Help-Portrait-Tag „Es war richtig schön, gestylt zu werden“

Trier · Das Netzwerk aus Künstlern, die sich  „Die Kreativen Trier“ nennen, hat etwa 50 Hilfsbedürftige fotografiert. Am „Help-Portrait“-Tag in der Europäischen Kunstakademie kümmerten sich Stylisten und Friseure  um den richtigen Look. Der TV hat mit Teilnehmern gesprochen.

 Siegfried Mendgen ist  Hausmeister, seine Lebensgefährtin Joanna Schiel Hausfrau.  Ein professionelles Familienfoto mit Partnerin, Tochter Juliana und Sohn  Marwin wünschte sich Siegfried Mendgen schon lange, aber es sei nie das Geld dafür da gewesen.

Siegfried Mendgen ist  Hausmeister, seine Lebensgefährtin Joanna Schiel Hausfrau.  Ein professionelles Familienfoto mit Partnerin, Tochter Juliana und Sohn  Marwin wünschte sich Siegfried Mendgen schon lange, aber es sei nie das Geld dafür da gewesen.

Foto: Die Kreativen Trier

„Ich habe mich bewusst dazu entschieden, nicht nach den Geschichten zu fragen“, sagt Modefotograf Edouard Olszewski. Er ist ein Fotograf des Netzwerks „Die Kreativen Trier“, die am „Help-Portrait“-Tag ihre Ausrüstung und Zeit kostenlos zur Verfügung stellen, um Hilfsbedürftigen ein professionelles Fotoporträt zu schenken.

„Wenn ich die Geschichten kenne, dann würde das vielleicht etwas am Foto verändern. Vielleicht würde das Foto etwas düsterer werden.“ Weil die Geschichte, die dahinter stehe keine schöne sei. Darum gehe es aber nicht bei der Aktion, sagt Olszewski.

Die Aktion: Der „Help-Portrait“-Tag. Eine weltweite Bewegung aus Fotografen und Stylisten, denen es nicht nur darum geht, schöne Fotos zu produzieren, sondern darum, etwas Sinnstiftendes zu hinterlassen. Insgesamt fotografierten und stylten rund 25 Profis etwa 50 Menschen, die sich keine professionelle Aufnahme leisten können, weil ihnen die Mittel fehlen.

„Alle unsere Herzen brennen für dieses Projekt“, sagt Verena Landgraf-Freudenreich, Mitorganisatorin des Netzwerks „Die Kreativen“. Gemeinsam haben sie das Projekt in ungezählten Arbeitsstunden gestemmt. Bei über 20 Helfern sei das schwer zu kalkulieren. Sie alle kamen zusammen, um alleinerziehenden Müttern ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, oder Familien, die jeden Monat aufs Neue schauen müssen, wie sie über die Runden kommen.

Doch es braucht Feinsinn von denen, die sich engagieren. Nicht alle fühlen sich wohl dabei, sich als „hilfsbedürftig“ zu offenbaren, wenn sie sich beim „Help-Portrait“-Tag fotografieren lassen. Eine von ihnen heißt Bianca, der Name ist redaktionell geändert. „Ich schäme mich dafür, auf andere angewiesen zu sein“, sagt sie. Aber über das Bild freue sie sich. Auch ihre Tochter ist darauf. Seit zwei Jahren kümmere sie sich um sie. Alleine. Mehr gibt sie von sich nicht preis. Mit einem Lächeln im Gesicht, dem Foto in der einen Hand und der Tochter an der anderen Hand, geht sie hinaus.

„Die Reaktionen von den Teilnehmern, die da waren,  haben uns sehr bewegt und sehr berührt“, sagt Landgraf. „Sie haben uns darin bestärkt, das nächstes Jahr noch mal zu veranstalten.“ Doch dann bekämen die Leute nicht nur ein Foto im Bilderrahmen, sie würden, wenn sie es denn möchten, ihr Bild dann auch digitalisiert geschenkt bekommen. Darum hätten viele gebeten.

