Interview „Jazz ist keine Musik für Nebenbei“

Trier · 40 Jahre Jazzclub Trier: Über geschlossene Gesellschaften, konzentrierte Zuhörer und einen anstehenden Jazz-Gipfel.

 Der aktuelle Vorsitzende, Nils Thoma (rechts) und  sein Vorgänger Thomas Schmitt beim Interview.

Der aktuelle Vorsitzende, Nils Thoma (rechts) und  sein Vorgänger Thomas Schmitt beim Interview.

Foto: TV/Martin Möller

Das waren Zeiten, als eine kleine Gruppe Jazzbegeisterter im Trierer Weinhaus Ney den Jazzclub Trier gründete! Seit 1978 sind mittlerweile 40 Jahre vergangen, und der Club ist so quicklebendig wie eh und je. TV-Mitarbeiter Martin Möller sprach mit dem Gründungsvorsitzenden Thomas Schmitt und den aktuellen Vorsitzenden Nils Thoma.

Thomas Schmitt, 40 Jahre Jazzclub Trier. Welches Gefühl löst der Blick zurück bei Ihnen aus?

Thomas Schmitt: Es ist vor allem Genugtuung. Wir haben damals ein Forum aufgebaut für regionale wie große Musiker; später unter anderem Joe Zawinul, John Abercrombie oder John Taylor, deren Tod mich tief berührt hat. Oder Uli Beckerhoff, den ich 1978 bei einem unserer Konzerte im Trierer Exzellenzhaus kennengelernt habe. Wir beide haben die Idee des „Internationalen Workshops“ umgesetzt.

In der Gründungsphase – welche Stimmung herrschte da? War es Pioniergeist, war es Skepsis? Hat man das Projekt erst einmal herunter geredet?

Schmitt: Am 17. Februar 1978 traf sich eine Gruppe Jazzfreunde, unter anderem Bernd Schönhofen von CMI – „Circle Music Instruments“, im Trierer Weinhaus Ney. Und aus den Gesprächen hat sich die Idee eines Jazzclubs für Trier entwickelt. Unser erstes Jazz-Konzert fand am 23. Februar statt im Museum Simeonstift und mit dem Ed Kröger Trio. Im selben Jahr schon kamen dann Gruppen wie CHANGES mit Ed Kröger, RIOT mit Uli Beckerhoff oder Solisten wie Christoph Spendel ins Exzellenzhaus. Nein, heruntergeredet wurde nichts, wir waren guten Mutes.

Nils Thoma, als Sie 1997 nach Trier kamen, wie haben Sie den Jazzclub erlebt?

Nils Thoma: Der Jazz in Trier war aus meiner Sicht eine – sagen wir: ziemlich geschlossene Gesellschaft. Ich kam ja aus Köln. Da war die Jazz-Szene offen, mit zahlreichen Ideen, mit Künstlerpersönlichkeiten, die bereit waren, Neues zu probieren. Ich habe einige Zeit gebraucht, um zu verstehen, dass es in Trier ein Potenzial für Jazz gibt. Ich stieß dann auf sechs bis sieben funktionierende Bigbands, das sind schon allein beachtliche 120 bis 140 Musiker. Als ich 2003 Vorsitzender wurde, habe ich dann den Osterworkshop weitergeführt, den Thomas begonnen hatte.

War der Jazzclub integriert? Hatte man das Gefühl, er ist Teil der Trierer Kultur?

Thoma: Man muss konstatieren: Jazz hat immer etwas Elitäres. Es ist keine Musik, die nebenbei ablaufen kann. Da mussten wir in der Trierer Kultur einige Hürden nehmen, um akzeptiert zu werden.

Schmitt: Die Integration in die Trierer Politik ist uns nach 1978 recht rasch gelungen. Der damalige Bürgermeister Hans König, Rudolf Scharping, später Christoph Grimm und nicht zuletzt OB Helmut Schröer, aber auch viele andere haben uns Zugang zu Geldquellen vermittelt. Im Vertrauen auf diese Herren waren uns die ärgsten finanziellen Sorgen zunächst genommen.

Thoma: Seit ich vor 18 Jahren den Vorsitz übernahm, hat sich die Integration ins Trierer Kulturleben Schritt für Schritt verbessert. Die Jazz- & Rock School Trier, die der Jazzclub gegründet hat, wurde in die Städtische Musikschule übernommen – wer hätte sich vor 20 Jahren so etwas vorstellen können! Und eins kommt hinzu: 1999/2000 teilte sich der Jazzclub, und der Jazzclub Eurocore unter dem Vorsitz von Thomas entstand. Als ich 2003 Vorsitzender des verbliebenen Jazz-Clubs wurde, hatten wir rund 120 Mitglieder, nun, Anfang 2018, sind es knapp 400.

Mal abgesehen von den Mitgliederzahlen: Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Thoma: Wir haben die Konzertreihe im Brunnenhof weitergeführt und das Jazzfest zu Pfingsten am Dom gegründet, das findet 2018 zum 18. Mal statt. Wir haben die Jazz- & Rock School Trier und einen Jazz- & Pop-Chor aufgebaut und betreiben seit 2005 ein Label, das bis dato 17 viel beachtete CDs herausgebracht hat. Wir haben meine Jazz-Oper im Walzwerk mit großem Erfolg aufgeführt – also: da ist schon allerhand passiert. Seit zwei Jahren bauen wir eine Außenstelle „Jazz“ in Saarburg auf, die großen Zuspruch findet.

Ganz allgemein: Welche Gründe gibt es heute, sich für Jazz zu engagieren?

Thoma: Ich hatte es schon angedeutet. Jazz ist nichts für Nebenbei. Jazz fordert den konzentrierten Zuhörer. Und das ist in einer Welt, in der Musik sonst fast überall Hintergrundkulisse ist, ein wichtiges Merkmal. Wir als Jazzer vertreten eine offene, sich entwickelnde Musik, in der immer wieder Neues passiert.

Nun sind Jazzhörer eine hoffnungslose Minderheit. Nach den Umfragen des Instituts Allensbach für 2017 hören 4,75 Millionen Jazz sehr gern, 13,89 Millionen noch gerne, aber mehr als 50 Millionen ungern oder überhaupt nicht. Wie optimistisch sind Sie?

Thoma: Wir werden die Menschen, die Jazz nicht mögen, nicht bekehren können. Das ist schade, aber nicht schlimm. Wenn wir alle, die sich für diese Musik interessieren, erreichen können, ist das schon ein Erfolg.

Schmitt: Und alle, die sich auf gewohnten Klangstrukturen ausruhen, vielleicht sogar Melodien mitsingen wollen, sind bei modernerem Jazz am falschen Platz.

Was nehmen Sie sich für das Jubiläum vor?

Thoma: Schwerpunkt wird das Jazzfest zu Pfingsten am Dom sein, es findet am 19./20. Mai statt. Und außerdem bereiten wir gerade den Trierer Jazz-Gipfel in der Tufa vor. Er findet am 26. Januar, 20 Uhr in der Tufa statt. Dieses Mal werden acht Gruppen dabei sein, unter anderem mein Quintett „ad hoc“, „Groove Improve“ oder der Jazz- & Pop-Chor Trier. Die Bands spielen alle ohne Gage, aber trotz dieser Einschränkung mussten wir in der Vergangenheit Bewerber ablehnen, um den Zeitrahmen nicht zu sprengen, der Gipfel geht sowieso bis ungefähr Mitternacht.

Thomas Schmitt - Sie schauen und hören zu?

Schmitt: Ja, und das wohlwollend.

Nils Thoma – was wünscht sich der Jazzclub zum Geburtstag?

Thoma: Wir freuen uns auf ein sensationelles Jubiläumsprogramm mit vielen interessanten Facetten. Es klingt profan, aber das bedeutet natürlich Ausgaben. Ohne die finanzielle Unterstützung Dritter können wir nicht so arbeiten, wie wir uns das wünschen.

Zum 19. Mal findet am 26. Januar, 20 Uhr, in der Trierer Tufa der Jazzgipfel statt. Mit dabei sind die Bands ad hoc Bachband, Groove Improve, Hernoll Essences, Jazz- & Pop-Chor Trier, Poschenrieder-Schweigstill-Quartett, Tinnef, Winelight

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