Schlicht, schön und charmant

Kanzem · Neugierig sind alle Besucher, die das frisch sanierte Weingut Cantzheim bei Kanzem besichtigen. Zum "Tag der Architektur" zeigen Anna Reimann und ihr Mann Stephan, welcher Schatz sich hinter den alten Mauern verbirgt.

Schlicht, schön und charmant
Foto: (h_ko )

Kanzem Wer sich in der lichtdurchfluteten Orangerie aus Glas und Stahl traut, hat schon mal einen ungewöhnlichen Einstieg ins Eheleben gefunden. Inmitten der Weinberge, die das Weingut Cantzheim umgibt, können sich Paare seit neuestem das Jawort geben. Die Idee dazu hatte die Stadt Konz, die offensichtlich ein Faible für Kunst und Architektur hat und Paaren an ihrem Hochzeitstag etwas Besonderes anbieten will. Anna Reimann und ihrem Mann Stephan ist die Aufmerksamkeit recht. Schließlich gaben sich fünf Jahre lang Bauarbeiter und Handwerker die Klinke in die Hand, bis aus dem maroden Gutshaus des Klosters Wadgassen aus dem Jahre 1740 ein modernes Anwesen mit Gästezimmern, Privatwohnung und Vinothek entstand. Noch immer ist nicht alles 100prozentig fix und fertig. Aber fast. Eingerahmt von der neuen Orangerie im Westen und der neuen Remise im Osten ragt das renovierte Barockhaus imposant gen Himmel. Ein Dreiklang, den der international renommierte Schweizer Architekt Max Dudler (Berlin) so konzipiert hat. Gartenarchitekt Bernhard Korte (Grevenbroich) gestaltete die Grünflächen des 5800 Quadratmeter großen Grundstücks im Einklang mit der Architektur: heimische Gehölze, Rebstöcke, Platanen zwischen Remise und Haupthaus, Sonnenblumen, ein Staudenbeet vor der Orangerie. Kurzum, ein Ort zum Wohlfühlen für Familie Reimann. "Wir, meine Eltern und die meines Mannes sind Architektur- und Gartenfreunde. Hinzu kommen Kunst und Wein. Das ist eine Supermischung", freut sich Anna Reimann, die selbst einmal Gartenbauwissenschaften studierte und zweifellos ein Auge für Details hat. Wohin die Besucher beim "Tag der Architektur" auch blicken, die Materialien sind stets und überall dieselben: viele Böden und Treppen bestehen aus Terrazzo - ein bereits seit der Antike bekannter Belag - Kirsche dominiert in Stühlen und verbauten Holzelementen.Ein besonderer Ort bleibt allerdings tabu: die frühere Kapelle der Prämonstratensermönche. Der kleine gewölbte Raum, senkrecht über zwei historische Lichtschächte beleuchtet, ist das private Esszimmer der Familie Reimann. Schade eigentlich. Dafür dürfen die Gäste durch den nicht minder beeindruckenden Gewölbekeller streifen, sich dort über das angenehme Klima freuen, die Gästeräume begutachten sowie die Kunstsammlung von Georg Thoma und seiner Frau, den Eltern von Anna Reimann, bewundern. Mondänität an weißen Wänden.Nur ihren Wein produzieren die Reimanns nicht in Cantzheim. "Wir haben den Kanzemer Betrieb von Johann Peter Reinert gepachtet. Er hat aus Altersgründen aufgehört und mich gefragt, ob ich sein Weingut übernehme. Dort ist unsere Produktion und unser Lager." Der Zusatzeffekt: Vier Hektar beste Lagen darf Anna Reimann jetzt bewirtschaften. Draußen knallt die Sonne auf die helle Fassade des Gutsgebäudes. "Der Sandsteinton, das schwarze Schieferdach, die grauen Holzfensterläden, diese Farben sind die Traumfarbgebung der Denkmalpflege", sagt Anna Reimann. "Und mit der haben wir in jeder Bauphase eng zusammengearbeitet." Um das richtige Material und die exakte Farbwahl ging es Architekt Dudler übrigens auch bei der zweigeschossigen Remise, die zwei Gästezimmer beherbergt. "Wir wollten etwas finden, was sich in die Landschaft einfügt. Und so kam die Idee auf, die Remise aus Stampfbeton zu bauen. Eine Reminiszenz an die alten Weinbergshäuschen, die oft aus Lehm gemacht wurden", so Reimann. Zwei prominente Nachbarn haben ihren Antrittsbesuch bei den Reimanns übrigens schon gemacht. Fernseh-Moderator Günther Jauch und seine Frau Thea, die das Weingut von Othegraven nebenan besitzen, kreuzten vergangenes Jahr im Juni in ihrem Oldtimer auf. "Sie haben uns einen Blumenstrauß geschenkt und wir haben uns total gefreut."Mehr zum "Tag der Architektur" auf Extra: HISTORIE DES WEINGUTES CANTZHEIM

 Viele Neugierige schauen sich am „Tag der Architektur“ das Weingut Cantzheim an. Das Barockhaus (links) stammt ursprünglich von 1740 und wurde komplett renoviert. Die Orangerie (rechts) ist ein moderner Bau aus Stahl und Glas. TV-Fotos (5): Verona Kerl

Viele Neugierige schauen sich am „Tag der Architektur“ das Weingut Cantzheim an. Das Barockhaus (links) stammt ursprünglich von 1740 und wurde komplett renoviert. Die Orangerie (rechts) ist ein moderner Bau aus Stahl und Glas. TV-Fotos (5): Verona Kerl

Foto: (h_sab )

1381: Das Prämonstratenser-Kloster Wadgassen erwirbt Weinberge in Kanzem. 1740: Das Gutsgebäude wird am Fuße dieser Weinberge von dem Kloster erbaut. 1802: Das Weingut gelangt in Privatbesitz im Zuge der Trennung zwischen Kirche und Staat. 1884: Das Weingut wird vom Trie rer Priesterseminar erworben. 1999: Das Trierer Priesterseminar verkauft das Gebäude. Eine Privatperson kauft es. 2007: Der Neusser Rechtsanwalt Georg Thoma, Vater von Anna Reimann, erwirbt das Gutshaus. Das Anwesen gilt als "bedeutendes Dokument eines barocken klösterlichen Weinbaubetriebs". Juni 2017: Anna Reimann, die Tochter von Thoma, präsentiert im sanierten Weingut Cantzheim ihren ersten Jahrgang. Quelle: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Wernersche Verlagsgesellschaft, 1994.

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