Was  der ein oder andere Fotograf lieber nicht wissen möchte, das interessiert uns vom Trierischen Volksfreund: Welche Lebensgeschichten haben die  Porträtierten? Die auf dieser Seite vorgestellten Personen haben dem TV-Reporter Rede und Antwort gestanden und ihre von Die Kreativen  angefertigten Fotos zum Abdruck zur Verfügung gestellt:

Nicole und Michelle Schneider kommen aus Trier-Ruwer. Nicole Schneider ist alleinerziehende Mutter und freut sich über den Tipp von Michelles Lehrer. Von ihm hörte sie vom Help-Portrait in Trier. „Ich bin so aufgeregt“, sagt sie. „Es ist ganz komisch, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen und im Rampenlicht zu stehen. „Normalerweise mache ich nur Selfies, von etwas weiter oben.“ Dann seien die Augen auch weiter geöffnet, heißt es. Nicole kann nicht arbeiten gehen, weil sie krank ist. Ein Bandscheibenvorfall bereite ihr große Schmerzen. Sie erzählt von einer regelrechten Odyssee der Arztbesuche. Eine Porträtaufnahme hätte sie gerne gewollt, sie sich aber niemals leisten können. Das Foto werde im Wohnzimmer an einem Platz stehen, wo man es gut sehe, sagt sie.

Familie Agjapong kommt aus Ghana. Seit etwa vier Monaten leben sie in einer Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Trier, erzählt Kofi Agjapong, der Familienvater. Mit dem Schlauchboot seien sie über die Mittelmeerroute nach Italien gekommen, von wo aus sie nach Trier geflüchtet seien. Die Überfahrt habe etwa 1000 Euro pro Person gekostet. Eine große Summe für den Maurer. Geflüchtet sei die Familie, weil Kofi nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Der war „Fetish Priest“, so nennt Kofi ihn. Ein Fetish Priest (deutsch: Fetisch-Priester) sei so etwas wie ein Schamane oder Medizinmann. Spirituelle Vermittler zwischen Lebenden und Geistern. Bei einem Ritual sei sein Vater gestorben. Woraufhin Kofi hätte sein Amt übernehmen sollen. Da es aber gefährlich sei, habe er das nicht gewollt. Er befürchtete, deswegen von seinem Dorf getötet zu werden, und flüchtete mit seiner schwangeren Frau Sade Mary Agjapong und seinem Sohn Miracle. Die Familie erwartet das zweite Kind dieser Tage. Es wird Angela heißen, nach der Bundeskanzlerin.

Siegfried Mendgen, genannt Siggi, ist 30 Jahre alt und kümmert sich als Hausmeister im Robert-Schuman-Haus in Trier alleine um das Einkommen der Familie. Seine Lebensgefährtin Joanna Schiel ist Hausfrau. „Da müssen wir gucken, wie wir über die Runden kommen“, sagt Siggi. Seine Tochter Juliana ist acht Jahre alt und auf der Bischöflichen Förderschule St. Josef Trier. Auch diese Familie brachte erst die Lehrerin auf die Idee, beim „Help-Portrait“-Tag ein professionelles Familienporträt machen zu lassen.  Ein Porträt der Familie hätte Siggi schon immer gerne machen lassen wollen, dafür sei aber nie das Geld da gewesen. Seit der Geburt seiner Tochter ist die Familie nicht in den Urlaub gefahren. Seit acht Jahren. Er freue sich, vielleicht im nächsten Jahr mal wieder mit seiner Frau auszugehen. Wenn sie nicht in der Europäischen Kunstakademie gewesen wären, dann hätten sie den Tag zu Hause verbracht und mit Marwin und Juliana Memory oder Kacka-Alarm gespielt, erzählt Siggi. „Es war richtig schön, gestylt zu werden“, sagt Joanna, „man fühlt sich superwohl.“

Die auf dieser Seite abgebildeten Fotos sind dem TV von den Porträtierten zur Verfügung gestellt worden. Das Netzwerk Die Kreativen hat alle Rechte der Bilder an die fotografierten Personen abgegeben. Alle Angaben wurden freiwillig gemacht und mit Einverständniserklärung der Porträtierten.

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