Nur die Kinder überlebten

WILTINGEN. Eine in die Tat umgesetzte Idee zieht Kreise: Fünf Stolpersteine wurden am Samstag in der Wiltinger Bahnhofstraße in den Gehweg eingesetzt: Zum Andenken an die jüdische Familie Meyer, die 1937 vor den Nazis fliehen musste. Nur die beiden Kinder überlebten den Holocaust.

 Der Kölner Künstler Gunter Demnig setzt vor dem Haus in der Bahnhofstraße fünf Gedenksteine ein. TV-Foto: Ludwig Hoff

Der Kölner Künstler Gunter Demnig setzt vor dem Haus in der Bahnhofstraße fünf Gedenksteine ein. TV-Foto: Ludwig Hoff

Der normalen, unauffälligen Familie wurde in der Nazizeit ihre Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben schließlich zum Verhängnis. Ortschronist Thomas Müller: "Die Familienangehörigen haben deutsch gefühlt und auch so gelebt, nur hatten sie eine andere Konfession." Müller gibt zu bedenken: "Julius Meyer war Weltkriegsteilnehmer und sollte auf einmal kein Deutscher mehr sein. Daran ist der Mann zerbrochen." Tod im Ghetto von Lodz

Die Verfolgung durch die Nazis nahm derart schlimme Ausmaße an, dass sich die Familie gezwungen sah, 1937 die Saargemeinde Richtung Trier zu verlassen. Das Schicksal einer mit Wiltingen fest verwurzelten Familie nahm ihren weiteren, traurigen Lauf: Nach der Deportation 1941 endete es im Tod für das Ehepaar Berta und Julius Meyer sowie dessen Schwester Miriam Meyer im Ghetto Lodz (Litzmannstadt), so Thomas Müller. Nur den beiden in Wiltingen geborenen Kindern Gudella Meyer und Edmund Silverin Meyer glückte die Flucht vor dem Verderben, wie Ortschronist Thomas Müller von der Arbeitsgemeinschaft (AG) Wiltinger Geschichte in seinem Vortrag am Samstag im "Gasthaus Kratz" 30 aufmerksamen Zuhörern berichtete. Müllers Referat, das seine Zuhörer nicht unbeeindruckt ließ, war eine in der Verbandsgemeinde Konz bislang einmalige Feierstunde vorausgegangen, als der Kölner Künstler Gunter Demnig vor dem ehemaligen "Klosenhaus" - auch als "Judenhaus" bekannt - in der Bahnhofstraße fünf messingbeschlagene Steine in den Gehweg einsetzte. Diese Zahl steht für die fünf Familienangehörigen, deren man gedenkt. Fester Wille von Ortsbürgermeister Lothar Rommelfanger ist es, dass auch die Jugend Gelegenheit erhält, sich mit diesem Kapitel der Geschichte zu beschäftigen. Positiv sei die Aktion vom Gemeinderat aufgenommen worden. Über 10 000 Stolpersteine wurden deutschlandweit bereits eingesetzt. Gunter Demnig: "Wenn Angehörige zugegen sind, ist oftmals tiefe Trauer dabei, aber auch Freude, dass jetzt endlich etwas Greifbares da ist, weil es oft keine Grabsteine gibt." Das Haus ist unverändert

Heute bewohnen Andrea und Winfried Müller das Haus in der Bahnhofstraße. "Von Anfang an waren wir mit den Gedenksteinen einverstanden. Wir haben auch die Pflege der Stolpersteine übernommen", sagt Winfried Müller. Die Grundfläche des Hauses sei so gut wie nicht verändert worden. "Wäre Edmund Meyer hier dabei, hätte er das Haus bestimmt wieder erkannt." Mit Edmund Meyer habe er von 1996 bis 1998 einen regen Briefkontakt gehabt, berichtet Thomas Müller, nur sei dieser leider abgebrochen. Auch wisse er nicht, ob Edmund Meyer, der in der Nähe von London zu Hause ist, überhaupt noch lebt. Eine Einladung habe er an die bekannte Adresse gesandt, doch keine Antwort erhalten. Neben aller Trauer über die Geschehnisse beinhalten die Stolpersteine etwas Hoffnung. Auf denen der Kinder wurde eingraviert "Flucht 1939, Südafrika, überlebt." Am Samstag, 24. März, 13.30 Uhr, findet ein Rundgang über den geplanten, sechs Kilomter langen Geschichtslehrpfad statt. An insgesamt 25 Stellen werde zur Wiltinger Geschichte berichtet. Eine Station sind die neuen Stolpersteine in der Bahnhofstraße.

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