Alles schon mal da gewesen

TRIER. An diesem Wochenende erscheint ein Buch, das sich mit der Geschichte des Trierer Theaters von 1945 bis 1995 beschäftigt. Der frühere Theater-Autor der Trierer Landeszeitung, Claus Zander, hat 50 Spielzeiten bilanziert – mit durchaus spannenden Erkenntnissen.

Theater ist ein flüchtiges Geschäft. Was gestern noch ein hoch gehandeltes Stück war, ist morgen vergessen. An die Inszenierung, über die heute die ganze Stadt spricht, erinnert sich in einem Jahr keiner mehr. Intendanten, Schauspieler und Regisseure kommen und gehen, das einzige, was meist bis ans Ende seiner Tage in Treue verharrt, ist der Abonnent - und selbst das nicht immer. Geld für Archivare kann sich längst kein Theater mehr leisten, und so ist das Langzeit-Gedächtnis oft unterentwickelt. Bis jemand kommt und in einer kombinierten Energieleistung aus eigenen Erinnerungen, Wühlarbeit im Zeitungsarchiv und Zeitzeugen-Gesprächen das Geschehen auf und hinter der Bühne dem Vergessen entreißt. Diese Arbeit hat der im Jahr 2000 gestorbene Journalist Claus Zander geleistet. Der Autor: eine spannende Persönlichkeit

1910 buchstäblich am Hauptmarkt geboren, arbeitete er nach dem Krieg für Paulinus und Trierische Landeszeitung und leitete über Jahrzehnte das "Neue Trierische Jahrbuch". Eine spannende Persönlichkeit: Gelernter Bürokaufmann, auf dem zweiten Bildungsweg als Theaterwissenschaftler promoviert, nebenher Sänger und Schauspieler mit amtlicher Bühneneignungsprüfung, gleichzeitig Anzeigenleiter und Journalist - eine Karriere, wie sie heute schwerlich denkbar wäre. Für das Trierische Jahrbuch schrieb er regelmäßig Bilanzen der Theaterspielzeiten, aber auch ausführliche Rückblicke zu historischen Theater-Jubiläen. Diese Artikel bilden die Grundlage für das im Kliomedia-Verlag erscheinende Buch "Das Theater der Stadt Trier 1945 bis 1995". Es ist die Fortsetzung des seit Jahrzehnten vergriffenen Klassikers von Hubert Thoma, der in den frühen 60er-Jahren die Geschichte des Trierer Theaters von 1802 bis 1944 aufgearbeitet hatte. Zander nimmt das Gliederungs-Prinzip von Thoma auf: Entlang der jeweiligen Intendanten-Amtszeiten schildert er das Repertoire, die Reaktionen der Öffentlichkeit und den "Zustand" des Theaters. Eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Inhalt und der Ästhetik ist dabei nicht zu erwarten, wohl aber ein spannender Rückblick - und vor allem ein vielfältiges "Déjà-vu". Theaterkrisen, Finanznöte, Existenzdiskussionen, Triumphe, Neu-Orientierungen: Alles schon mal da gewesen. Und nicht nur einmal. Lob und Tadel für Intendanten, schrumpfende und steigende Zuschauerzahlen, Jubel-Arien und Verrisse: Man kann sich beim Lesen eines Lächelns nicht erwehren, wenn bestimmte Phänomene immer wieder auftauchen.Trier war nie so spießig wie sein Ruf

Interessant der Blick ins Repertoire, der zeigt, dass Trier zumindest im Schauspiel nie so provinziell und gestrig war wie sein Ruf. Auch die zahlreichen Bilder zeigen einerseits recht spießiges Musiktheater, anderereits aber schon früh zeitgemäße Dramen-Ausstattung. Schade andererseits, dass wirkliche Zuspitzungen wie die Auseinandersetzung um Hans Neuenfels in den wilden 68ern fast völlig unter den Tisch fallen. Überraschend die Namen prominenter Künstler, die zumindest mal als Gäste an der Mosel aktiv waren: Dass Akteure wie Jean-Louis Barrault, Helmut Käutner, Lilan Harvey, Inge Meysel, Gustav Knuth, Karl-Heinz Böhm, Attila Hörbiger, Grace Bumbry, Christiane Hörbiger oder Martha Mödl hier auftraten, lässt noch im Nachhinein staunen. An dem von Rudolf Günther und Alexander Reverchon herausgegebenen Buch ließe sich nichts aussetzen, wenn es im Jahr 1981 enden würde. Schon die folgende Ära Stromberg ist nicht einmal ansatzweise in ihrer Komplexität erfasst, die Intendanz Petersen nur noch "hingehudelt". Das kann man nicht dem verstorbenen Autor anlasten, doch die Herausgeber zwingen die nächste Generation, bei der Fortschreibung 15 Jahre nachzuholen. Aber das tut dem verdienstvollen Projekt insgesamt keinen Abbruch. "Das Theater der Stadt Trier 1945 bis 1995", Kliomedia-Verlag Trier, 17,50 Euro. Das Buch wird am Sonntag, 4. März, im Rahmen eines Theatercafés ab 11.15 Uhr im Foyer des Theaters vorgestellt und ist ab sofort im Buchhandel erhältlich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort