Der Freudenburger Eiderberg bleibt weiter ein Risiko

Freudenburg · Ein Gericht hat die Saargau-Gemeinde nach einem Hangrutsch dazu verdonnert, einen Berg zu stabilisieren. Obwohl das sehr teuer wird, gibt es auch in Zukunft keine Sicherheitsgarantie.

Wer in der Straße Am Eiderberg wohnt, lebt idyllisch. Abends scheint die Sonne lange auf die Terrassen, und man kann den Blick über den Saargau genießen. Im Osten steht der 439 Meter hohe Eiderberg, die höchste Erhebung in der Verbandsgemeinde Saarburg. Der Berg ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen, weil dort seltene, geschützte Schmetterlinge leben und etliche Orchideen heimisch sind. Die Knabenkräuter sind auf einen kargen, kalkhaltigen Boden angewiesen, um zu wachsen.

Genau darin liegt das Problem des Eiderbergs. Immer wieder kann der Boden ins Rutschen kommen. Nach wie vor läuft das Wasser hier ungehindert ab, weil der Hang vor 20 Jahren zum Teil abgegraben wurde (siehe Info). Das passierte, als die Gemeinde Freudenburg das Neubaugebiet westlich des Eiderbergs ausgewiesen hat. Der Berg drohte damals, das kurz zuvor errichtete Haus der Familie Braunshausen zu zerstören. Mehrere Jahre stritten sich die Gemeinde und Stefan Braunshausen vor den Zivilgerichten über die Gründe für den Hangrutsch. Die Richter des Oberlandesgerichts in Koblenz entschieden schließlich, dass die Gemeinde Freudenburg für den Hangrutsch verantwortlich sei, für alle Schäden zu haften habe und alles unternehmen müsse, um weitere Schäden am betroffenen Haus zu verhindern.

Bereits im Herbst 2016 hatte der Geotechniker Egbert Adam dem Rat geschildert, dass der Hang weiter rutsche. Festgestellt habe er dies mit Hilfe von jährlichen Kontrollmessungen. "Die belegen, dass die vor zehn Jahren vorgenommene Stabilisierung des Hangs nicht ausreicht, um dauerhaft das Rutschen des Bodens zu stoppen", sagte er seinerzeit. Er schlug vor, eine "aufgelöste Pfahlbetonwand" zu errichten. Das heißt, dass mehrere Betonpfeiler mindestens 30 Meter tief in den Boden gebohrt werden. Der Zwischenraum zwischen den Pfeilern wird mit Boden aufgefüllt. Dadurch wird, laut Adam, die Drucklast auf die einzelnen Pfeiler verteilt. Verstärkt wird dieser Effekt dadurch, dass die Pfeiler durch ein sogenanntes Kopfband miteinander verbunden werden.

Diese Lösung stellte er jüngst noch mal im Freudenburger Gemeinderat vor. Demnach bleibt es auch nach Abstimmung mit dem Landesamt für Geologie und Bergbau bei der im vergangenen Herbst vorgestellten Vorgehensweise. Wenn es nach Plan läuft, und eine Finanzierung gesichert ist, sind die Vorbereitungen für die erneute Hangsicherung laut Bernd Gödert bis zum kommenden Frühjahr abgeschlossen. Der Ortsbürgermeister von Freudenburg betont, dass die Gemeinde wegen des Urteils verpflichtet sei, den Hang Am Eiderberg erneut zu stabilisieren.

Die Kosten für die Arbeiten belaufen sich laut Schätzungen auf rund 630 000 Euro. Das belaste die Gemeinde erheblich, sagt Gödert. Der Betrag entspricht etwa einem Drittel ihres Haushalts. Schmerzhaft ist die Summe auch deshalb, weil die Versicherung der Kommune sich nicht an den Kosten beteiligt. Das mache sie deshalb nicht, weil die Verkehrssicherungspflicht bei der Gemeinde liege, sagt Gödert. Die Versicherung trete nur ein für Schäden am Haus. Der Kauf der Immobilie scheide laut Gödert aus, da die Eigentümer nicht verkaufen wollen. "Wir hoffen, dass sich das Land an den Hangsanierungskosten beteiligt", sagt Gödert weiter, sonst seien manche für die Zukunft geplante Investitionen nicht machbar.

