Kultur Von wegen gestohlene Stimmen!

Trier · Begeisterte Kinder fordern beim Weihnachtsstück des Theaters lautstark Zugabe. Viele Termine für 2018 sind ausgebucht.

 Susi (vorne: Marie Scharf) und ihr Hund Otto (Niklas Maienschein) sind unzertrennlich. Sie müssen die gestohlenen Stimmen retten.

Susi (vorne: Marie Scharf) und ihr Hund Otto (Niklas Maienschein) sind unzertrennlich. Sie müssen die gestohlenen Stimmen retten.

Foto: Theater Trier/Simon Hegenberg

Wenn der böse Herr Akustikus all diese Stimmen stehlen müsste, dann wäre er maßlos überfordert. Es ist ein undurchdringliches Geräuschs-Dickicht, gewoben aus Hunderten hoher Kinderstimmen. Die Schüler kreischen, lachen, quasseln, quieken, schlagen Rad und toben durchs Treppenhaus des Theaters. Nur wer genau aufpasst, kann einzelne Satzfetzen ausmachen: „Das ist nicht meine Klasse.“ „Ich muss aufs Klo.“ „Kommst du her, Dicker?“

„Pscht, pschttt“ machen die Lehrer. Ein Leisefuchs erhebt sich aus den Zuschauerreihen. Und dann kommt Leben in die Schauspieler, die bisher ruhig auf der Bühne saßen. Das Bühnenbild des diesjährigen Weihnachtsmärchens „Das Rätsel der gestohlenen Stimmen“ aus der Feder von Sir Alan Ayckbourn ist einfach. Doch es funktioniert bestens (Ausstattung: Anja Kreher). Da sind bunte Würfel, Dreiecke und Röhren, eine drehbare Fassade – auf der einen Seite ein freundlich buntes Häuschen, auf der anderen eine Gruselvilla –  da sind große Schatten auf einer weißen Leinwand, eine Leiter und eine Discokugel. Das war’s. Keine digitalen Medien. Keine Specialeffects. Und die braucht es auch nicht. Das von Matthias Kaschig inszenierte Stück lebt vom Schauspiel, von merkwürdigen Geräuschen und einer spannenden Geschichte, die die Kinder in kürzester Zeit fesselt.

 „Dies ist die Geschichte von einem kleinen Mädchen. Susi ist nicht sehr mutig. Aber in dieser Geschichte zeigt sich, dass sie doch mutig ist“, erklären die Schauspieler, die gleichzeitig Erzähler sind, in kindgerechter Sprache. Und diese Geschichte geht so:  Susi (gespielt von Marie Scharf) lebt mit ihrem treuen Hund Otto – einem echten „Schäferspanielterrier“  (Niklas Maienschein) – bei ihrer Mutter (Vanessa Jeker). Der Vater (Klaus-Michael Nix) ist verschollen, seit er an einem Ballonwettbewerb teilnahm.

Nebenan steht eine alte Villa mit wunderschönem Garten, in dem Susi und Otto Dschungel spielen und sich gegenseitig erschrecken. Doch eines Tages zieht dort der merkwürdige Herr Akustikus (Butz Buse) ein. Ein finsterer Geselle im langen schwarzen Mantel, der alle Geräusche hasst und selbst die Herzen der beiden Freunde von Ferne klopfen hören kann. Als Otto, der ansonsten ein durchweg freundlicher Tolpatsch ist, den neuen Nachbarn zum ersten Mal sieht, beginnt er laut zu knurren und will ihn anfallen. Die Mutter hingegen findet Herrn „Akustikusdikus“ (sie hat einen kleinen Sprachfehler) ganz liebenswürdig und verabredet sich mit ihm zum Essen.

Susi und Otto gruselt es. Ganz besonders, nachdem Otto beobachtet, wie Akustikus dem ehemaligen Opernsänger Herrn Pichler (Klaus-Michael Nix) mit einem trötenförmigen Gerät die Stimme stiehlt - ehe er selbst sein Bellen verliert.

Die beiden jungen Helden beschließen, in die Villa einzubrechen und die gestohlenen Stimmen zu befreien. Doch was ist das für eine Villa!  Die Türe pupst (Iiih rufen die Kinder), die Fliesen grunzen, eine Blockflöte blubbert, Fledermäuse hupen, Puppen krähen. Immer wieder  bleibt Otto, der niedliche Tolpatsch, irgendwo stecken, purzelt herunter oder bekommt Türen vor den Kopf geknallt. Die Kinder kichern vor Vergnügen.

In einem Wirrwarr aus Räumen, Gängen, Schächten und Kaminen sind Susi und Otto auf die Hilfe der Zuschauer angewiesen, die mit Stimmkarten entscheiden können, wo es langgeht. „Wer ist dafür, dass sie durch die Geheimtüre gehen?“, fragt Erzähler Klaus-Michael Nix. Und schon schießen die Stimmkarten in die Höhe.

 Am Ende landen die beiden Helden in einem dunklen Kerker, dessen Wände fluoreszierende Buchstaben zieren. Dahinter verbergen sich in Schubladen zusammengefaltete Zettel voller Stimmen und Geräusche: Als das Mädchen und der Hund diese öffnen, ertönen Bomben, Babys, Dampfschiffe, Opernsänger, bis die Zuschauer aufgeregt „hinter dir, hinter dir“ schreien, um Susi und Otto vor Akustikus zu warnen, der plötzlich im Raum steht und mit seinem Stimmenfänger droht.

Weil sie wissen, wie sehr ihr Nachbar Geräusche hasst, lassen sie alle Stimmen gleichzeitig los und fordern die Kinder auf, zu schreien, so laut sie nur können. Was ein Radau! Hört es Euch einfach selbst an.

Es lohnt sich. Die Figuren sind liebevoll gespielt. Und sie sind lustig: Jüngere können über den tollpatschigen Hund lachen, ältere über die Sprachfehler der Mutter schmunzeln, die Geschichte ist kurzweilig und fantasievoll.

„Zugabe, Zugabe“, rufen die Kinder und jubeln, ehe sie strahlend das Haus verlassen.

Bei der Premiere waren die Ränge zwar nur halb gefüllt, doch sind die meisten Schulvorstellungen für Januar, Februar und März nach Auskunft des Theaters bereits ausgebucht. Wer sicher sein will, das Stück zu sehen, sollte noch für Dezember reservieren. Karten gibt es für zehn Euro, ermäßigt 7,50 Euro. Schulvorstellungen (vormittags an Schultagen) können nur an der Theaterkasse gebucht werden.

Die nächsten Termine: Sonntag, 3. Dezember, 16 Uhr, Montag, 4. Dezember, 10 Uhr, Dienstag, 5. Dezember, 10 Uhr, Mittwoch, 6. Dezember, 10.30 Uhr und 16 Uhr, Donnerstag, 7. Dezember 10 Uhr, Freitag, 8. Dezember 10 Uhr, Samstag, 9. Dezember 18 Uhr, Sonntag, 10. Dezember 11 und 16 Uhr. Weitere Termine unter www.theater-trier.de

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