Geschichte Von der Angst hinter Bunkermauern - Westwallmuseum in Konz öffnet seine Tore

Konz · Im Bunker „Villa Gartenlaube“ in Konz erinnert eine Privatinitiative an ein schmerzhaftes Stück Geschichte. Das Westwallmuseum will an zwei Tagen mit einer Sonderausstellung etwas gegen die Verharmlosung von Kriegen tun.

 Relikte aus einer Zeit, die nie wieder zurückkommen soll.

Relikte aus einer Zeit, die nie wieder zurückkommen soll.

Foto: Rainer Neubert

Auf das alte Grammphon im Mannschaftsraum des Bunkers ist Sascha Berweiler besonders stolz. „Das haben wir aus Luxemburg geschenkt bekommen“, erzählt der ehemalige Zeitsoldat, während er eine Schallplatte aus der Zeit auflegt, in der das in einem Konzer Hinterhof versteckte massive Bauwerk aus Stahlbeton gebaut wurde. Das war 1937, nur wenige Monate vor dem Ausbruch des größten Kriegs der Menschheitsgeschichte.

„Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein. Und das heißt Erika ...“ Bei den im Marschtakt erklingenden kratzigen Tönen eines Männerchores ist Gänsehaut garantiert. Schwarz-weiße Bilder von marschierenden Soldaten drängen sich ins Gedächtnis in diesem 7,8 Quadratmeter großen Raum, der von 100 Zentimeter dicken Stahlbetonwänden begrenzt wird. „Das ist der Mannschaftsraum für fünf Soldaten, in dem gegen Ende des Krieges bei Luftangriffen bis zu 25 Menschen Zuflucht gesucht haben.“ Berweiler weiß das und noch viel mehr zur Geschichte der Villa Gartenlaube („Jede Besatzung hat ihrem Bunker einen Namen gegen“) und der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Konz. Zeitzeugen haben ihm viel von damals berichtet und auch das eine oder andere Zur zur Ausstattung des Westwallmuseums beigetragen, das seit drei Jahren ein Fenster in die Vergangenheit öffnet.

„Wehrmacht ... denn so was?“ Sascha Berweiler – er hat die Anlage 2014 für 500 Euro gekauft und nach eigener Aussage inzwischen 25 000 Euro in Sanierung und Ausstattung investiert – weiß, dass dieser Titel für eine Sonderausstellung (10. bis 13. Mai) provoziert und aufhorchen lässt. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, weil wir in Zeiten des aufkommenden Nationalismus und zunehmender politischer Unsicherheit zeigen wollen, wohin dieser Weg führen kann.“ Auch wenn in den vier Räumen des Bunkers (Gasschleuse, Mannschaftsraum, Munitionsraum und  Kampfraum) zahlreiche Artefakte des Soldatenlebens gezeigt werden, geht es hier nicht um dessen Verherrlichung. „Unser Anliegen ist es, die Geschichte lebendig zu halten, damit sich ein solch schreckliches Ereignis nicht noch einmal wiederholt.“ Wenn sich bei den Führungen durch einen der letzten der einst 156 Bunker des ehemaligen Westwalls allein im Gebiet der Verbandsgemeinde Konz die niedrige Eingangstür aus vier Zentimeter dickem Panzerstahl schließt und Berweiler die Innenbeleuchtung des engen Raums auf das einst realistische Halbdunkel dimmt, kommt Beklemmung auf. Kinder dürfen dann an der schweren Kurbel der großen manuellen Frischluftpumpe kurbeln, um sich abzulenken. „So war es auch damals, als die Menschen hier Zuflucht gesucht haben“, weiß der Hobby-Historiker, der seit dem Ende seiner Zeit bei der Bundeswehr als Buchbinder in Luxemburg arbeitet. „Das hat die Kinder nicht nur ruhig, sondern auch müde gemacht, wenn die Leute hier eng gedrängt mehr als einen Tag verbringen mussten.“

Für Notfälle gab es im noch viel engeren Nachbarraum eine Bunker­apotheke. Das  Lazarett für Soldaten und die Zivilpersonen befand sich nur einige Hundert Meter entfernt, im Kloster Karthaus. Wie schlecht die medizinische Versorgung während des Kriegs war, wollen Sascha Berweiler und seine 30 Mitstreiter beim Projekt Westwallbunker bei der dritten Sonderausstellung seit der Eröffnung 2015 in dem ehemaligen Stall für die Meldepferde zeigen, der sich unmittelbar neben dem wehrhaften Bauwerk befunden hat. Dort wird der Nachbau eines kompletten Feldlazaretts gezeigt und von einer Krankenschwester in Originaltracht erklärt. Weil der Stall nach dem Ende des Krieges als Schutthalde genutzt wurde und bis zur Decke aufgefüllt war,  mussten bislang 76 Tonnen Erde und Steine abgeräumt werden. „Wir bringen das auf ein großes Grundstück bei Holzerath, um dort ein Refugium für Wildtiere zu gestalten.“

Keramikteile, Tierknochen oder Scherben einer alten Porzellanpfeife haben die Hobbyarchäologen bei den anstrengenden  Schachtarbeiten gefunden. Als vor vier Jahren die Überreste des gesprengten Kampfraums für das große Maschinengewehr MG 34 aus den erhaltenen Bunkerräumen geschafft werden mussten, waren die Funde brisanter. „Wir sind damals auf 200 Schuss Munition und 25 Eiergranaten gestoßen“, erinnert sich Berweiler. Eine davon war nicht scharf, die ist nun in einer der zahlreichen Vitrinen zu sehen, in der militärische und zivile Zeugnisse der Kriegszeit gezeigt werden. Auch im ehemaligen Mannschaftsraum und Zivilschutzbunker lohnt sich der Blick aufs Detail.

 Im Westwallmuseum Konz, der „Villa Gartenlaube“, wird an die Zeit des Zweiten Weltkriegs erinnert.

Im Westwallmuseum Konz, der „Villa Gartenlaube“, wird an die Zeit des Zweiten Weltkriegs erinnert.

Foto: Rainer Neubert

Wenn dann noch das Grammophon alte Marschmusik knisternd in den Steinsarkophag plärrt, dann ist die Illusion tatsächlich greifbar. „Wehrmacht ... denn so was?“ Wer Antworten auf diese Frage sucht, sollte die Chance nutzen.

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