100 Jahre in 90 Minuten - Gruppe International zeigt Revue im Trierer Brunnenhof - Premiere am 27. September

Trier · Drei Chöre, viele Darsteller und 100 Jahre allgemeine und persönliche Geschichte verspricht das Theaterkollektiv Gruppe International bei der Premiere von "100 Jahre Krise" im Brunnenhof am 27. September. In Erinnerung an Louis Scheuer, einen Trierer Komponisten, will die Gruppe das Genre Revue wieder aufleben lassen.

Trier. Hochatmosphärisch und spektakulär soll es werden. Für die Aufführung von "100 Jahre Krise, eine Sensationsrevue nach Louis Scheuer" im Trierer Brunnenhof hat sich die Gruppe International viel vorgenommen. Und dafür wollen sie ein Genre wiederbeleben, das im frühen 20. Jahrhundert sehr gebräuchlich war, heute aber fast nicht mehr existiert: die Revue. Das bedeutet viel Musik und viele Menschen, die "im Zusammenspiel ornamentähnliche Strukturen bilden", so erklären es die Macher des Theaterstücks beim Werkstattgespräch (siehe Extra).
Die Idee sei entstanden, erzählt Max Brands, als man sich auf die Spuren des heute in Trier fast vergessenen Louis Scheuer begab. Dieser lebte bis 1936 in der Stadt, bevor er als Jude aus Trier vertrieben wurde. "Er bleibt für uns eine Legende", sagt Hannah Speicher, die zusammen mit Brands für die Texte verantwortlich ist. Denn Unterlagen über Scheuers Werk waren trotz intensiver Forschung nicht aufzufinden.
Also musste ein eigenes Konzept her. Und das entsteht nicht allein durch die Textschreiber Brands und Speicher, sondern auch mit Hilfe von Team und Darstellern. Die Entstehung des Stücks war und ist deshalb ein laufender Prozess. Derzeit arbeiten die Akteure noch in kleineren Gruppen. "Das Ganze wird nach und nach wie ein Puzzle zusammengefügt", erläutert Roman Schmitz.
Nicht nur stilistisch soll die Aufführung bombastisch werden. Auch inhaltlich haben sich die Macher ein hohes Ziel gesetzt. Nicht weniger als 100 Jahre, eben die im Titel genannten "100 Jahre Krise" sollen in einer Art Alphabet in nur 90 Minuten abgearbeitet werden. Da geht es um Kriege, Wirtschaftskrisen, Katastrophen, aber auch um Erfindungen wie den Kugelschreiber. Dazu sollen auch vermeintlich Nebensächliches sowie persönliche Geschichten der Darsteller Raum finden.
Mit dabei sind der Jazz- und Pop-Chor Trier, der gemischte Chor Lorscheid und der Männergesangverein Osburg. Diese Chöre versprechen eine große Vielfalt an Musik - von folkloristischen Liedern über Popmusik bis zur Heimatmusik.
Alle Darsteller sind Laien. Sie rekrutieren sich zum großen Teil aus den Akteuren, die schon bei früheren Aufführungen der Gruppe International aktiv waren. Im vergangenen Jahr wurde etwa "Stadt in Aufruhr" gezeigt, das unter anderem auch auf der Straße unter Einbeziehung der Zuschauer aufgeführt wurde. Das Alter der Darsteller liegt laut Hannah Speicher etwa zwischen 15 und 80 Jahren.
Damit das Zusammenspiel der Darsteller zur Geltung kommt, werden auch Videoaufzeichnungen eingesetzt. Hinter der Idee der Ornamentstruktur steht auch ein kritischer Ansatz: Der Soziologe Siegfried Kracauer verglich die Revue mit ihrem Zusammenspiel vieler Körper, die als einzelne kaum noch wahrnehmbar sind, mit der industriellen Produktion am Fließband.Extra

Die Gruppe International ist ein Kollektiv junger Theatermacher, die ihre Arbeit gemeinsam in Trier begonnen haben. Sie gründeten den Kulturverein Karussell. In die vergangenen beiden Inszenierungen wurden die Trierer Bürger miteinbezogen. Darin wurden auch politische Themen kritisch behandelt. 2011 ging es bei "Darf\\'s ein bisschen mehr sein?" um die Institution Die Tafel. 2013 folgte der theatralische Stadtrundgang "Stadt in Aufruhr". Aufführungstermine für "100 Jahre Krise": 27., 28. September, 2., 3., und 9. Oktober, jeweils 20 Uhr im Brunnenhof des Stadtmuseums Simeonstift. nojExtra

Die Revue ist eine Unterform des Musiktheaters. Anders als bei Musical oder Operette gibt es bei einer Revue keinen durchgehenden Handlungsstrang, sondern nur ein allgemeines Thema mit einer Aneinanderreihung verschiedener Darbietungen. Diese Gattung der Musikdarbietungen entstand im späten 19. Jahrhundert und erreichte ihren Höhepunkt in den 1920er Jahren. 1930 begann der Niedergang der Revue, die mit Beginn des Fernsehens nochmals einen Aufschwung erlebte. Heute werden Revuen noch in Varieté-Theatern wie dem Moulin Rouge oder in Las-Vegas-Shows gezeigt. noj

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