Abrechnung im trauten Heim

Trier · Am Sonntag kommen zur letzten Saison-Premiere im Trierer Theater drei Komponenten zusammen, die einen bemerkenswerten Abend versprechen: eine aus etlichen Fernsehproduktionen bekannte Hauptdarstellerin, ein junger Regisseur mit Lokalkolorit - und das erfolgreichste neue Familien-Stück der letzten Jahre.

 Gute Miene zum ganz schön bösen Schauspiel: Diana Körner und Regisseur Alexander May. Foto: Friedemann Vetter

Gute Miene zum ganz schön bösen Schauspiel: Diana Körner und Regisseur Alexander May. Foto: Friedemann Vetter

Trier. Familiendramen auf der Bühne oder im Film haben ein simples Erfolgsgeheimnis: Der Zuschauer betrachtet sie mit wohligem Schaudern, weil er einerseits manch Bekanntes wiederfindet, sich andererseits aber beruhigt zurücklehnen kann in dem Gefühl, dass es bei ihm zu Hause nun doch nicht ganz so schlimm zugeht. So war es bei Tennessee Williams, Arthur Miller und Eugene O\'Neill. Und so ist es auch bei Tracy Letts und seinem Pulitzerpreis-gekrönten Werk "Eine Familie", das seit 2007 vom Broadway aus einen sensationellen Triumphzug in die Theater der Welt angetreten hat. Anders als bei den älteren US-Dramen steht diesmal aber kein männlicher Patriarch im Zentrum der Familienaufstellung. Der Vater, ein im Alkohol-Dunst untergegangener, einst erfolgreicher Dichter, hat sich soeben umgebracht, und die Beerdigungsfeierlichkeiten liefern den Rahmen für die erbitterte, in kollektivem Chaos mündende Auseinandersetzung dreier erwachsener Töchter mit dem tablettensüchtigen Mutter-Monster Violet. "Eine Rolle, die man nicht ablehnen kann", sagt Schauspielerin Diana Körner. Vor 39 Jahren bekanntgeworden durch einen "Kommissar"-Auftritt, in mehr als 100 Produktionen von "Tatort" bis "Traumschiff" zu sehen, vom Publikum geliebt als Freundin von "Liebling Kreuzberg" oder Staatsanwältin im "Bullen von Tölz", dazu ein Dutzend Serienrollen und ein paar hochkarätige Spielfilme. Nicht zu vergessen regelmäßige Theaterarbeiten. Die Biografie legt den Begriff "Workaholic" nahe. Und jetzt, mit 66, tobt sie in Trier über die Bühne, lässt sich von ihrer Theatertochter Kerstin Thielemann - ebenfalls eine profilierte Fernseh- und Theaterschauspielerin - mit Wucht zu Boden schleudern. "Starke Szene, so kann es bleiben", ruft Regisseur Alexander May aus dem Dunkel des Zuschauerraums. May arbeitet zum ersten Mal im Trierer Großen Haus. Keine zehn Kilometer von hier, in Konz, ist er aufgewachsen. Einer, dem das Theater nicht unbedingt in die Wiege gelegt wurde. Steinmetz hat er gelernt, und sein Weg ans Regiepult war lang. Freier Schauspieler in Berlin, unzählige Assistenzjobs bei großen Regisseuren wie Peymann und Schlingensief. Und irgendwann im Süden der Durchbruch, Produktionen in München, Salzburg, Nürnberg. Mehrfach preisgekrönt. Unkonventionell. Erfolgreich, aber nicht etabliert.Ein Regisseur, der zuhören kann

Vielleicht wirkt er deshalb mit 40 immer noch auf den ersten Blick wie ein junger Wilder. "Er hat tolle Ideen und kann vor allem gut zuhören", lobt Diana Körner. "Ich freue mich, wenn die Schauspieler bei den Proben Angebote machen", sagt der so Gewürdigte, verweist freilich auch darauf, dass er für die Gestaltung der Charaktere schon seine "klaren Vorgaben" mache. Dass sich ausgerechnet ein stellenweise ganz schön böses Familiendrama zum Erfolgsstück der vergangenen Jahre - auch beim jüngeren Publikum - gemausert hat, war für May zunächst überraschend - sind doch Familien heute oft in Auflösung begriffen und nicht mehr Gegenstand permanenten "Abarbeitens". Aber dann sind ihm bei der Arbeit mit dem Stück die "toll gezeichneten Charaktere" aufgefallen, bei denen man "die Schauspieler eher bremsen muss, damit sie nicht gleich zu viel von ihrer Figur verraten". Dazu die Frage der familiären Bindung und Verantwortung, die Machtstrukturen - lauter zeitlose Themen. Mays Fazit: Das Stück biete "irre viel Futter". Aber es bediene auch ohne Scheu die voyeuristische Ader des Publikums, "fast wie eine Fernsehsoap". An Spannung dürfte es also ab Sonntag nicht fehlen. Bislang hat sich "Eine Familie" landauf, landab als Riesen-Publikumsrenner entpuppt. In Trier ist man vorsichtig, hat erst einmal sieben Aufführungen (15., 18., 20., 27., 29., 31. Mai, 4. Juni) angesetzt. Aber mit Zusatzvorstellungen hat man ja in dieser Saison reichlich Erfahrung. Das Theater Trier braucht einen Wohnwagen als Bühnenbild für das Musical West Side Story. Er sollte fahrbar und äußerlich in einer guten Form sein. Weiterhin werden für die Produktion auch funktionstüchtige Motorräder gesucht. Bitte melden unter 0651/7184460 oder per Mail ( peter.mueller@trier.de).

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