Abgründe hinter heiterem Spiel

Trier · Er ist eine Ikone: Charlie Chaplin war nicht nur der beliebteste Stummfilmstar aller Zeiten, sondern auch eine der schillerndsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Filmgeschichte. Aus der Biografie des Mannes mit Melone, Stock und zu weiter Hose hat Sven Grützmacher ein Tanztheaterstück gemacht, das am Sonntag im Theater Trier Premiere hat.

 Stock, weite Hose und Melone waren sein Markenzeichen: Das Trierer Theater widmet dem Stummfilmstar Charlie Chaplin (Juliane Hlawati) ein Tanztheater-stück, inszeniert von Sven Grützmacher. Er will darin auch die Abgründe hinter Chaplins Komik ins Bewusstsein rücken. Foto: Marco Piecuch

Stock, weite Hose und Melone waren sein Markenzeichen: Das Trierer Theater widmet dem Stummfilmstar Charlie Chaplin (Juliane Hlawati) ein Tanztheater-stück, inszeniert von Sven Grützmacher. Er will darin auch die Abgründe hinter Chaplins Komik ins Bewusstsein rücken. Foto: Marco Piecuch

Foto: (g_kultur

Trier. Woher er sein typisches Outfit hatte, ist bis heute umstritten. Als wahrscheinlichste gilt unter den zahllosen Geschichten, die darüber im Umlauf sind, die folgende: Für seine Titelrolle im Kurzfilm "The Tramp" (der Vagabund) lieh sich Charlie Chaplin bei einem Kollegen und dessen Schwiegervater die zu weite Hose, eine Jacke und eine Melone. Nur den Stock und das angeklebte Bürstenbärtchen steuerte der damals mittellose Schauspieler selbst bei.
Die Figur des "Gentleman-Vagabunden" wurde zu seinem Markenzeichen. Bis heute prägt sie das Bild des Komikers und Filmstars, der sich wie kaum ein anderer auf jenes Lachen verstand, durch dessen Zahnlücken die Verzweiflung schimmert.
Zu lachen gab es erst einmal wenig im Leben des 1889 geborenen Charles Spencer Chaplin, und schon gar keine Sicherheit. Nicht einmal sein Geburtsort London ist verbürgt. Einen großen Teil seiner Kindheit verlebte der Sohn eines alkoholabhängigen Entertainers und einer wohl an Syphilis erkrankten Sängerin in Heimen und Armenhäusern. Schon als Kind musste er auf der Bühne stehen. Als Chaplin später sagt: "Armut ist Erniedrigung", weiß er, wovon er spricht.
Wahrscheinlich rührt daher auch sein bescheidener Lebensstil, den er beibehält, als er längst ein berühmter Schauspieler, Filmregisseur, Komponist und Produzent ist. "A case of do or die", bleibt das Leben des wohl einflussreichsten Komikers des 20. Jahrhunderts lange Zeit. Und auch später geht es viele Male darum, sich durchzukämpfen, um nicht unterzugehen.
Weltruhm mit Schattenseiten


Holprig beginnt sein Filmstart in Amerikas Traumfabriken. Aber schon bald arbeitet er sich zu einem der beliebtesten Stummfilmstars hoch. Mit Filmen wie "The Kid", "Der große Diktator" oder "Rampenlicht" gelangt er zu Weltruhm. Das strahlende Rampenlicht, in dem sich der Star seinem Publikum präsentiert, wirft allerdings riesige Schatten. Nicht allein seine Ehekriege und seine Zuneigung zu sehr jungen Frauen machen Negativschlagzeilen. Als vermeintlichen Kommunisten bespitzelt ihn das FBI über Jahrzehnte, bis dem Engländer schließlich nach einer Tournee die Wiedereinreise in die USA verweigert wird und er sich in der Schweiz niederlässt. Wo er - inzwischen Sir Charles Chaplin - 1977 stirbt.
Noch posthum muss der Ritter der Ehrenlegion, Oscargewinner und Träger zahlreicher Auszeichnungen, wenn nicht um sein Leben so doch um seine Ruhe bangen. Diebe stehlen seinen Sarg, um ein Lösegeld zu erpressen.
Die spannende Biografie der Stummfilmikone hat Sven Grützmacher jetzt als Tanztheaterstück für das Theater Trier gestaltet. Neben Chaplins schillernder Persönlichkeit fasziniert den Choreografen der Filmpionier Chaplin, der moderne Produktionsmethoden nutzte und als Regisseur ein Perfektionist war. Und nicht nur das: "Als einer der ersten hat Chaplin dramaturgisch gedacht", sagt Grützmacher. "Konsequent hat er seine Personenführung entwickelt und über den ganzen Film durchgeführt." Alles das habe er sich unter härtesten Bedingungen als Autodidakt erarbeiten müssen.
Was den Choreographen ebenso beeindruckt, ist der hintergründige Darsteller, der Mensch mit den zwei Gesichtern. "Hinter Chaplins Komik tun sich Abgründe auf", erkennt Grützmacher.
Für den Tanztheaterchef hat der Schauspieler kaum jemals seine Schutzmaske aus Komik und Spiel abgelegt. Im heimatlosen Tramp, der weiterziehen muss, wie im Diktator, der keiner sein will, glaubt der Choreograph, den wahren Chaplin zu erkennen. Den Menschenfreund, dem die Maske Schutz vor den Widrigkeiten des Lebens bietet. Eine zeitlose Figur, wie Grützmacher findet.
Premiere von "The Tramp", Sonntag, 17. Mai, 19.30 Uhr, Theater Trier, Großes Haus.
Karten: Theaterkasse unter Telefon 0651/7181818 und auf <%LINK auto="true" href="http://www.theater-trier.de" class="more" text="www.theater-trier.de"%>

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort