Kritik erwünscht: Konzer Flüchtlingshelfer suchen das Gespräch mit Bürgern

Konz · Die Mitarbeiter des Caritas-Projekts Flucht und Asyl planen eine Straßenaktion, um mit besorgten Bürgern über ihre Probleme und Ängste zu sprechen. Kritik ist dabei ausdrücklich erwünscht.

 Die ehrenamtliche Integrationslotsin Maria Henseler, Beschäftigungspilot Elvis Mihu und Ehrenamtskoordinator Thomas Zuche vom Projekt Flucht und Asyl wollen mit den Konzern ins Gespräch kommen. TV-Foto: Christian Kremer

Die ehrenamtliche Integrationslotsin Maria Henseler, Beschäftigungspilot Elvis Mihu und Ehrenamtskoordinator Thomas Zuche vom Projekt Flucht und Asyl wollen mit den Konzern ins Gespräch kommen. TV-Foto: Christian Kremer

Foto: (h_ko )

Messerstechende Islamisten, die in London sieben Menschen getötet haben, ein Alarm wegen Plänen für einen Sprengstoffanschlag auf das Festival Rock am Ring und der Angriff mit einem Hammer auf einen Polizisten in Paris - das ist die europäische Terrorbilanz der vergangenen Tage. Der Terror und die Furcht vor ihm hinterlassen tiefe Spuren in ganz Europa. Und viele Menschen sehen in den vielen Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und anderen islamisch dominierten Ländern die Wurzel des terroristischen Übels. Konz bleibt nicht verschont davon.

"Die Angst ist da", sagt auch Thomas Zuche, Ehrenamtskoordinator des Projekts Flucht und Asyl in Konz. Er und weitere haupt- und ehrenamtliche Helfer aus der Beratungsstelle für Flüchtlinge in der Verbandsgemeinde Konz suchen deshalb am Freitag, 9. Juni, das Gespräch mit den Bürgern. Zwischen 13 und 17 Uhr sind sie auf dem Marktplatz und auf dem Saar-Mosel-Platz in Konz vor Ort. Thomas Zuche sagt: "Wir wollen mit den Konzern ins Gespräch kommen über die Themen Heimat, Angst, Flucht, Vielfalt und Toleranz."

Die Hintergründe der Aktion seien der islamistische Terror, die damit verbundene rechte Hasspropaganda und die große Zahl von Flüchtlingen in Deutschland. Angst kursiere wegen Kriegen, der Finanzkrise und anderen weltweiten Entwicklungen, welche die Menschen verunsicherten, sagt Zuche. Er wolle das Ohr am Mund der Bürger haben und so herausfinden, ob die Arbeit der Integrationshelfer die richtige Stoßrichtung habe, sagt er.

Eine seiner Mitstreiterinnen ist Maria Henseler aus Konz. Die 56-Jährige ist ehrenamtliche Integrationslotsin und will genau zuhören: "Wir möchten den Menschen einen Raum bieten, in dem sie ihre Ängste formulieren können." Sie wolle nichts schönreden und die Probleme ernst nehmen. Ihr gehe es darum, die Anregungen aufzugreifen und zu versachlichen. Und sie ist optimistisch, dass das funktioniert: "Gerade in Konz läuft es gut, weil wir auf die geflüchteten Menschen zugehen", sagt Henseler. Die Angst vor dem Terror kenne sie aber aus dem eigenen Umfeld: Sie habe Freunde in England, die nur 300 Meter von der London Bridge entfernt wohnten, erzählt sie. "Das Thema ist schon sehr präsent dort." Aus Henselers Sicht können die Deutschen aus solchen Anschlägen lernen, wie Integration nicht klappt. Denn die jungen und radikalisierten Täter seien meist sich selbst überlassen worden. "Wir müssen darauf achten, dass die jungen Flüchtlinge nicht in radikale Kreise gezogen werden", betont Henseler. Und Aufgabe der Helfer sei es, den Geflüchteten Angebote zu machen. Diese müssten aber auch angenommen werden.

