Zum richtigen Zeitpunkt Nein sagen!

Hinzert-Pölert · Rund 200 Menschen aus Luxemburg, Frankreich, Polen und Deutschland haben am Samstag im früheren SS-Sonderlager/KZ Hinzert der Opfer des Naziregimes gedacht. An der jährlichen Erinnerungsfeier nahmen unter anderem Angehörige von ehemaligen Häftlingen sowie eine große Gruppe Jugendlicher teil.

 Mit ihren Fahnen stellen sich die ehemaligen luxemburgischen Hinzert-Häftlinge vor der kleinen Kapelle an der Gedenkstätte auf. Zusammen mit den Besuchern gedenken sie in einer Messe der Menschen, die im früheren KZ starben oder dort leiden mussten. TV-Foto: Ursula Schmieder

Mit ihren Fahnen stellen sich die ehemaligen luxemburgischen Hinzert-Häftlinge vor der kleinen Kapelle an der Gedenkstätte auf. Zusammen mit den Besuchern gedenken sie in einer Messe der Menschen, die im früheren KZ starben oder dort leiden mussten. TV-Foto: Ursula Schmieder

Hinzert-Pölert. Vergeben und versöhnen, aber auch beständig erinnern und vor allem nie vergessen.
Dieses Ziel verbindet sich mit einer Gedenkfeier, die einmal im Jahr auf dem Gelände des früheren SS-Sonderlagers/ KZ Hinzert stattfindet. Mit ihr sollen die Erinnerungen an die Menschen wachgehalten werden, die dort in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gefangen gehalten und gedemütigt wurden und vielfach auch ihr Leben verloren. Das gemeinsame Bemühen um Frieden sei notwendig, sagte Jean Luc Blondel, Direktor des Internationalen Suchdienstes, in seiner Gedenkansprache am Samstag in Hinzert.
Doch es brauche auch Justiz, Schuldanerkenntnis und Wiedergutmachung, um "das erlebte Grauen" während des Nazi-Regimes nie wieder zuzulassen. Die vom Suchdienst archivierten 30 Millionen Dokumente, die Schicksale von mehr als 17 Millionen Menschen widerspiegeln, seien ein verpflichtendes Erbe. Dieses gelte es zu erhalten und weiterzugeben, so Blondel.
Und das nicht nur im Interesse von Überlebenden und Angehörigen. Denn die Unterlagen belegten barbarische Tatsachen und die Vorgehensweise bei Unterdrückung und Verbrechen.
Vor etwa 200 Besuchern hielt Blondel vor Augen, dass die Versuchung, Gewalt und Folter anzuwenden, immer wieder auftreten könne, auch in der sogenannten zivilisierten Welt. Daher sei es "absolut notwendig, den Kampf zum Schutz der Menschenwürde und zum Erhalt des Friedens weiterzuführen".
Davon sind auch die Teilnehmer der ersten deutsch-polnischen Schülerbegegnung der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz überzeugt. Die 15- bis 21-Jährigen berichteten bei der Erinnerungsfeier von ihrem einwöchigen Besuch in den Gedenkstätten Hinzert, Osthofen (bei Worms) und Lambinowice (Lamsdorf) in Polen.
Gerade im dritten genannten Lager seien besonders viele Menschen umgekommen, sagte Julina Kubis (15) aus der Wojwodschaft (Bundesland) Oppeln.
Erschreckend findet der Jugendliche aus Polen, dass so viele Menschen rein aus politischen Gründen leiden oder sterben mussten.
Ältester Gast ist 98 Jahre alt


In den Gedenkstätten erhielten einige von ihnen jedoch wieder ein Gesicht. Dadurch würden ihre Schicksale begreifbar. "Das hat eine ganz andere Wirkung als reine Zahlen oder Fakten", betonte Jonas Leibisch (17) aus Prüm. Der Besuch der Gedenkstätten habe klargemacht, dass Keiner wegschauen dürfe und dass man die Vergangenheit begreifen müsse.
"Jeder hat eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft, zum richtigen Zeitpunkt Nein zu sagen", sagte Leibisch.
Zur Erinnerungsfeier eingeladen hatten die Landeszentrale für politische Bildung in Mainz, die Träger der Gedenkstätte Hinzert ist, und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier. Ältester Gast der Teilnehmer aus Luxemburg, Frankreich, Polen und Deutschland war laut Dieter Schiffmann, Direktor der Landeszentrale, die 98-jährige Catherine Hoffmann. Im Rahmen der Feier gedachte Schiffmann der in den vergangenen zwölf Monaten verstorbenen Hinzert-Inhaftierten Marcel Petit (Frankreich) und Dmitrij Blashkun, eines ukrainischen Zwangsarbeiters. Petit habe bis zu seinem Tod unermüdlich "sein Wissen über das, was Menschen anderen Menschen antun können" insbesondere an Schüler weiter gegeben und sei immer für die Freundschaft von Franzosen und Deutschen eingetreten. Umrahmt wurde die Erinnerungsfeier von einer Messe der luxemburgischen "Amicale des Anciens de Hinzert" (Freundeskreis ehemaliger Hinzert-Häftlinge), die am Mahnmal einen Kranz niederlegten.Die Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert erinnert an die Opfer des ursprünglichen "Polizeihaftlagers für straffällige Westwallarbeiter". Mindestens 321 Menschen kamen dort zwischen 1939 und 1945 nachweislich ums Leben. Tatsächlich waren es aber wohl weit mehr. Sie wurden ermordet oder starben infolge des Lagerterrors an Krankheit, Entkräftung, Hunger. Ab 1940 diente Hinzert als "Durchgangslager" für Deportationen nach Buchenwald, Dachau oder Natzweiler (Frankreich). Am 3. März 1945 wurde das Lager von den Amerikanern befreit. An die Opfer erinnern heute Ehrenfriedhof, Kapelle, Kreuz und das Mahnmal des ehemaligen luxemburgischen Häftlings Lucien Wercollier. Das 2005 eröffnete Dokumentationszentrum besuchten in den ersten fünf Jahren mehr als 50 000 Menschen. urs

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