Alles riskiert, vieles gewonnen

TRIER. Mit einer überzeugenden Aufführung von Carl Orffs "Carmina Burana" hat die Arena Trier ihre Feuertaufe als Schauplatz klassischer Konzerte erlebt. 1500 Zuschauer quittierten die Produktion des Konzertchors, die auch die Moselfestwochen 2004 eröffnete, mit ausgiebigem Beifall.

 Kulturelle Bewährungsprobe bestanden: Orffs "Carmina Burana" in der Arena Trier.Foto: Hans Krämer

Kulturelle Bewährungsprobe bestanden: Orffs "Carmina Burana" in der Arena Trier.Foto: Hans Krämer

Am Anfang steht eine geradezu symbolische Handlung: Als Dirigent und Chor-Chef Manfred May die Mammut-Bühne betritt, hebt er als erste Amtshandlung das Sprecher-Mikrophon aus dem Weg. Die Botschaft ist unübersehbar: "Seht her, wir brauchen keine elektronische Verstärkung in dieser Riesenhalle." Wenige Augenblicke zuvor hat Moselfestwochen-Intendant Hermann Lewen bei seiner Begrüßungsansprache von einer "wunderbaren neuen Philharmonie" für Trier geredet. Das klang noch ein bisschen wie Pfeifen im dunklen Wald. Aber die Zuversicht des Duos May/Lewen sollte sich im Laufe des Abends als durchaus begründet erweisen. Mit den "Carmina Burana" hat man das ideale "Test-Objekt" für die Klassik-Tauglichkeit der Arena ausgesucht, vereinigt der Zyklus doch monumentale Chorsätze, Orff'sche Orchester-Klangwogen und filigranste Piano-Passagen. Die in Musik umgesetzten Auszüge aus einer dem 13. Jahrhundert entstammenden Geschichtensammlung ist das wohl populärste Konzert-Werk der Moderne. Selbst wer noch nie im Konzertsaal war, kommt an der Musik nicht vorbei, unterlegt sie doch Werbespots, wabert durch Spielfilme oder sorgt in Dokumentationen für Atmosphäre. Vielleicht liegt es an der Über-Berieselung, dass einen der Anfang in der Arena nicht vom Hocker haut. Dem großen Chor "O Fortuna" fehlt das Überwältigende, die Spannungsgeladenheit vom ersten Ton an. Manfred Mays Zugriff ist noch nicht packend genug, um diesen schwierigen Kaltstart optimal zu bewältigen. Auch im folgenden "Fortune plango vulnera" wirkt das Orchester noch, wie der Trierer zu sagen pflegt, etwas "haosterig": zu viel Eile, zu wenig Prägnanz. Es ist dann ausgerechnet der Kleine Chor "Veris leta facies", der den Durchbruch bringt. Der Konzertchor entfaltet mit herrlicher Leichtigkeit ein wunderbar-luzides, transparentes Klangbild, das den Zauber des Frühlings in der Arena ausbreitet. Ab diesem Moment gewinnt das Konzert an Fahrt. Der Konzertchor und die gastierenden Chöre (Kammerchor Cuxhaven, Moskauer Kinderchor, Trierer Kinderchor) sind exzellent gearbeitet und den völlig unterschiedlichen Anforderungen Orffs jederzeit gewachsen. Lautmalerisch zeichnend und athmosphärisch dicht kommt das bange Liebeslied "Floret silva nobilis" über die Rampe, mit phänomenal gutem Parlando bewältigt der Männerchor das vertrackte Trinklied "In Taberna quando sumus". Kraftvoll-gestaltend trägt der Bariton Thomas Berau den Großteil der Soli. Die Sopranistin Iris Kupke schickt mutig ausdrucksvolle, lang gehaltene Piani in den Riesensaal - und erreicht mühelos auch die letzte Reihe. Und Tenor Joaquin Asiain macht die Posse vom "gebratenen Schwan" zu einer gelungenen musikalischen Parodie. Am Ende holt der Abend nach, was am Anfang fehlte: Der zweite Durchgang von "O Fortuna" hat genau jenes Fieber, das dem ersten abging. Jubel im Saal, Erleichterung bei den Verantwortlichen. Die Arena hat ihre Bewährungsprobe bestanden. Ob sie eine Trierer Philharmonie wird, muss sich noch zeigen. Aber örtliche Konkurrenz braucht sie nicht zu scheuen. Das optische und akustische Erlebnis im hinteren Drittel von St. Maximin wird in der Arena noch auf dem entlegensten Platz um Längen übertroffen. Hilfreich wäre allerdings, wenn die Großraumhalle eine Möglichkeit böte, die leeren Ränge links und rechts der Bühne samt Werbebanner bei klassischen Konzerten hinter einem Vorhang entschwinden zu lassen. Beethoven oder Verdi brauchen vielleicht doch ein etwas stilvolleres Ambiente als Lustige Musikanten oder Sportler. Das hübsch beleuchtete Segel über der Bühne war ein guter Anfang.

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