Der Ortschef kann dem Hangrutsch aber auch eine positive Seite abgewinnen: "Alle Kommunen haben aus diesem Fall gelernt. Bevor sie Bauland ausweisen, fordern sie jetzt immer ein Bodengutachten ein. Nur so lassen sich Gefahren erkennen." Adam betonte im Zuge seiner Präsentation: "Ob nach dem Bau der aufgelösten Pfahlbauwand die Gefahren, die vom Eiderberg ausgehen, gebannt sind, mag ich nicht garantieren." Zu viele unbekannte Faktoren müssten berücksichtigt werden, so dass eine Prognose über die Standsicherheit des Hangs immer mit einem Faktor Unsicherheit einhergehe.KommentarMeinung

Gemeinde zahlt teures Lehrgeld
Der Gemeinde Freudenburg kann man nur die Daumen drücken, dass der Hang nach der neuerlichen Sicherung zum Stoppen kommt. Die Analysen und Arbeiten, die Egbert Adam hierzu vorträgt und vorschlägt, klingen plausibel. Aber auch er kann keine 100-prozentige Gewähr dafür geben, dass es künftig am Eiderberg keine Probleme mehr gibt. Dafür birgt der Boden im Übergangsbereich von Muschelkalk zum Buntsandstein zu viele Überraschungen. Rückblickend muss man sagen, dass die Ausweisung des Neubaugebiets am Eiderberg ein Fehler war. Und eine der Lektionen, die die Gemeinde Freudenburg hier gelernt hat, ist, dass eine schöne Aussicht allein nicht zählt. Man muss auch prüfen, ob das beplante Terrain sich zum Bau von Häusern eignet. Für diese Erkenntnis hat Freudenburg teures Lehrgeld bezahlt. saarburg@volksfreund.deExtra: DER GLEITEFFEKT IN FREUDENBURG


Am Eiderberg liegt eine wasserdurchlässige Bodenschicht auf einer Schicht, die Wasser gar nicht oder nur langsam durchlässt. Deshalb gleitet der Boden auf einem Wasserfilm hangabwärts. Dieser Effekt verstärkt sich, wenn eine natürliche Barriere, die ein Nachrutschen des Bodens verhindert, abgegraben wird. Normalerweise sickert das Wasser ins Grundwasser und wird nicht zum Problem. Wenn die Barriere aber weggebaggert ist, dann versickert das Wasser nicht mehr schnell genug - stattdessen tritt der beschriebene Gleiteffekt ein. 1997 kamen am Eiderberg 40 LKW-Ladungen Erde ins Rutschen und beschädigten das Haus von Stefan Braunshausen. Sechs Jahre lang und in zwei Instanzen musste er vor Gericht um Entschädigung kämpfen. Ortsgemeinde und Verbandsgemeinde Saarburg beschuldigten den Bauherrn zunächst, die Erdbewegung durch eine zu tiefe Ausschachtung auf seinem Grundstück selbst verursacht zu haben. Landgericht und Oberlandesgericht wiesen jedoch der Ortsgemeinde die Verantwortung zu. Sie verpflichteten die Kommune dazu, für die Schäden am Haus aufzukommen und das Grundstück zu sichern. Die Gemeinde hat damals den Hang stabilisiert. Regelmäßige Messungen zeigten, dass aktuell eine neuerliche Sicherung nötig war. Thomas Müller, Pressesprecher der Kreisverwaltung, bestätigt auf TV-Anfrage, dass der Hangrutsch am Eiderberg die Gemeinden in der Umgebung wohl sensibilisiert habe. Generell sei eine Baugrunduntersuchung bei der Ausweisung eines Neubaugebiets nicht vorgeschrieben, doch empfohlen.

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