Zerf: Bei 38 Grad über zwei Berge

ZERF. Bruno Witt war 42 Jahre alt, als er die Fußballschuhe an den Nagel hing und begann, lange Strecken zu laufen. Im Lauf der Zeit wurden die Strecken immer länger. Zum 50. Geburtstag machte sich Witt ein besonderes Geschenk: die Teilnahme an einem Ultra-Marathon über 100 Kilometer.

"Am Anfang habe ich versucht, allein von Zerf in Richtung Schillingen zu laufen. Doch mir fehlten die Sportler um mich herum", erzählt der Extremläufer. "Deswegen schloss ich mich dem Spiridon-Lauftreff an." Das Laufen in der Gruppe hat ihm sehr gefallen, "obwohl man auf größeren Strecken doch immer mit sich alleine ist". Bruno Witt erzählt mit Begeisterung und glänzenden Augen von einer durch unglaubliche Belastung geprägte Sportart. Seine enorme Begeisterung ermöglichte es, innerhalb kurzer Zeit in einem relativ hohen Sportleralter beeindruckende Leistungen zu bringen - über Strecken hinweg, die viele Jüngere noch nicht einmal mit einem Fahrrad in Angriff nehmen würden. Das Geheimnis des Laufens

Dem Lauftreff Spiridon verdanke er vieles, sagt Witt. "In dieser Gruppe habe ich gelernt, was man unbedingt als Läufer wissen muss." Beispiele? Bitte schön: "Die Zeiteinteilung, aerobe und anaerobe Trainingstechnik und den Super-Sauerstofflauf, der das Geheimnis des Laufens darstellt. Hier wird der Körper daran gewöhnt, im Lauf kontinuierlich seine Geschwindigkeit zu erhöhen." Bruno Witt fing groß an. Sein erster Marathon war einer der berühmtesten Langlaufwettbewerbe der Welt: In New York legte der Hochwälder die 42,195 Kilometer zum ersten Mal in einem Wettkampf zurück. Weitere Langläufe folgten. "Nachdem ich merkte, dass es ab und zu mal zu einem Platz auf dem Treppchen reichte, beschloss ich, dem Laufen treu zu bleiben." Es gab dann nur noch ein Problem: Die Marathon-Distanz war nicht lang genug. Bruno Witt zeigt nicht das geringste Zeichen von Sarkasmus oder Ironie, wenn er von seinem Wunsch erzählt, sich noch gewaltigeren Herausforderungen zu stellen. Er meint es völlig ernst. Er sucht Distanzen, die eine unglaubliche Belastung darstellen und die nur ein hochmotivierter und hervorragend trainierter Läufer überstehen kann. Mit 45 begann der Zerfer mit den Ultra-Marathon-Läufen. Zu diesem Zeitpunkt lief er erst seit drei Jahren. "Hier fühlte ich mich am besten aufgehoben", sagt er. "Die Spannung während des Laufes ist enorm. Was kommt hinter der nächsten Kurve, was erwartet mich während des nächsten Kilometers - das ist der Kick." Und das über 100 Kilometer. Dem Kick folgte der Erfolg. 1998 wurde Witt bei der Deutschen Marathon-Meisterschaft in Kiel Zweiter in seiner Altersklasse. Es folgten die Ultra-Distanzen. "Meine Bestzeit über 100 Kilometer liegt bei acht Stunden und 15 Minuten", verkündet der Extremsportler stolz. Und dann näherte sich vor kurzem sein 50. Geburtstag. Bruno Witt wollte nicht hinein feiern - er wollte hinein laufen. Der Zerfer reiste in die Toskana und startete beim 100-Kilometer-Lauf. 945 Höhenmeter überwunden

Der Start erfolgte nachmittags um 15 Uhr in Florenz. Die Hitze war mörderisch: 38 Grad. Die Läufer mussten einen Gebirgszug und einen Höhenunterschied von 945 Metern überwinden. Das Ziel lag in Faenza. Bruno Witt erinnert sich. "Ich hatte große Probleme bei diesem von Haus aus extrem schwerem Lauf. Zwei Berge waren zu überqueren." Die Läufer wurden durch am Streckenrand geparkte Autos behindert, die Organisation war mangelhaft. Bruno Witt biss sich durch. Und er kam an - als Nummer 180 in einem Feld von mehr als 1000 Läufern. Zufrieden war Bruno Witt mit diesem Ergebnis nicht. "Das lag weit unter meinen Möglichkeiten. Ein Freund sollte mich betreuen und mit einem Fahrrad oder dem Auto begleiten. In letzter Sekunde hat er sich aber entschieden, selbst zu laufen. Meine gesamte Eigenorganisation, die eine gute halbe Stunde Zeitvorteil bringt, ist daraufhin geplatzt." Dennoch sei er an seinem runden Geburtstag um 1.30 Uhr nach elf Stunden und 52 Minuten Laufzeit in Faenza angekommen. Rechtzeitig genug, mit seinen Freunden bis in den Morgen zu feiern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort