Abschied mit Antigone

Wenn Claudia Felix morgen Abend bei der Festspiel-"Antigone" als Ismene ins Amphitheater stürmt, ist es ihre letzte Premiere in Trier. Die 29-Jährige verlässt nach vier Spielzeiten und vielen großen Rollen das Theater - und begibt sich wie viele junge Schauspieler auf eine Reise ins Ungewisse.

Trier. Sie war Cyranos Roxane, Mackie Messers Polly, Frau Pfeffer im Märchen und Hilde Knef im Musical. An ihr Ein-Personen-Stück "Lola Blau" und die Uraufführung als "Madame Bovary" erinnert sie sich besonders gern. "Meine Babys" nennt sie diese Produktionen.

An Claudia Felix führte im Schauspiel der Ära Weber kein Weg vorbei. Mit dem frischen Diplom in der Tasche kam sie 2004 - und landete sofort im kalten Wasser der Hauptrollen. Sie sei froh über die "dankbaren Rollen", die man ihr anvertraut habe, sagt sie rückblickend bei einem Latte Macchiato im "Astarix". Aber erst jetzt, nach vier Jahren, "habe ich genug Erfahrung, dass man anfangen könnte, die Sache zu genießen".

Ihre unschuldig wirkende Schönheit hat sie oft auf die Partie der jugendlichen Naiven festgelegt, von Regisseuren auch gerne mal blond gelockt. Dabei sieht sie aus der Nähe gar nicht so madonnenhaft aus, eher grüblerisch als naiv. Das passt zu den Selbstzweifeln, von denen sie erzählt, und zum "tiefen Wunsch" nach der Aufmerksamkeit des Publikums - "und wenn es auch nur einer ist, den das berührt, was ich da mache".

Claudia Felix beschäftigt sich intensiv mit den Figuren, die sie verkörpert, liest viel, informiert sich über Hintergründe. Und ist dann manchmal frustriert, wenn der Regisseur die Sache ganz anders sieht. "Da bin ich wohl keine einfache Schauspielerin", sagt sie, aber es klingt nicht, als hielte sie das für einen Fehler: "Mir ist enorm wichtig, dass ich hinter dem stehen kann, was ich mache".

Wer so denkt, verliert in den ersten Berufsjahren meist ein paar Illusionen. Zum Beispiel, dass das Theater eine Art große Familie sei. Zwar habe sie von erfahrenen Kollegen wie Verena Rhyn und Peter Singer "viel gelernt, auch menschlich", aber Privates und Berufliches "sind eben nicht das gleiche". Gar nicht so leicht zu verstehen für jemanden, dem das Theaterspielen "etwas sehr Existenzielles" ist. Aber, sagt Claudia Felix ohne Bitterkeit, "eine gewisse Desillusionierung kann sich auch ganz gut anfühlen".

Vielleicht hat sie sich deshalb recht unaufgeregt damit abgefunden, dass ihr Vertrag in Trier nicht verlängert wurde. Sie sei sich mit Intendant Weber "einig gewesen, dass es Zeit für einen Wechsel ist". Freilich: "Ich wäre lieber gegangen, wenn ich schon was anderes gehabt hätte".

So steht sie erstmal vor einer ungewissen Zukunft. Kein neuer Job, nur ein Vorsprechen auf 75 Bewerbungen. Trotz des tollen Repertoires. Der Markt ist voll mit Schauspielern, die nach der Billiggehalt-Anfängerphase kein Engagement mehr finden. Kaum eine Branche hat so asoziale Regeln wie das Theater-Geschäft - jedenfalls für die Künstler. Aber darüber habe sie eigentlich nie viel nachgedacht, bekennt Claudia Felix.

Jetzt kann sie erst noch einmal das genießen, was sie als "tollstes Erlebnis meiner Trierer Zeit" beschreibt: die Antikenfestspiele im Amphitheater. Traumhaft sei es, in diesem Ambiente zu spielen. Und dann? "Mal sehen." Wer seit seinem dritten Lebensjahr vom Schauspieler-Dasein träumt, lässt sich von seiner Lebens-Perspektive nicht so leicht abbringen.

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