Alte Musik und ein junger Meister

Trier · Wenn der frischgebackene, zweifache Echo-Preisträger Stefan Temmingh mit seinen Blockflöten zum Mosel Musikfestival kommt, sind ein ausverkauftes Haus und jubelnde Begeisterung garantiert. So auch am Samstag bei "Vivaldi in St. Paulin" vor über 400 Zuschauern.

 Barocke Pracht: Stefan Temmingh und La Folia bei „Vivaldi in St. Paulin“. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Barocke Pracht: Stefan Temmingh und La Folia bei „Vivaldi in St. Paulin“. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Foto: Dirk Tenbrock (DT) ("TV-Upload Tenbrock"

Trier. Auch in diesem Jahr wartet das Mosel-Musikfestival wieder mit einigen musikalischen Leckerbissen auf, selbst nach 30 Jahren scheint es nur einen Weg zu geben: aufwärts!
Mosel Musikfestival


Zu den Stammgästen von Intendant Hermann Lewen gehört einer seiner erklärten Lieblingsmusiker, der Blockflöten-Virtuose Stefan Temmingh.
Der gebürtige Südafrikaner erlebte hier an der Mosel seinen Durchbruch zum Superstar, Lewen war einer der Ersten, die das Potenzial des Künstlers mit dem eigentlich doch so unscheinbaren und von Generationen von Kindern ungeliebten Instrument erkannten. Was Temmingh aus seinen diversen Hölzern herausholt, ist staunenswert und musikalisch ganz große Klasse.
Als Spezialist für Alte Musik kommt er selbstverständlich nicht an dem Venezianer Antonio Vivaldi (1678-1741) vorbei, der selbst zwar ein Geigen-Virtuose war, aber dennoch mit der gleichen Meisterschaft viele Stücke für die Blockflöte komponierte.
Beim Konzert am Samstagabend in der wunderschönen Tri erer Barock-Kirche St. Paulin, stehen denn auch ausschließlich Concerti des stilbildenden Venezianers auf dem Programm, virtuos ausgeführt vom La Folia Barockorchester unter Konzertmeister Robin Peter Müller an der Violine. La Folia (zu Deutsch: Ausgelassenheit und Kühnheit) musiziert der historischen Aufführungspraxis folgend auf historischen Instrumenten, beispielsweise einer Bass-Theorbe, einer Laute mit spektakulär langem Hals. Diese Instrumente sind so empfindlich, dass sie zwischen den Stücken immer wieder nachgestimmt werden müssen.
Stefan Temmingh übernimmt die Blockflöten-Soli, und er spielt mit einer solch leidenschaftlichen Meisterschaft, dass es den Zuschauern fast den Atem raubt. Mit irrwitzigen Tempi, rasenden Trillern und ausschweifenden Verzierungen fliegt er mit traumwandlerischer Sicherheit und vollem Körpereinsatz durch die Musik, das hat etwas durchaus Artistisches, ohne aufgesetzt zu wirken.
Dabei strafen die Musiker Strawinskys despektierlichen Ausspruch Lügen, Vivaldi habe 400 mal dasselbe Konzert geschrieben; virtuos arbeiten sie die unterschiedlichen Stimmungen heraus und kreieren Emotionen.
Besonders gut gelingt das Temmigh bei den thematischen Konzerten wie "Il Gardellino" (Der Distelfink) oder "La Notte" (Die Nacht).
Die über 400 Zuhörer im ausverkauften Kirchenschiff können sich fallenlassen, geraten in einen Sog der Musik, das ist der positive Effekt der formalen Gleichtönigkeit. Großer Applaus und als Zugabe eine melancholische Improvisation an der Flöte, die Temmingh den Familien der Opfer des Amoklaufes seiner Wahlheimat München widmet.

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