Und die meisten Geflüchteten tun das - zumindest laut Elvis Mihu. Als hauptamtlicher Beschäftigungspilot bei dem Konzer Caritas-Projekt erklärt der gebürtige Rumäne aus Siebenbürgen Asylbewerbern ihre Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. In vielen Fällen ist er der Erste, der sich intensiv mit dem Lebenslauf der Geflüchteten auseinandersetzt. Wenn er die Menschen kennenlerne, müsse er sich aber zunächst auf sein Gespür verlassen, um sich ein erstes Urteil zu bilden. Meist habe er nur die Angaben aus den Gesprächen, offizielle Dokumente gebe es nur selten. Und um ein richtiges Vertrauensverhältnis aufzubauen, reiche ein einzelnes Gespräch nicht aus, betont er. Unter 500 bis 600 Menschen, die bisher an seinem Schreibtisch gesessen hätten, seien vielleicht fünf Hitzköpfe gewesen, die keine Hilfe annehmen wollten, sagt Mihu. Da sei es schwierig, über das weitere Vorgehen zu entscheiden.

Zuche und Henseler haben ebenfalls überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Henseler erinnert sich an einen Fall, in dem sie als Frau herablassend behandelt wurde. Zuche, der in seinem Berufsleben Hunderte Migranten betreut hat, kann sich laut eigener Aussage an drei Fälle erinnern, in denen Männer ihren Frauen verboten hätten, sich von Christen helfen zu lassen. Insgesamt seien die Reaktionen positiv: "Die Menschen sind überrascht, dass christliche Organisationen wie die Caritas oder die Kirchen so hilfsbereit sind."KommentarReden ist Silber, Zuhören ist GoldDie Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern der Flüchtlingspolitik sind verhärtet. Diskussionen im Internet enden oft in wüsten Beschimpfungen von "Gutmenschen" auf der einen und "Nazis" auf der anderen Seite. Deshalb ist der Ansatz der Mitarbeiter der Flüchtlingsberatungsstelle in Konz richtig. Denn bei einem Gespräch im echten Leben merken die Menschen häufig, dass sie gar nicht so weit auseinanderstehen, wie es im Internet scheint. Der Dialog ist sogar grundlegender Bestandteil der Konsensfindung in jeder Demokratie.

Solche Fakten werden in Zeiten von Kurznachrichtendiensten und sozialen Netzwerken oft vernachlässigt. Denn diese Plattformen verlangen zugespitzte Formulierungen, die meistens mit einem Mangel an Akzeptanz für andere Meinungen gekoppelt sind. Deshalb, liebe Konzer: Redet in der echten Welt miteinander! Und vor allem: Hört den anderen richtig zu! Das ist für eine funktionierende demokratische Kultur überlebenswichtig. c.kremer@volksfreund.deExtra: PROJEKT FLUCHT UND ASYL IN KONZ


Das Projekt Flucht und Asyl läuft kreisweit seit 2015. Im Frühjahr hat der Kreistag das Projekt - wegen sinkender Flüchtlingszahlen in abgespeckter Version - bis Ende 2019 fortgeschrieben (der TV berichtete). Neben dem Caritasverband sind die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz, die Flüchtlingshilfe in der Region Trier (willkommensnetz.de) sowie die Stadt Trier und der Landkreis Trier-Saarburg beteiligt. In Konz, Saarburg, Schweich und Hermeskeil gibt es insgesamt 15,5 vom Kreis finanzierte Stellen für die Flüchtlingshilfe. Acht Mitarbeiter sind im Beratungszentrum in Konz beschäftigt. Sie helfen Flüchtlingen bei der Integration, indem sie die Menschen zum Beispiel bei sozialen Fragen und im Asylverfahren beraten oder ihnen helfen, im Berufsleben Fuß zu fassen. Im ganzen Kreisgebiet wurden laut Auskunft der Trier-Saarburger Kreisverwaltung im Jahr 2016 insgesamt 12 000 Beratungsgespräche geführt. Ehrenamtskoordinator Thomas Zuche betreut in Konz etwa 60 ehrenamtliche Helfer, die sich um die Integrationsarbeit kümmern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort