Rechtsextremismus So tickt die Identitäre Bewegung: Rechtsextreme wollen Jugendliche im Kreis Trier-Saarburg beeinflussen

Konz · Verfassungsschutz und Polizei haben seit 2012 immer wieder mit der Identitären Bewegung zu tun. Im Kreis Trier-Saarburg ermittelt die Staatsanwaltschaft zurzeit gegen mehrere Aktivisten wegen Sachbeschädigung. Diese vermeintlich kleinen Delikte stehen im Gegensatz zu den großen Zielen der Gruppierung.

 Als Erkennungszeichen verwendet die Identitäre Bewegung das griechische Lambda, einen rechten Winkel in einem Kreis. Es ist eine Anspielung auf das antike Sparta, wo die Elitekämpfer, die Hopliten, das Symbol auf ihrem Schild getragen haben sollen, als sie 480 vor Christus die Perser am Thermopylen-Pass bekämpften.

Als Erkennungszeichen verwendet die Identitäre Bewegung das griechische Lambda, einen rechten Winkel in einem Kreis. Es ist eine Anspielung auf das antike Sparta, wo die Elitekämpfer, die Hopliten, das Symbol auf ihrem Schild getragen haben sollen, als sie 480 vor Christus die Perser am Thermopylen-Pass bekämpften.

Foto: picture alliance/dpa/Joel Goodman

Auf den ersten Blick sieht der Aufkleber, der vor wenigen Wochen an etlichen Stellen in Konz angebracht war, unverfänglich aus: „732. 1529. 1571. 1683. Islamisierung nicht mit uns“, steht darauf. Was das bedeuten soll, sagt wohl nur Menschen etwas, die sich richtig gut in der Geschichte auskennen: 732 besiegten die Franken unter Karl Martell bei der Schlacht von Tours und Poitier ein muslimisches arabisches Heer. 1529 und 1683 belagerten die Osmanen zweimal Wien – ohne Erfolg. 1571 gewann eine von Papst Pius geführte Flotte eine Seeschlacht gegen die Osmanen. Alle drei Daten stehen für historische militärische Erfolge gegen muslimische Aggressoren. Die Aufkleber, so die gängige Interpretation, ziehen eine Parallele zwischen historischen Angreifern muslimischen Glaubens mit heutigen Flüchtlingen, militärische Invasoren werden verglichen mit Menschen, die vor Kriegen geflohen sind.

Solche Botschaften, die Anfang September an etlichen Stellen in Konz, vor allem im Bereich des Schulzentrums, zu finden waren, stammen von der Identitären Bewegung (IB). Obwohl der Verfassungsschutz die Gruppierung seit 2014 beobachtet, vertreibt die IB diese und ähnliche Aufkleber sowie Plakate und T-Shirts mit Propagandamaterial auf ihrer Internetseite. Seit 2014 ist die IB ein eingetragener Verein, angemeldet beim Amtsgericht Paderborn. Laut Satzung erhalten die Vorstandsmitglieder eine monatliche Vergütung von maximal 4000 Euro. Die beiden Vorsitzenden sind laut dem Paderborner Vereinsregister Nils Altmieks, ein 30-jähriger Bauingenieur aus Franken, und Daniel Fiß (25), Student der Politikwissenschaft in Mecklenburg-Vorpommern.

In der Region Trier fallen die rechten Aktivisten laut Bericht des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes seit 2015 auf. Zuletzt wurden laut dem Bericht am 27. Oktober 2017 nahe der Porta Nigra Pappfiguren, Stellwände und Spruchbänder aufgestellt. Eine genaue Mitglieder- oder Anhängerzahl können die Verfassungsschützer nicht nennen. Sie schätzen sie aber auf einen niedrigen zweistelligen Bereich. Trotzdem fällt die IB immer wieder mit Aktionen wie in Konz oder Trier auf. Auch bei den regelmäßigen Demonstrationen von Rechten im südpfälzischen Kandel, wo am 27. Dezember 2017 ein junger Flüchtling aus Afghanistan seine 15-jährige Exfreundin erstochen hatte, sind oft Banner der IB zu sehen.

Identitäre Bewegung im Raum Trier. Auf Anfrage bei der Polizei in Trier erklärt Pressesprecher Karl-Peter Jochem, dass die IB „immer mal wieder mit solchen Aktionen wie in Konz auf sich aufmerksam macht“. In der Kriminalstatistik werde zwar der rechte Hintergrund von Straftaten registriert, aber nicht die Gruppierung, die dahinterstecke. Deshalb könne er nicht sagen, wie viele Straftaten mit der IB zusammenhängen. Bei den Aktionen der Gruppierung seien zudem oftmals keine Straftatbestände erfüllt. „Dies war auch in Konz der Fall“, sagt er in Bezug auf die Aufkleber. Inhaltlich ist es keine Volksverhetzung. Zudem ließen sich die Sticker entfernen, ohne Spuren zu hinterlassen. Somit handelt es sich nicht um eine Sachbeschädigung. Das heißt jedoch nicht, dass alles, was die IB-Anhänger machen, legal ist.

