2000 Abende in der Oper

Hamburg/Trier · Wenn Franz Grundheber heute Abend in der Hamburger Oper bei "Aida" die Bühne betritt, feiert er ein außergewöhnliches Jubiläum: Es ist die 2000. Vorstellung, die er an seinem Stammhaus singt. Und auch sonst ist der in Trier geborene Sänger weiter mächtig gefragt - obwohl er dieses Jahr seinen Fünfundsiebzigsten feiert.

Hamburg/Trier. Das dürfte fast ein Fall für das Guinness-Buch der Rekorde sein: 2000 Opern-Abende an jenem Haus, an dem der junge Trierer Luftwaffenoffizier 1966 seine Militärlaufbahn gegen die ungewisse Zukunft eines Opernsängers endgültig eintauschte. 22 Jahre blieb Grundheber fest im Hamburger Ensemble, bevor er zu seiner späten Weltkarriere aufbrach. Seither hat er Hunderte von Vorstellungen an allen großen Häusern auf allen Kontinenten gesungen. Und blieb doch Stammgast an der Waterkant, wo er bis heute seinen Hauptwohnsitz hat - und jetzt den Zweitausender erklimmt.
Überraschende Buchführung


Eine aufmerksame Mitarbeiterin im künstlerischen Betriebsbüro hat genau Buch geführt - und so konnte die Hamburger Intendanz ihren Kammersänger vor ein paar Tagen mit der Jubiläumsankündigung überraschen.
Die riesige Vorstellungszahl hat damit zu tun, dass Grundheber keineswegs als Star in der Staatsoper am Gänsemarkt begonnen hat. "Ich habe alles gesungen, vom zweiten Gralsritter im Parsifal bis zum Deputierten im Don Carlos", erinnert sich der Bariton. Abend für Abend im Einsatz, mit einem unfassbar großen Repertoire. Erst Stück für Stück arbeitete er sich vor zu den großen Partien des deutschen und italienischen Bariton-Fachs. Um sie schließlich in dieser Kombination zu beherrschen wie kein zweiter.
Einige kraftraubende Rollen hat er in den vergangenen Jahren abgegeben, "Rigoletto" beispielsweise, und "Simon Boccanegra". Sich künstlerisch zu verausgaben und trotzdem sorgsam mit den stimmlichen und körperlichen Ressourcen umzugehen: Diese Fähigkeit beschert ihm das Glück, jenseits der Siebzig Partien wie etwa den Amonasro in "Aida", Wagners "Fliegenden Holländer" oder den Scarpia in Puccinis "Tosca" auf höchstem Niveau zu singen. Vor kurzem ist er in Wien quasi über Nacht als Parade-Bösewicht Jago in Verdis "Otello" eingesprungen - zur allseitigen Begeisterung. Da hört man es Franz Grundheber auch noch nach Tagen am Telefon an, wie viel Spaß das gemacht hat.
Eine Handvoll deutsche Partien hat er sich in den vergangenen Jahren neu erobert, richtige Schätze für den Herbst einer unglaublichen Karriere. Den Grafen Waldner in "Arabella", den Schigolch in "Lulu" - der Musiklehrer in "Ariadne auf Naxos" kommt demnächst dazu. Mit dem Moses in Schönbergs "Moses und Aron" hat er zuletzt weltweite Maßstäbe gesetzt - einmal mehr.
Mit 74 gefragt wie eh und je


Kurzum: Mit 74 ist der Mann aus Trier-Biewer gefragt wie eh und je, die Vertragsangebote reichen locker für die nächsten Jahre. Eines hat er sich freilich geschworen: Sollte die Stimme seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden, will er augenblicklich aufhören. Wer Grundheber in letzter Zeit gehört hat - etwa beim Gala-Konzert im Juli im Trierer Theater, wird sich über diese Frage bis auf weiteres keine Gedanken machen.
Was die Stadt Trier zum runden Geburtstag ihres prominentesten lebenden Bürgers am 27. September plant, ist noch nicht bekannt. Es kann aber sein, dass sich die Trierer Fans noch lange gedulden müssen, bis sie ihren Star in heimatlichen Gefilden wiedersehen. Das nächste fest terminierte Konzert findet erst am 9. März 2013 in St. Maximin statt, ist aber ein besonderer Leckerbissen: Mit dem Trierer Konzertchor und der Rheinischen Philharmonie Koblenz singt Franz Grundheber Auszüge aus Wagners "Parsifal".

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