Aktuell, aber nicht aktualisiert

Trier · Echte Theater-Kooperationen zwischen Trier und Luxemburg waren in den vergangenen Jahren Mangelware - trotz des einen oder anderen Gastspiels. Nun knüpft man an frühere Zeiten an: Ödön von Horvaths Drama "Glaube Liebe Hoffnung" ist ein echtes Gemeinschaftswerk zwischen den Theatern Trier und Esch/Alzette.

Trier. Es geht ausgewogen deutsch-luxemburgisch zu bei der Realisierung dieses Stücks eines österreichischen Autors: Das Inszenierungsteam um Regisseur Charles Muller, Bühnenbildner Helmut Stürmer und Kostümdesignerin Kathelijne Schaaphok kommt vom Théâtre municipal in Esch. Dramaturgie (Sylvia Martin), Ensemble und Bauten steuert Trier bei. Und die Hauptdarstellerin Fabienne Elaine Hollwege ist - geradezu perfekt - eine in Trier aufgewachsene Luxemburgerin mit Hauptwohnsitz in Berlin.
Als Schülerin der Trierer Waldorfschule hat sie einst Schauspieler wie Manfred-Paul Hänig und Klaus-Michael Nix auf der Bühne am Augustinerhof bewundert - nun spielt sie mit ihnen gemeinsam. "Das ist schon schräg", sagt die 32-Jährige, die im Ländchen inzwischen zu der kleinen, aber feinen Truppe gefragter Schauspieler gehört. Sie war Mullers Horvath-Wunschbesetzung, nachdem sie mit ihm vor Jahren das Anne-Frank-Tagebuch für die Bühne aufbereitet hatte.
Nun ist sie Elisabeth, eine junge Frau in der Schlussphase der Weimarer Republik, die mit ihrem kleinen Wandergewerbe erst in die Mühlen der Bürokratie und dann in eine soziale Abwärtsspirale gerät. Typisch Ödön von Horvath: Seine Figuren sind verzweifelt Kämpfende, ohne echte Chance gegen die Verhältnisse. Aber oft auch unfähig, sich Hilfe zu holen, weil sie nie gelernt haben, sich zu artikulieren.
Armut, Abstieg, Kommunikationsunfähigkeit, dazu die Angst, in einer scheinbaren Gesellschaft der Sieger zu scheitern: Horvaths Themen klingen verdammt modern. Vielleicht wird er deshalb in Hartz-IV-Zeiten immer öfter auf die Bühne gebracht.
Horvath ist wieder gefragt


Regisseur Muller liebt "die große Menschlichkeit und Ehrlichkeit" des Dichters, der - gerade mal 37 Jahre alt - in Paris von einem herabstürzenden Ast erschlagen wurde. Das war 1938, in Deutschland hatten die Nazis ihn längst von den Bühnen verbannt. In eine Zeit des Sozialdarwinismus passte kein Autor, der seine unterprivilegierten Figuren liebte, der ihnen in ihrem Elend ein gewisses Maß an Würde verlieh.
So wie Elisabeth, die ihren Weg ohne Kompromiss geht - auch wenn er in einer Katastrophe endet. Einen "sehr, sehr speziellen Charakter" nennt Hollwege die von ihr gestaltete Figur. Sie zahle einen hohen Preis "dafür, dass sie sich nicht verbiegen lassen will". Kein Zufall, dass Horvath sein Stück im Untertitel einen "kleinen Totentanz" genannt hat.
Charles Muller ist überzeugt, dass sich die Botschaft auch ohne zwanghafte Aktualisierung rüberbringen lässt - auch und gerade für ein jüngeres Publikum. Er will "Räume des Nachdenkens" schaffen, die Optik bleibt in den 1930er Jahren, einer armen Zeit mit überwiegend grauen und schwarzen Tönen. Vielleicht gar nicht unpassend für eine Ära, in der äußerliche Enge und ein geistiges Klima der Intoleranz zwei Seiten der gleichen Medaille waren. Er hoffe, sagt der Regisseur, dass "bei uns nicht wieder Ähnliches vor der Tür steht".
Grotesker Humor auch im Elend


Depressiv soll es trotzdem nicht zugehen, dafür sorgt schon Horvaths bisweilen grotesker Humor. Auch sonst, so heißt es, sei die Stimmung gut rund um die ungewöhnliche Koproduktion, die Muller - seit zehn Jahren Intendant in Esch - ausdrücklich auch als Akt der Solidarität mit dem Trierer Theater verstehen will. "Wir beobachten die Diskussionen genau", berichtet der 60-Jährige, "und wir würden es sehr begrüßen, wenn hier ein Ensembletheater bleibt". Eine Option, die ihm in seinem eigenen Haus nicht zur Verfügung steht.
Premiere "Glaube Liebe Hoffnung" am 3. Mai, weitere Termine in Trier: 10., 14., 23., 27. Mai; 14., 22., 26., Juni, 4. Juli. Infos: www.theater-trier.de

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