Was für eine Show: Besondere Konzerte in der Region Ein Weltstar sorgt für helle Aufregung - 17.000 Fans kommen zu Prince in Trier
Trier · Prince spielte 1992 in Trier: Warum eine spontane Entscheidung des Musikers für die Veranstalter teuer wurde.
In der neuen TV-Serie „Was für eine Show“ erinnern wir an besondere Konzerte in der Region – aus Sicht von Zuschauern, direkt Beteiligten oder auch mal von den Künstlern selbst. Mit Geschichten und Einblicken, die man bisher wohl noch nicht gehört hat. Den Auftakt macht Prince – wer sonst. Er war ein Pop-Weltstar, angekündigt für den 3. Juli 1992 auf dem Moselstadiongelände. Kategorie Michael Jackson oder Madonna. Auch wenn Prince in späteren Jahren nicht mehr ganz an die Erfolge der 80er à la „Kiss“, „1999“ oder „Purple Rain“ anknüpfen konnte. Das mag damals einigen Entscheidungsträgern im Trierer Rathaus nicht so bewusst gewesen sein, das wäre heute wohl anders. So erinnert sich Mitveranstalter Johannes Kram an schwierige Gespräche mit dem damaligen Kulturdezernenten („Prince? Wer ist das? Und was bringt uns das, wenn der nach Trier kommt“).
Und Prince kam. Früher als gedacht – nicht nur zur Überraschung der 17 000 Zuschauer. Als die Sonne an jenem Freitagabend unterging, war er schon durch mit der Show auf der größten Bühne, die Trier bis dato gesehen hatte – und bald wieder auf dem Weg zurück nach Frankfurt. Aber das kann Johannes Kram, damals gerade 25, viel besser erzählen. Der erfolgreiche Autor, Blogger und frühere Guildo-Horn-Manager (Guildo hätte er auch gerne im Prince-Vorprogramm gesehen – das Prince-Management aber nicht) war damals schließlich hautnah dabei. Hier seine Erinnerungen an einen der größten, eher kurzen Abende der regionalen Konzertgeschichte.
Johannes Kram:
Ich war in unserem Viererteam damals hauptsächlich für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Während des Einlasses im Moselstadion stand ich also im Presse- und VIP-Zelt und ging davon aus, dass ich mit den Ereignissen um die Prince-Show selbst wenig zu tun haben würde. Das änderte sich schlagartig, als sich Ingo (Anm.: Popp, Veranstalter) bei mir aus dem Backstage auf dem Funkgerät meldete: Prince hatte nun auf einmal vor, eine Stunde früher als geplant aufzutreten, und ich solle nun im VIP-Zelt den Tourveranstalter und „Mama Concerts“-Chef Fritz Rau davon überzeugen, dass der wiederum Prince davon überzeugt, am ursprünglichen Zeitplan festzuhalten. Ein früherer Beginn der Show, das wusste ich, würde in gleich mehrerer Sicht fatale Folgen haben können. Zu dieser brenzligen Situation konnte es nur kommen, weil das Tourmanagement von Prince die von uns organisierte Vorgruppe tagsüber aufgrund von Unstimmigkeiten während des Soundchecks nach Hause geschickt hatte. Und zu dieser Situation, also dass wir eine eigene und somit leicht entfernbare Vorgruppe organisiert hatten, kam es nur, weil die eigentlich geplante Vorab-Künstlerin Carmen Electra während der „Diamonds and Pearls“-Tour bei Prince in Ungnade gefallen war und seitdem bei den Konzerten nicht mehr dabei war. Es war also eine Kette von ungünstigen Zusammenfällen, und diese fielen nun ausgerechnet mir als ein Mega-Problem vor die Füße.
Ich erklärte also Fritz Rau: Tritt Prince um 19 statt um 20 Uhr auf, würden wir als Team, die für dieses bisher größte Konzert der Trierer Geschichte über ein Jahr geackert und eigenes Geld riskiert hatten, ganz sicher mit Verlust aus der ganzen Sache rausgehen. Wir brauchten aufgrund der riesigen Kosten dringend den einkalkulierten Getränkeumsatz mehrerer Stunden, doch durch einen vorgezogenen Start würde uns genau die Zeit fehlen, in der der Großteil des Umsatzes hätte stattfinden sollen. Außerdem war es wichtig, dass Prince erst nach 20 Uhr die Bühne betritt, damit die super große und super teure Lichtanlage zur Wirkung kommen konnte, die bei Tageslicht so gut wie nutzlos war. Natürlich waren alle Besucher davon ausgegangen, die Show inklusive der Lichtshow erleben zu können. Roland Morgen hatte im Trierischen Volksfreund von einem früheren Konzert der Tour berichtet, und so war man in Trier auf das beeindruckende visuelle Gesamterlebnis eingestellt.
