Zoff, Malocher und Schlamassel

SCHWEICH. Das Erbe der jiddischen Sprache im Deutschen war Inhalt eines spannenden Vortrags des Trierer Professors Hans Peter Althaus anlässlich der Jüdischen Tage in Schweich.

Unter dem Titel "Zocken für lau" fesselte er ein großes Publikum mit plastischen Erklärungen zu Ursprung und Verwendung von Wörtern wie "Malocher" oder "Knast". "So wie ein Fahrzeug, ist auch Sprache ein Transportmittel. Sie ist alltäglich, und nur selten befühlen, behorchen und beklopfen wir sie auf Bedeutung jenseits unserer Verwendung." So beginnt der Vortrag von Hans Peter Althaus, der bei seinem Publikum Interesse und Verständnis für die Herkunft von Begriffen wecken will, die sich in unserer Alltags-Sprache eingebürgert haben. "Zocken" zum Beispiel. Es stamme, wie tausend andere ins Deutsche übernommene Wörter auch, aus dem Jiddischen, der Sprache der Juden in Mitteleuropa. Sie habe sich nach den Kreuzzügen aus hebräischen Ausdrücken und romanischen Sprachresten auf Grundlage des mittelalterlichen Deutsch als eigener Sozialdialekt gebildet. Jiddische Wörter auch in Geheimsprachen

In Westeuropa nahe am Deutschen geblieben, sei sie in Osteuropa, nach weiteren Emigrationsbewegungen, zu einer slawisch beeinflussten und im 19. Jahrhundert bewusst zur Kultursprache ausgebauten Form entwickelt worden. Erste jiddische Ausdrücke hätten im 15. Jahrhundert Eingang in Geheimsprachen von Vagabunden oder die Sprache von Gelehrten gefunden. Später seien sie durch Sozialkontakte nicht nur in allerlei Mundarten gelangt, sondern auch von vielen Gesellschaftskreisen adaptiert und in Form spezieller Jargons - etwa in Handel, Theater oder Presse - benutzt worden. "Zocken", erklärt Hans Peter Althaus, "war ein ursprünglich wertneutraler Begriff für ,spielen', der von Angehörigen eines zwielichtigen Milieus auf Kartenspiel und in der Gründerzeit von Börsenspekulanten auf das Aktiengeschäft gemünzt wurde. Und seit das Börsengeschehen in breite Bevölkerungskreise vorgedrungen ist, ist auch das ,Zocken' wieder weit verbreitet."Bildhaft und emotional

Zeitgeist und Emotionen hätten seit jeher eine große Rolle im Umgang mit dem Jiddischen gespielt. Im 19. Jahrhundert sei es von Christen genutzt worden, um im Handel mithalten zu können, gleichzeitig aber auch, um in Parodien dem Neid auf erfolgreiche jüdische Mitmenschen Ausdruck zu geben. Der Antisemitismus schließlich habe die Sprache zu Agitation und Denunziation missbraucht. Deshalb sei sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs völlig tabuisiert und erst wieder seit den 60er-Jahren ins Bewusstsein gerückt worden. Heute - dazu zeigt Althaus Beispiele - seien jiddische Ausdrücke wie Zoff, Knast, Schlamassel oder Macke mit ihrer Bildhaftigkeit in Milieuzeichnungen der Literatur, Presseschlagzeilen, Werbung oder Politik wieder sehr verbreitet. "Abgezockt werden, entspricht dem heutigen Lebensgefühl der Wähler, denen der Kanzler mit seinem Gebrauch des Wortes ,Malocher' gerade Volksnähe demonstriert hat", formuliert er einen seiner kleinen humoristischen Seitenhiebe. Die Zuhörer finden diese Chuzpe dufte.

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