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Alte Bilder von zeitloser Anziehungskraft versammelt die Buchmalerei des Codex Egberti. Die Bilder der mittelalterlichen Handschrift sind allzeit eindrucksvolle Mittler im Dienst von Glaubenslehre, Frieden und Spiritualität, so das Ergebnis einer deutsch-französisch-luxemburgischen Tagung in Trier.

 Der Bischof Egbert auf einem Bild aus seinem kunstvoll gestalteten Perikopenbuch, dem Codex Egberti.Foto: Stadtbibliothek

Der Bischof Egbert auf einem Bild aus seinem kunstvoll gestalteten Perikopenbuch, dem Codex Egberti.Foto: Stadtbibliothek

Trier. Über 1000 Jahre ist er alt und dennoch alterslos. Der Codex Egberti ist als Teil des Weltkulturerbes der Unesco eines der bedeutendsten Zeugnisse des Christentums und der Kulturgeschichte. Das Kleinod mittelalterlicher Buchmalerei hat geschafft, was nur echten Kunstwerken gelingt. Seine Faszination und Bildbotschaften haben die Zeiten überdauert und sind unverändert aktuell. Noch immer füllen die Miniaturen der Bilderhandschrift grenzüberschreitend Säle. "Mit Füßen abgestimmt, liegen Veranstaltungen über den Codex Egberti mit Bildpräsentation weit vorn", berichtet Wolfgang Fleckenstein, der Leiter der Luxemburger Erwachsenenbildung, im Rahmen einer deutsch-französisch-luxemburgischen Tagung in der Katholischen Akademie in Trier.

"Die Bedeutung des Codex beruht auf seinen Illustrationen", bestätigt auch Michael Embach, der Direktor der Stadtbibliothek Trier, in deren Tresor die Kostbarkeit lagert. Auf ein zunehmendes Bedürfnis nach zeitloser Schönheit und innerer Einkehr führt Fleckenstein die ungebrochene Anziehungskraft der Handschrift zurück. Als Evangeliar oder Perikopenbuch, also als Schrift, die Teile aller vier Evangelien zum Gebrauch im Gottesdienst enthält und die für den persönlichen Gebrauch des Trierer Bischofs Egbert bestimmt war, wurde der Codex wahrscheinlich gegen 985 im Benediktinerkloster Reichenau geschrieben und gemalt. Sieben Bilder werden dem anonymen "Gregormeister" zugeschrieben, einem der führenden Maler des ottonischen Kaiserreichs. Mit 51 prächtigen Miniaturen, die das Leben Jesu erzählen, ist die Handschrift geschmückt. Ihre Bilderfolge gilt als der älteste Zyklus zum Leben Jesu. Allerdings erzählen die in ihrer Formensprache an antike Vorbilder angelehnten Miniaturen mehr als biblische Geschichten. In ihrem Symbolgehalt verdichten sich die Inhalte benediktinischer Theologie.

Nicht zuletzt wegen ihrer bedeutenden Funktion stehen die Bilder des Codex bis heute im Dienst von Liturgie, Verkündigung und Lehre. Die hohe Qualität der Bildersprache begeistert nicht nur Kunstinteressierte, sie fesselt Menschen aller Altersgruppen auf der Suche nach spirituellem Erleben. Als "Gegenbewegung gegen alltägliche Bilderflut und oberflächliche Betrachtung" versteht Fleckenstein seine Arbeit mit dem Codex.

Moderner Umgang mit alten Bildern



Ohnehin gehe die Wirkung von Bildern über die von Worten hinaus, bestätigen auch die Professoren Heribert Wahl von der Katholischen Fakultät in Trier und sein Kollege Günter Lange von der Ruhr-Universität Bochum. Im Dialog mit dem Bild erfahre man sich selbst, erklärt Wahl. Dabei dürfe auf keinen Fall auf einen "modernen Umgang" auch mit alten Bildern verzichtet werden, warnt Lange. Soll heißen: Bilder dürfen irritieren, müssen hinterfragt werden und sollen anregen, sich auf "die eigenen Instinkte" zu verlassen.

Auf solche Ergriffenheit und auf die Kunst als große synergetische Kraft setzt auch Inga Behrendt. Die Wissenschaftlerin aus Leuven hat gregorianische Gesänge sowie Sätze des Vaterunsers den Miniaturen des Codex Egberti zugeordnet, um Glauben gleichsam ganzheitlich erlebbar zu machen. Für Bischof Marc Stenger aus Troyes in Frankreich (wo die Schrift seit jeher hoch geschätzt wird) sind die Bilder des Codex eine Quelle der Friedenstheologie. "Aus dem Sturm der Gewalt führt er uns ins Meer der Harmonie", sagt der Vorsitzende von "Pax Christi" Frankreich.

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