Aber es gab noch einen viel triftigeren Grund, Prince vom früheren Start abzuhalten: Zwar hatten wir (weil wir von einer Vorgruppe ausgingen) 19 Uhr als „Beginn“ auf die Tickets geschrieben, aber in der Öffentlichkeitsarbeit immer kommuniziert, dass „Prince and The New Power Generation“, also der eigentliche Act, erst um 20 Uhr starten würde. Deshalb standen jetzt kurz vor 19 Uhr immer noch Tausende Besucher außerhalb des Stadions und reihten sich für die Ticketkontrolle ein, weil sie ja davon ausgingen, noch genügend Zeit zu haben. Wenn diese plötzlich mitbekämen, dass Prince schon auf der Bühne steht, würden natürlich alle versuchen, möglichst schnell ins Stadion zu gelangen, was zu Sicherheitsproblemen, vielleicht auch zu einer Panik führen könnte. All das erzählte ich Fritz Rau, doch der schaute mich offensichtlich unbeeindruckt an. Schließlich sagte er zu mir in bayerischem Akzent, den ich jetzt nicht nachmachen möchte: Junger Mann, was haben sie für ein Problem? Schauen Sie doch, das Wetter ist schön, und so viele junge Leute sind hier zusammengekommen, die gerne Musik hören möchten. Sehen Sie das doch alles nicht so negativ!
Das war also der große Fritz Rau: Die Legende, der Freund der Superstars (und natürlich auch der persönliche enge Freund von Prince), der bekannteste Konzertveranstalter in Europa seiner Zeit. Ein Mann der Superlative, einer, der das Unmögliche möglich macht. Und der redet jetzt mit mir über das Wetter. Egal, was ich anführte, Fritz Rau sah keinen Anlass, mit mir Backstage zu seinem Künstler zu gehen. Also redete ich immer weiter auf ihn ein, appellierte an seine Verantwortung und irgendwann war es ihm wohl doch zu unangenehm, so bedrängt zu werden. Vielleicht hatte er aber einfach auch nur Mitleid mit mir. Wir gingen also vom VIP-Zelt Richtung Bühne, was bedeutete, dass wir über einen großen Teil des Zuschauer-Geländes laufen mussten, was für mich eine absurde Situation war, weil viele Bekannte mich erblickten und die Gelegenheit für ein Schwätzchen nutzen wollten; sie konnten und duften ja nicht wissen, dass das jetzt nicht der passende Augenblick war. Ich kämpfe mich also mit Fritz Rau hinter die Bühne, die von hinten vor allem ein riesiges Gerüst war. Schon von weitem sah ich, dass Prince mit einem Teil seiner Entourage auf einer der unteren Gerüststangen der Hinterbühne saß. (Hinterher habe ich erfahren, dass er das Luxus-Garderobenzelt, das wir für ihn aufgebaut hatten, gar nicht betreten hatte.) Wir gingen also einen langen Weg auf Prince zu, und vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, aber es kann gut sein, dass Fritz Rau dabei immer langsamer wurde. Natürlich hatte Prince uns gesehen, d.h. er hatte Fritz Rau gesehen, aber er würdigte ihn keines Blickes. Komisch, dachte ich. Es waren jetzt nur noch gut zehn Meter, immer noch keine Reaktion vom Superstar. Das sind doch enge Freunde, die beiden, zumindest aber doch Geschäftspartner, warum grüßen die sich nicht? Als wir dann bei knapp zehn Metern waren, passierte etwas Unheimliches. Kaum merklich und deshalb um so beeindruckender: Keine Ahnung, ob es ein Freund des Künstlers war oder einer seiner Securities, jedenfalls war es jemand, der in seiner Nähe stand und dann einen Schritt in unsere Richtung machte. Keine Handbewegung. Erst recht kein Wort. Ein kleiner Schritt und ein strenger Blick knapp zehn Meter vor uns von jemand, der nicht einmal Prince war, aber offensichtlich in dessen Sinne handelte, genügten, dass Fritz Rau sich wie von Zauberhand mitten im Schritt umdrehte und mir signalisierte, dass es das nun gewesen ist. Ziemlich schnell verstand ich, warum die Konzertlegende mich und sich selbst mit Wettergesprächen von einer solchen Situation zu bewahren versucht hatte. Aber immerhin: Er hatte zwar hier nichts zu sagen, aber er hatte es trotzdem versucht. Kurz darauf stand Prince auf der Bühne. Während des Auftritts bekam ich dann von Ingo wieder eine Troubleshooting-Aufgabe übers Funkgerät: Prince wolle direkt nach Show-Ende mit seiner Band zu seinem Hotel in Frankfurt losfahren, und deshalb bräuchten wir jetzt ganz schnell Burger to go, die ich dann dank meiner Schwester, die in Wittlich gerade ihren McDonald‘s aufgemacht hatte, gerade noch rechtzeitig besorgen konnte. Prince hatte es geschafft, seine Zeit in Trier möglichst knapp zu halten. Ein grandioses Konzert spielte er dort trotzdem.
Johannes Kram, 1967 in Trier geboren, ist Autor, Blogger und Marketingstratege. Sein Ein-Personenstück „Seite Eins“ war auch schon in Trier zu sehen. Als Manager von Guildo Horn hatte er großen Anteil am Hype um den Sänger in den 90ern. Seit 2009 schreibt er in seinem Nollendorfblog über Homophobie („Ich habe ja nichts gegen Schwule, aber ...). Er lebt in Berlin.