstag im Haus des Kulturkreises Hochmark den Festvortrag. Keine Ansprache, die gewissermaßen in Sakko und Krawatte daher kam und brav die Verdienste des Jubilars abspulte, sondern eine sorgfältig kalkulierte Mischung aus Bildungsbausteinen, persönlichen Erinnerungen, Ansätzen zu tiefsinniger Philosophie und kleinen Geschichten - die selbstverständlich auf Kordeler Platt. Verstreute Partikel, die sich allmählich immer dichter zusammenfügten zu einem farbigen Bild dieser erstaunlichen Persönlichkeit. Kordel verdankt Anton Obser viel - nicht nur die lesenswerte Ortsgeschichte, die weit mehr ist als eine akademische Chronik, sondern auch seinen Einsatz in den Vereinen, vielleicht überhaupt seine ungewöhnliche, den Ort prägende Persönlichkeit. Jedenfalls, so appellierte Jonas an alle, sollte man die Dokumente und Erinnerungen rasch zusammentragen, damit der Nachwelt "ein Abglanz seiner Tätigkeit" erhalten bleibe. Dazu ist die Ausstellung, die nach der Feier im Hochmark-Haus eröffnet wurde, ein erster Schritt. Otmar Werle von der Universität Trier hatte die Anwesenden im scheunenartigen Hochmark-Haus namens des Kulturkreises begrüßt und versprochen, weiter im Sinne des Ehrenbürgers zu forschen und die mittelalterliche Glasschmelze auf der Hochmark dabei in den Mittelpunkt zu stellen. Kordels Ortsbürgermeister Medard Roth schlug einen weiten Bogen vom Apostel Paulus bis zu Anton Obser und würdigte dessen Verdienste. Der Männergesangverein 1900 Kordel war unter der Leitung von Adrian Nuca angetreten und sang unter anderen den "Kordeler Sängergruß" seines langjährigen Leiters Hans Bauer. Außerdem hatten sich alte Freunde zu einem Streichquartett zusammengefunden: Konzertmeister Albert Boesen aus Stuttgart, Obser-Sohn Otto, mittlerweile selber ergraut, Ansgar Marx und Gerhard Pick. Sie spielten Mozart und am Schluss Joseph Haydns berühmte "Serenade", die vielleicht gar nicht von Haydn stammt, sondern von Roman Hoffstetter. So glaubte man vor einigen Jahren. Mittlerweile hat sich Forschung wieder gedreht und das Werk doch Haydn zugeschrieben. Solch ein Verwechslungsspiel hätte Anton Obser ganz bestimmt gefallen.

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