Landwirtschaft Ferkel-Deal erleichtert Landwirte und empört Tierschützer
Berlin/Trier · Kritiker sprechen von „Verrat am Tierschutz“: Zwei Jahre länger als geplant soll es erlaubt bleiben, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren.
Rund 20 Millionen männliche Ferkel werden in Deutschland jährlich kastriert – ohne Betäubung. Lediglich ein Schmerzmittel wird ihnen gespritzt. Eine umstrittene Praxis, mit der 2019 Schluss sein sollte. Das Verbot war bereits mit der Reform des Tierschutzgesetzes 2013 beschlossen worden.
Doch nun kommt alles anders. Die große Koalition in Berlin geht auf die Wünsche aus Landwirtschaft und Fleischindustrie ein und will das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration verschieben. Die Fraktionen sollen dafür im Bundestag eine Initiative mit dem Ziel auf den Weg bringen, die Übergangsfrist um zwei Jahre zu verlängern.
Nach jetzigem Stand ist es ab dem 1. Januar 2019 verboten, Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, mit dem Kompromiss sei nun auch in Zukunft Ferkelzucht in Deutschland möglich. Der Bauernverband hatte auch angesichts der generell schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Schweinehalter dringend für eine Verschiebung geworben.
Schweinezüchter freuen sich über die Entscheidung. „Es gibt einfach noch keine praxistauglichen Verfahren“, betont Gerhard Saar, Geschäftsführer vom Verband für Schweineproduktion Rheinland-Pfalz-Saar mit Sitz in Idenheim (Kreis Bitburg-Prüm). Man warte darauf, dass Mittel für die lokale Betäubung erforscht und zugelassen würden.
Aktuell sind drei alternative Kastrations-Verfahren zugelassen. Erstens: die Immuno-Kastration – eine Impfung gegen Ebergeruch, durch die sich die Hoden zurückbilden. „Meine Abnehmer wollen das dem Verbraucher nicht zumuten“, sagt Saar. Zweitens: eine Betäubung mit Vollnarkose, die für Schweine allerdings ähnlich belastend sei wie für Menschen. „Das ist für die Betriebe auch finanziell nicht zu leisten“, sagt der Verbandschef. Und drittens: die Ebermast, die allerdings das Risiko mit sich bringt, dass geschlechtsreife Eber geschlachtet werden. „Das Fleisch ist überaus unschmackhaft“, sagt Saar. Er geht davon aus, dass es innerhalb der Zwei-Jahres-Frist gelingen wird, Medikamente für die lokale Betäubung zuzulassen, die die Landwirte den Ferkeln nach einer Schulung dann selbst spritzen könnten. Das sei in der Praxis gut umzusetzen und werde in Schweden und Dänemark bereits länger praktiziert.
Tierschützer fordern hingegen, es beim geplanten Verbotsdatum zu belassen, um „Ferkelqual“ nicht zu verlängern.
„Es ist ein schmutziger Deal. Der minimalste Tierschutz, den Ferkeln eine Betäubung zu gewähren, wird für den CSU-Wahlkampf in Bayern geopfert“, kritisierte der Sprecher für Agrarpolitik der Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff.
„Was der Koalitionsausschuss beschlossen hat, ist Verrat an den Ferkeln und Verrat am Staatsziel Tierschutz und wurde offenbar wie auf einem Basar in die Pokerrunden um Diesel und Zuwanderung eingepreist“, sagte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder. Im Grunde verstoße das gesamte Schweinehaltungssystem mit Ferkelkastration, Kupieren der Schwänze, Schleifen der Zähne und der Kastenhaltung von Sauen gegen geltendes Recht, betonte Schröder anlässlich des Welttierschutztages am Donnerstag.
Julia Klöckners Bundesagrarministerium begrüßte die verlängerte Übergangsfrist. „Ferkelproduktion soll auch künftig in Deutschland möglich bleiben. Ohne eine Fristverlängerung würden die Sauenhalter in Deutschland aber Wettbewerbsnachteilen gegenüber ausländischen Wettbewerbern ausgesetzt sein“, teilte das Ministerium mit.
Im Bundesrat hatten Initiativen, die bisherige Praxis noch bis Ende 2020 oder sogar Ende 2023 zu ermöglichen, kürzlich keine Mehrheit gefunden. Aus der Union wurden daraufhin Rufe laut, im Bundestag einen weiteren Anlauf für eine Verschiebung des Verbots zu nehmen.