Adrenalinschub aus alter Zeit

Trier · Ein Konzert der kanadischen Rockband Saga ist wie ein großartiger alter Film, den man lange nicht mehr gesehen und dessen Stärken man schon beinahe vergessen hat - bis man wieder mit Adrenalin freisetzendem Schlag aufs Trommelfell an sie erinnert wird. 500 Fans in der Europahalle feiern die Zeitreise in die 80er.

 Druckvoll und souverän: Michael Sadler ist die Stimme von Saga. TV-Foto: Mandy Radics

Druckvoll und souverän: Michael Sadler ist die Stimme von Saga. TV-Foto: Mandy Radics

Trier. Sicher: Saga ist noch im Geschäft, Sänger Michael Sadler ist nach fünf Jahren Familienpause wieder da, ein neues Album mit dem Titel 20/20 gibt es auch. Grob gesagt interessiert das keinen Menschen. Trier löst sich aus dem Raum-Zeit-Kontinuum und springt zurück in die musikalisch oft unerträglichen und doch faszinierenden 80er - eine Zeit, in der die heute hier erschienenen Fans noch relativ ahnungslos nach Auslösern von Faszination und Begeisterung suchten und diese auch bei einer Band namens Saga fanden. "In Transit" war das erste Live-Album der Kanadier. Es ist vor 30 Jahren erschienen und bestimmt den Freitagabend in Trier.
Leise und mit Leidenschaft singt die Europahalle anstelle von Michael Sadler den Refrain, den ruhigen Teil von "Wind Him Up", Sagas möglicherweise bestem Song. "Wind him up, he can\'t stop, he\'s wound up tight just like the clock." Es ist dieser besondere kurze Moment in der schnellen Rocknummer, in der Sadlers gellendes Organ drei Gänge zurückschaltet und damit die Intensität exponentiell erhöht. Trier singt mit, die Fans kennen jede Zeile. Sadler hört zu. Schließlich sagt er nur: "Wie schön".
Es ist in jeder Faser zu spüren, wie sehr sich hier Menschen dar-über freuen, die in ihrer Intensität unwiederbringliche Begeisterungsfähigkeit der, sagen wir mal, frühen Lebensphase wieder anspringen lassen zu dürfen. Die Musiker wissen das natürlich auch und spielen die großen Songs, mit denen sie in den 80ern Stadien und Festivals füllten. "Careful where you step", "Humble Stance", "You\'re not alone" und das mächtige "On the Loose" lassen echte Freude aufkommen. Dabei baut die Band keineswegs nur auf die Macht der Erinnerung. Michael Sadlers Stimme ist so druckvoll und souverän wie bei der Premiere von Rock am Ring 1985, Jim Gilmour singt "Scratching the Surface" als wunderschönes Solo am Keyboard.
Ein kleines Wunder


Schlagzeuger Mike Thorne ist zwar erst seit diesem Jahr dabei, verschafft sich aber mit einem minutenlangen Solo dennoch gewaltigen Respekt - auch wenn es nicht das legendäre "A Brief Case" ist, in den sich Michael Sadler und Steve Negus auf "In Transit" 1982 duellierten. Aber einer fehlt, und das macht die Qualität und den Erfolg dieses Abend zu einem kleinen Wunder. Gitarrist Ian Crichton ist plötzlich erkrankt, deshalb musste die Band den für Donnerstagabend geplanten Auftritt in der Nähe von Bremen ausfallen lassen. In Trier spielt sie mit einem Ersatzmann.
"Wir haben ihm seine Parts in der Garderobe innerhalb von drei Stunden beigebracht", verrät Michael Sadler. Auch das ändert nichts am Erfolg der Zeitreise, nach deren Ende die Europahalle regelrecht widerwillig in die Gegenwart zurückkehrt.

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