Ermittlungen. Der Leitende Oberstaatsanwalt in Trier, Peter Fritzen, berichtet von Ermittlungen gegen drei Mitglieder der IB im Raum Trier. Im Februar 2017 wurde zum Beispiel die Wohnung eines damals 22-jährigen Eifelers durchsucht. Der Mann war vorher wegen seiner Posts unter dem Pseudonym D3nniz-Identitär im sozialen Netzwerk Instagram aufgefallen, die einen Zusammenhang mit einer Sprühaktion der Identitären im Juni 2016 in Konz vermuten ließen (der TV berichtete). Ermittelt wurde gegen den Mann wegen Sachbeschädigung bei der Aktion in Konz und einer vergleichbaren Aktion in Hermeskeil vom August 2016. In beiden Städten waren an mehreren Stellen auf dem Straßenbelag und auf Gehwegen gegen Einwanderung gerichtete Parolen mit dem Zeichen der IB aufgesprüht worden. Eine Beteiligung an der Sprühaktion in Konz konnte dem Beschuldigten laut Fritzen nicht nachgewiesen werden. Dieses Verfahren sei eingestellt worden. In Hermeskeil gebe es einen hinreichenden Tatverdacht, sagt Fritzen. Das habe eine Auswertung der Durchsuchung in der Wohnung des Mannes ergeben. Die Beseitigung der Sprüche, die mit Sprühkreide aufgetragen wurden, habe 200 Euro gekostet. Der Beschuldigte habe seinen Tatbeitrag als Anstifter zur Sachbeschädigung gestanden, sagt Fritzen. Der Mann war bis dahin nicht vorbestraft, der Inhalt der Parolen strafrechtlich nicht relevant. Deshalb sei das Verfahren Anfang Juni vorläufig eingestellt worden – gegen die Auflage, gemeinnützige Arbeit zu leisten und den Schaden wiedergutzumachen. Endgültig werde eingestellt, wenn die Auflagen erfüllt seien. Die bei der Wohnungsdurchsuchung sichergestellten Gegenstände ziehen laut Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Sachbeschädigung gegen zwei weitere mutmaßliche IB-Mitglieder nach sich, die möglicherweise an der Aktion in Hermeskeil beteiligt waren. Beide nutzen laut Staatsanwaltschaft ihr Schweigerecht. „Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Fritzen.

Ideologie. Obwohl die Botschaften nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen und viele Aktionen der IB strafrechtlich „nur“ als Sachbeschädigungen, Haus- oder Landfriedensbruch relevant sind, beobachtet der Verfassungsschutz die IB: „Die Positionen der Identitären sind vor allem von einer zum antimuslimischen Rassismus tendierenden Islamfeindlichkeit geprägt“, heißt es in einer Broschüre, die der niedersächsische Verfassungsschutz veröffentlicht hat. Die IB ist darin als rechtsextreme Gruppierung gezeichnet, die nicht dauerhaft, sondern über Aktionen zusammenfindet: „Wenngleich der Begriff Rasse nach außen hin vermieden wird, ist die Parallele zur rechtsextremistischen Blut-und-Boden-Ideologie offenkundig“, steht in der Broschüre.

Doch der Ansatz der IB ist subtiler als der anderer rechtsextremer Vereine. Die Mitglieder brüllen nicht „Ausländer raus!“ Sie verschleiern diese Botschaft hinter Begriffen wie Ethnopluralismus. Gemeint ist damit letztlich eine Rassentrennung im Sinne eines Apartheidsystems. Dieses Beispiel macht den Ansatz der IB deutlich: „Wir führen einen Kampf um Begriffe, um das Sagbare, letztlich auch um das Denken“, schreiben sie auf ihrer Homepage. Und die IB kämpft nicht um die etablierte Politik, sondern um die Jugend: Sie wolle kulturelle Angebote für jugendliche Europäer ohne Migrationshintergrund schaffen, schreibt der Verein auf seiner Homepage. Diese Jugendlichen würden vom Establishment vergessen. Vor diesem Hintergrund ist es wohl kein Zufall, wenn die Aktivisten – wie im Fall der Konzer Aufkleber – im Umfeld von Schulen zuschlagen.

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