All that Jazz (oder) Alles Jazz

Trier · Die Jazz-Combo Nils Wills zeigt in der Tufa einen couragierten Ritt durch die Stilrichtungen. Das Publikum spielt dabei nicht ganz mit.

 Die Jazz-Combo Nils Wills in der gut besuchten Tufa. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Die Jazz-Combo Nils Wills in der gut besuchten Tufa. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Foto: (g_kultur

Trier Schon seit vielen Jahren hat Nils Thoma, der Vorsitzende des Trierer Jazzclubs, eine enthusiastische Truppe von Musikern - wie beispielsweise das Trierer Urgestein Daisy Becker - um sich geschart, mit denen er als "Nils Wills" auftritt.
Am Donnerstagabend spielen sie vor fast ausverkauftem Haus im kleinen Saal der Trierer Tufa und halten sich dabei nicht sklavisch an Jazz-Traditionen. Swing, Soul, Funk und Pop sind vertreten, sogar lateinamerikanische Rumba- und Samba-Rhythmen lassen sich hören.
Dabei behalten Thoma und seine acht Mitstreiter immer ihre jazzige Grundstimmung, Stile werden interpretiert und nicht gebrochen. Die Arrangements für das große Nonett sind allesamt hausgemacht und tragen die Handschrift des Bandleaders. Die Texte - die Sängerin Petra Bungert mit ihrer rauchigen Jazzstimme formidabel umsetzt - stammen überwiegend aus der Feder von Thomas Frau Gitte Buddig, die in seinen weitgreifenden Moderationen viel beschworen wird; bei aller Liebe vielleicht ein bisschen zu viel, wie ein Jazzfreund im Publikum anmerkt.
Mit dabei sind Lieder einiger Klassiker der Jazzszene wie Joni Mitchell, Mike Manieri oder Caroll Vanwelden, besondere Klasse aber auch bei den selbst geschriebenen Songs von Thoma oder Pianist Pierre Unfer.
Der verantwortet schon den zweiten Song "Sea Lounge" mit einem mitreißenden Trompetensolo von Daisy Becker. Ruhige, sentimentale Balladen wie "Autumn Day" von Nils Thoma wechseln mit energetisch-schnellen Songs wie "Gone Under" von den New Yorker Snarky Puppies ab, die momentan der aufstrebende Geheimtipp in der Szene sind. Die Band harmoniert perfekt, alle sind hochkonzentriert und jeder bekommt die Chance, sich mit einem Solo zu präsentieren. Die Reise geht vom Kopenhagener Jazzclub "Montmartre" (Dexter Gordon) über Lateinamerika mit "Las Lorettas" (Manieri) bis hin nach New Orleans: "Snakes can't sleep" von John Lurie ist ein Höhepunkt voll reiner Passion, wenn das Bläser-Tutti zuschlägt und ein wilder Beerdigungszug an einem Schlangenbeschwörer (Thoma am Sopransax) vorbeizieht. Die Zuschauer gehen mit, die Atmosphäre ist locker, man redet laut, steht auf, geht raus und rein, die Türe klappert, so weit so erträglich.
Wenn aber ein Zuschauer mitten im Set hinausgeht und nach einer Weile mit einem Bier und einer Pizza bewaffnet zurückkehrt und diese dann direkt vor der Bühne verspeist, dann ist doch wohl eine Grenze des Anstands überschritten.

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