Zwischen Abschied und Aufbruch

SCHWEICH. Tief ergriffen waren Besucher des Konzertes "Traumgekrönt" in der Synagoge Schweich. Denn das ungewöhnliche, von brillanten Solisten interpretierte Programm aus Liedern der Spätromantik und Sonaten des Impressionismus widmete sich in mehrfacher Hinsicht dem Abschied und Neubeginn.

Es war kein reiner Liederabend und auch kein reines Kammerkonzert, vielmehr eine Verknüpfung von beidem, die in dieser Zusammenstellung sicherlich Seltenheitswert hat: Sieben Lieder aus dem Jugendwerk von Alban Berg und vier letzte Lieder von Richard Strauss umrahmten zwei Sonaten für Violine und Klavier von Maurice Ravel und Claude Debussy. Eine gut durchdachte Konzeption, die noch einmal ein Glanzlicht auf die Bedeutung und das herausragende Niveau des kulturellen Angebots der Volkshochschule Schweich warf, das untrennbar mit dem Namen ihrer Leiterin Gertrud Emmrich verbunden ist. Sie, die die VHS Schweich seit deren Gründung 1985 zu dem geformt hat, was sie heute ist, nahm mit diesem Konzert zugleich Abschied aus dem Berufsleben. Kein Zufall also, dass es thematisch in einen Rückblick auf das 20. Jahrhundert eingebettet war, eine Zeit, in die eben auch die Gründungsphase fiel. Kein Zufall auch, dass mit der Sopranistin Ingrid Schmithüsen, dem Musikwissenschaftler und Pianisten Siegfried Mauser und dem Violinvirtuosen Christian Altenburger noch einmal international renommierte Künstler auftraten, die den guten Ruf der Kulturveranstaltungen in der Synagoge mitbegründet haben. Und ebenso wenig, dass die musikalische Ansiedlung an der Schnittstelle zwischen Abschied (Fin de Siècle) und Aufbruch in die Moderne lag. Einem Spannungsfeld, das sich in den frühen Liedern des Schönberg-Schülers Alban Berg deutlich äußert, dessen Hauptmann-, Storm- oder Rilke-Vertonungen der Tradition der romantischen Liedkomposition verpflichtet sind, aber bereits neue Ausdrucksformen andeuten. Teils düster bedrohlich, teils schwebend leicht, weckte ihr Wechsel von Dissonanzen und überraschend harmonischen Auflösungen ambivalente Gefühle. Ingrid Schmithüsen liegen diese Lieder offenbar sehr. Mit ihrer reinen und kräftigen Stimme, die mühelos lang gezogene hohe Töne und Zwei-Oktavensprünge meistert, führte sie tief in die vielschichtigen Dimensionen der romantischen Vorstellungen von Liebe oder Tod. Als fantastisches und mit Bravo-Rufen quittiertes Kontrastprogramm war danach Ravels 1897 komponierte, aber erst 1975 uraufgeführte Sonate für Violine und Klavier zu hören. Ein Werk, das in Kombination strenger Strukturen, vergleichbar Bachscher Präludien, mit Elementen und Zitaten moderner Unterhaltungsmusik, zum Beispiel Blues- und Tangorhythmen, geradezu explosive Energie freisetzt. Weltklassevirtuose in der Schweicher Synagoge

Hier begeisterte vor allem der brillante Christian Altenburger. "So ein Weltklassevirtuose aus Wien in der Schweicher Synagoge...", raunte es im Publikum. Ebenso faszinierten die hervorragenden Solisten Mauser und Altenburger mit Claude Debussys Sonate für Violine und Klavier, die mit schnellen Charakterwechseln ebenfalls für eine kunstvolle Vermittlung zwischen Tradition und Moderne steht. Und dann wehte mit den von Ingrid Schmithüsen sehr ergreifend gesungenen und leise ausklingenden letzten, 1948 komponierten Liedern von Richard Strauss ein Hauch von Wehmut durch den Raum. Denn sie waren nicht nur endgültiger musikalischer Abgesang an die Tradition der Romantik, sondern auch lyrisches Abschiedsgeschenk und Hommage der Künstler an Gertrud Emmrich. "Wir sind immer gerne hierher gekommen, weil mit Ihnen stets ein besonderes Programm möglich war", bedankte sich Siegfried Mauser bei der scheidenden VHS-Leiterin.

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