Geschichte Ardennen-Offensive: Zeitreise ins Jahr 1944
Bastogne · Mitte Dezember feiern Menschen im belgischen Bastogne die Befreiung von den Nazis und gedenken der Toten des Zweiten Weltkriegs. In dem strategisch wichtigen Ort kämpfte die US-Armee gegen die vorrückenden Deutschen.
Ein leichter Schneefall hat den Wald in der Nähe des belgischen Dörfchens Foy in der Provinz Luxembourg wie mit Puderzucker bestäubt. Es ist kalt und sehr still. Eine dicke Wolkendecke taucht die Szenerie in trübes Winterlicht. An einem Lagerfeuer wärmen sich Frauen und Männer, die Uniformen der US-Armee aus dem Zweiten Weltkrieg tragen. Ein paar Schritte weiter haben sich Soldaten eingegraben und richten ihr Maschinengewehr auf die nächste Lichtung aus. Ein Willys Jeep fährt heran, bringt heiße Suppe mit.
Die Situation ist fast schon surreal, denn das alles ist gerade erst vor einem Jahr geschehen. Es sind auch nicht US-Soldaten, sondern größtenteils belgische und niederländische Privatleute, die an diesem Wochenende Reenactment machen, also historische Situationen in entsprechender Kleidung nachstellen.
Das Nuts-Wochenende: Was treibt so viele Menschen alljährlich am 15./16. Dezember in die belgische Provinz, nur etwas mehr als 100 Kilometer von Trier entfernt? Es ist das „Nuts-Wochenende“, das ein wichtiges Ereignis des Zweiten Weltkriegs in Erinnerung halten will und auch in diesem Jahr wieder stattfindet.
„Nuts!“ – „Quatsch!“ – war die Antwort des US-Brigadier-Generals Anthony McAuliffe, als ihn der deutsche General Heinrich von Lüttwitz am 22. Dezember 1944 im belgischen Bastogne zur Kapitulation aufgefordert hatte. Mit dieser Weigerung aufzugeben haben McAuliffe und seine Soldaten der 101. Airborne Division ihren Beitrag dazu geleistet, den Zweiten Weltkrieg zu beenden. Sie haben Geschichte geschrieben.
Bastogne: Es war ein bitterkalter Winter im Jahr 1944. Die 101. Airborne Division, eine Fallschirmjägereinheit, hatte sich seit der alliierten Landung in der Normandie im Sommer gen Osten durchgekämpft und sollte Bastogne gegen die Angriffe der vorrückenden Deutschen verteidigen. Die Soldaten hatten keine Winterkleidung. Eine Gruppe lag seit Wochen in einem Wald in dem Bastogne vorgelagerten Dorf Foy verschanzt , wo sie sich immer wieder Gefechte mit der deutschen Armee lieferten. Sie hielten die Stellung, bis schließlich die 4. US-Panzerdivision unter General Patton anrückte – und es gelang, die Deutschen zu besiegen. Die Kämpfe zogen sich auf mehreren Gefechtsfeldern bis Ende Januar hin.
„Die Wacht am Rhein“: Der in der belgischen Provinz Luxembourg liegende Ort Bastogne war besonders wegen seiner strategischen Lage von großer Bedeutung, denn dort kreuzen sich gleich mehrere Fernstraßen, unter anderem eine Straße nach Antwerpen, von wo aus der Nachschub für die US-Armee herangeführt wurde.
Genau diesen Nachschub wollten die Deutschen mit einem Großaufgebot von Panzern und Soldaten, der Ardennenoffensive, Codename „Wacht am Rhein“, verhindern.
Insgesamt rückten drei deutsche Armeen im Osten und Nordosten von Belgien und Luxemburg vor und griffen an. Der Beginn der Operation, die unter anderem die Städte St. Vith, Bastogne, Houffalize, Clerf, Diekirch und Vianden betraf, war am 16. Dezember 1944.
Die 101. Airborne hielt neben weiteren Einheiten im gesamten Kampfraum die Stellung gegen die Deutschen. Dafür zahlten beide Seiten einen hohen Preis: Die Zahlen der einzelnen Quellen variieren zwischen 60 000 und 80 000 Toten, Verwundeten und Vermissten auf deutscher Seite und zwischen 70 000 und 90 000 Toten, Verwundeten und Vermissten auf alliierter Seite. Es gab demnach 2500 Tote auf ziviler Seite und zirka 600 Schwerverletzte. Über 20 000 Häuser wurden zerstört.
Die Erinnerung: Amerikanische Veteranen, deren Familien und Verwandte sowie viele Reenactment-Fans kommen deshalb immer wieder an diesem Wochenende zusammen, um die Erinnerung an diese entscheidende Schlacht der Ardennen-Offensive lebendig zu halten. Im Wald von Foy erinnert ein Mahnmal an die Belagerung, die auch in der preisgekrönten US-amerikanischen Fernsehserie „Band of Brothers – Wir waren wie Brüder“ verfilmt wurde.
Die Paraden und das Reenactment: Reenactment-Gruppen spielen an diesem Wochenende das Lagerleben und mitunter auch Kampfhandlungen nach. In Bastogne gibt es in der Regel zwei Paraden, die am Samstag und Sonntag durch den Ort ziehen, und mehrere Gedenkveranstaltungen. Dort ist auch in einer alten Kaserne ein großes Kriegsmuseum untergebracht.
Neben dem Mahnmal im Wald bei Foy, der nun „Friedenswald“ heißt, erinnert auch das Mardasson Memorial an den Einsatz der amerikanischen Streitkräfte. Es wurde bereits 1950 als Zeichen für den Einsatz der amerikanischen Streitkräfte gebaut und liegt etwas außerhalb von Bastogne. Auf dem Dach des Gebäudes weisen Hinweistafeln auf die von dort aus sichtbaren einstigen Schlachtfelder rund um Bastogne hin. Auch ein modern gestaltetes Museum befindet sich auf dem Gelände.
Nur wenige Tage vor Weihnachten versammeln sich so alljährlich viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern in Bastogne, um der Opfer einer der schlimmsten Schlachten der europäischen Geschichte zu gedenken – und künftige Generationen vor der Sinnlosigkeit des Krieges zu warnen.