Wildfraß wird zum Politikum

Trier · Die Wildschäden in den Weinbergen der Mosel sind in diesem Jahr enorm. Der Winzerverband spricht von Millionenschäden. Am Montag hat es das Thema auf die Tagesordnung des Kreistags Trier-Saarburg geschafft. Das Ergebnis: Plädoyers für Nachtsichtgeräte und Gesetzesänderungen.

 Hier haben Wildschweine und Rehe zugeschlagen: Zum Teil sind die Hänge an Saar, Mosel und Ruwer komplett abgefressen. TV-Foto: Christian Kremer

Hier haben Wildschweine und Rehe zugeschlagen: Zum Teil sind die Hänge an Saar, Mosel und Ruwer komplett abgefressen. TV-Foto: Christian Kremer

Sie sind Jäger, Vorsitzende von Jagdgenossenschaften, Winzer, ehemalige Förster oder Eheleute von Jägern. Etliche Kreistagsmitglieder bringen Kompetenz mit, wenn es um das Thema Wald-, Jagd- und Wildschäden geht. Die Probleme mit wachsenden Wildbeständen sind allseits bekannt. Wegen eines Briefes von Weinbaupräsident Rolf Haxel an alle Fraktionen wird das Thema zum Politikum.
In dem Schreiben schildert er die dramatische Situation etlicher Winzer wegen der Wildschäden und ruft die Politiker zum Handeln auf. Ein CDU-Antrag, das Thema zu diskutieren, bevor die Weinlese gelaufen ist, wird von einer breiten Mehrheit verabschiedet.
Plädoyer für Nachtsichtgeräte



Die Kommunalpolitiker fordern parteiübergreifend Gesetzesänderungen, die nur auf Bundes- und Landesebene durchzusetzen sind - zum Beispiel die Erlaubnis von Nachtsichtgeräten bei der Jagd. Außerdem müsse der Status von Wein als Sonderkultur aufgehoben werden.
Nur so würden Wildschäden in Weinbergen genauso bezahlt wie Schäden in anderen Feldern. CDU-Politiker Arnold Schmitt bittet die Verwaltung zudem darum, verstärkt gegen brachliegende, überwucherte Weinberge vorzugehen. "Die Drieschen sind das Wohnzimmer, und die Weinberge daneben das Esszimmer für die Schweine", sagt Schmitt. Er erwägt sogar, Saufänge zu erlauben, eine Käfigfalle für Wildschweine, die umstritten ist. Viele Jäger gehen davon aus, dass Schweine mit der Falle gequält werden. Auch Landrat Günther Schartz lehnt diese Idee aus ethischen Gründen ab.
Sein Appell: "Leute, esst mehr Wildschwein!" Das ist für ihn kein Scherz. Der Preis für Wildfleisch sei im Keller - nur wenn die Nachfrage und mit ihr der Preis steige, lohne sich die Jagd auf die Tiere, die für viele zur Plage geworden sind.
Neben milden Wintern und verstärktem Maisanbau sieht Schartz vor allem einen weiteren Grund, der das Problem verstärkt. Einer davon ist vom Menschen hausgemacht.
Das Wild sei nicht mehr ungestört in den Wäldern. Jogger, Spaziergänger, Wanderer und Gutachter, die wegen der Energiewende unterwegs sind, verdrängten das Wild und verhinderten auch ungestörte Jagden.
Zum Thema Sonderkultur verweist er auf den Einzelfall: "Jede Jagdgemeinschaft kann mit dem Pächter vereinbaren, dass der Status der Sonderkultur aufgehoben wird." Eine von Saarwinzern beantragte Zwangsjagd habe der Kreis abgelehnt, weil es nicht genug Jäger dafür gebe, sagt Schartz. Der Landrat führt aber am Donnerstag, 8. November, ein Gespräch mit Jägern, Winzern und Landwirten, am Freitag, 9. November, ist eine Sitzung des zuständigen Agrar- und Weinbauausschusses angesetzt. Allerdings warnt er: "Es werden nicht von heute auf morgen 1000 Schweine weniger sein."Meinung

Erfassen und Jagden anordnen
Die aktuelle Wildplage kann nicht vom Schreibtisch aus gelöst werden, aber die Politik muss die Grundlagen schaffen. Die Erlaubnis von Nachtsichtgeräten bringt zum Beispiel nur bedingt etwas. Die Jäger könnten weiterhin nur auf ein Tier aus einer Rotte schießen. Eine Plage wird so nicht beseitigt. Den Sonderstatus von Wein abzuschaffen, könnte nach hinten losgehen. Schließlich zahlen oft die Jagdgenossenschaften, in denen auch die Winzer vertreten sind, bei Wildschäden mit. Müssten sie sich zum Teil den Schaden selbst ersetzen? Wird er konsequent verfolgt, ist der Lösungsansatz der Kreisverwaltung sinnvoll: Die Problemgebiete erfassen und dort regelmäßig revierübergreifende Treibjagden anordnen. c.kremer@volksfreund.deExtra

Jürgen Dixius (CDU), ehemaliger Förster: "Ich gehe davon aus, dass die Gebiete mit Schäden in Weinbergen identisch mit denen sind, die Schäden im Wald aufweisen. Da könnte man Jagden anordnen." Alfons Maximini (SPD) hat am Landesjagdgesetz mitgearbeitet: "Für die Region ist der Weinbau keine Sonderkultur, sondern eine Standardkultur. Das muss beachtet werden." Hugo Kohl (FWG): "Wir haben auch einheimische Jäger, die ihren Pflichten nicht nachkommen." Heide von Schütz (Bündnis 90/ Grüne), deren Mann Jäger ist: "Entweder warten wir auf einen strengen Winter oder stellen einen Antrag - da passiert aber nichts. Es ist ein bundesweites Problem: Sauen können nicht gut bejagt werden." Roman Niewodniczanski (FDP), Winzer: "Wir haben Belastungen von einigen Hunderttausend Euro. Dass Wein eine Sonderkultur ist, basiert auf einem Gesetz aus dem 19. Jahrhundert. Damals gab es eine halbe Sau pro Hektar, heute sind es acht." cmk

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